Ifo-Geschäftsklima

Sorgen ums Gas trüben Konjunktur­stimmung

Die Sorgenfalten der deutschen Manager vertiefen sich angesichts des Dreiklangs aus Gasknappheit, Inflation und Materialengpässen. Das Ifo-Geschäftsklima ist unerwartet kräftig gefallen, die Aussichten sind trübe.

Sorgen ums Gas trüben Konjunktur­stimmung

ba Frankfurt

Der deutschen Wirtschaft steht ein schwaches zweites Halbjahr bevor. Die Stimmung in den Chefetagen hat sich im Juni stärker als erwartet eingetrübt – und dabei sind im Ergebnis der monatlichen Ifo-Umfrage die gedrosselten russischen Gaslieferungen nur teilweise und die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag ausgerufene zweite Warnstufe zur hiesigen Gasversorgung noch gar nicht berücksichtigt. Neue Nahrung also für die ohnehin schon zunehmenden Rezessionssorgen, nachdem auch der Einkaufsmanagerindex für Juni eine deutliche Abschwächung in der Industrie und bei den Dienstleistern gezeigt hatte.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Juni um 0,7 auf 92,3 Punkte gefallen, wie die Münchener Wirtschaftsforscher am Freitag zu ihrer monatlichen Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilten. Ökonomen hatten nach zwei Anstiegen in Folge zwar einen Rückschlag erwartet, aber nur auf einen Wert von 92,9 Zähler. Die Befragten zeigten sich weniger zufrieden mit der aktuellen Lage, insbesondere fielen aber die Erwartungen deutlich pessimistischer aus. „Steigende Energiepreise und die drohende Gasknappheit bereiten der deutschen Wirtschaft große Sorgen“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der Umfrage. Ein unmittelbarer Einbruch stehe aber nicht bevor, betonte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview: „Trotz erhöhter Unsicherheit zeichnet sich im Moment noch keine Rezession ab.“

Bankvolkswirte warnen vor drastischen Folgen für die hiesige Wirtschaft, sollten die Gas- und Öllieferungen aus Russland komplett wegbrechen. Für konjunkturellen Gegenwind sorgen zudem die rekordhohe Inflation, die stark gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten sowie die zunehmende Unsicherheit bei Unternehmen und Verbrauchern. Wegen der umfangreichen Zinserhöhungen in den USA erwartet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer für die US-Wirtschaft für die erste Hälfte 2023 eine Rezession. „Schrumpft die Wirtschaft des wichtigen deutschen Handelspartners, strahlt das negativ auf die Unternehmen hierzulande ab“, benennt Krämer einen weiteren Risikofaktor. Die Wachstumsprognose für 2023 hat die Commerzbank daher von 2,5% auf 1,0% gesenkt. Für das laufende Jahr werden weiter +1,5% erwartet. Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser Lampe, warnt, dass der Rezessionspuffer – die Rezessionswahrscheinlichkeit bis Ende 2022 beziffert er auf 40% – nur noch gering sei und durch den Eintritt gewichtiger Ereignisrisiken rasch aufgebraucht sei. Wie etwa durch neue coronabedingte Einschränkungen oder weitere mit negativen Rückkopplungen behaftete Sanktionen gegen Russland infolge des Ukraine-Kriegs. Insbesondere das verarbeitende Gewerbe leidet unter dem Lieferkettenstress, der sowohl durch den Krieg als auch die rigide chinesische Coronapolitik verschärft worden ist.

Warnzeichen für Industrie

Laut Ifo hat in diesem Wirtschaftsbereich die Stimmung „einen deutlichen Dämpfer erhalten“. Insbesondere die chemische Industrie, die besonders auf die Gasversorgung angewiesen ist, „ist höchst beunruhigt“, sagte Fuest. Die Industrie kommt seit langem mit der Produktion nicht hinterher, dabei sind die Auftragsbücher rappelvoll. Dass die Auftragseingänge zuletzt dreimal in Folge deutlich nachgaben, wertet Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, als Warnzeichen. „Die Unternehmen blicken nicht nur mit Sorge auf die kommenden Quartale, sondern lassen dem auch Taten folgen“, warnt Gitzel. Es werde weniger investiert und damit weniger bestellt: „Das sind keine guten Vorzeichen für die Konjunktur.“

Aber auch die Verbraucher blicken sorgenvoll in die Zukunft, die Konsumlust befindet sich auf einem Tiefpunkt. Nicht nur, dass die hohe Inflation die Kaufkraft beschneidet, die Energiekosten lassen zudem den Geldbeutelinhalt schrumpfen. Im Handel hat denn auch das Geschäftsklima stark nachgegeben. Die Dienstleister hingegen profitieren noch von den Coronalockerungen. „Besonders das Gastgewerbe setzt auf einen guten Sommer“, sagte Ifo-Experte Wohlrabe. Die Bereiche Transport und Logistik blickten hingegen pessimistisch auf das zweite Halbjahr. Am Bau hat sich das Geschäftsklima ebenfalls aufgehellt, da die Lage besser beurteilt wurde. Allerdings bremsen auch hier hohe Kosten, knappes Material und Fachkräftemangel die Geschäfte. Zudem drohen die anziehenden Zinsen die Bauwirtschaft abzuwürgen, warnt Gitzel.

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