US-Repräsentantenhaus winkt Trumps „Big, Beautiful Bill“ durch
US-Repräsentantenhaus winkt Trumps Steuerpaket durch
dpa-afx/xaw Washington, New York
Es ist ein innenpolitischer Sieg für US-Präsident Donald Trump: Das Repräsentantenhaus hat nach langem Ringen im Kongress das hoch umstrittene Steuer- und Ausgabengesetz verabschiedet, das der Republikaner maßgeblich vorangetrieben hatte. Damit sind die Weichen gestellt, um zentrale Versprechen aus seinem Wahlkampf zu finanzieren.
Kürzungen bei den Schwächsten im Land
Das Gesetz, das unter dem Namen „Big Beautiful Bill“ bekannt ist, sorgte für erbitterte Auseinandersetzungen im Parlament – inklusive nächtlicher Marathonsitzungen und einer Extrarunde durchs Repräsentantenhaus. Haushaltspolitisch konservative Kritiker aus Trumps eigener Partei warnten vor einem drastischen Anstieg der Staatsverschuldung. Die Demokraten lehnten das Vorhaben ab, weil es aus ihrer Sicht vor allem Wohlhabende entlastet – und dafür bei den Schwächsten im Land kürzt. Verabschiedet wurde es dennoch.

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Wegen der tiefen ideologischen Gräben gestaltete sich das parlamentarische Verfahren als äußerst schwierig. Bis kurz vor Schluss war unklar, ob es für Trump im Repräsentantenhaus für einen Sieg reichen wird: Nur mit Mühe und Druck aus dem Weißen Haus auf einzelne Abgeordnete gelang es dem republikanischen Vorsitzenden der Kammer, Mike Johnson, in den eigenen Reihen genügend Stimmen zu sichern. 218 von Trumps Parteikollegen stimmten schließlich für das Gesetz, nur die beiden Republikaner Thomas Massie und Brian Fitzpatrick wollten nicht mitgehen. Die Demokraten lehnten das Gesetz wie erwartet geeint ab.
Knappe Zustimmung im Senat
Auch in der anderen Parlamentskammer, dem Senat, hatte es zuvor drei republikanische Abweichler gegeben. US-Vizepräsident JD Vance musste einspringen und die entscheidende Stimme abgeben. In seiner Rolle als Präsident des Senats kann er bei einem Patt das Zünglein an der Waage sein. In beiden Kammern schöpften die Demokraten alle Mittel aus, um das Vorhaben zu verzögern. Der demokratische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, hielt vor der Abstimmung eine mehr als achtstündige Rede im Plenarsaal der Kongress-Kammer. Übereinstimmenden US-Medien zufolge stellte er damit einen Rekord auf.
Dem demokratischen Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, war zuvor in der anderen Kammer noch ein symbolischer Nadelstich gelungen: Er ließ den ursprünglichen Titel des Gesetzes streichen. Offiziell heißt es nun also gar nicht mehr „One Big Beautiful Bill“ – was Trump und seine Republikaner aber nicht davon abhält, es so zu nennen.
Neue Steuersenkungen geplant
Name hin oder her: Der Kongress kann Trump das Gesetz nun zur Unterzeichnung vorlegen – gerade rechtzeitig zu seiner selbst gesetzten Frist. Der Präsident hatte wochenlang massiven Druck auf die Republikaner ausgeübt, damit es bis zum amerikanischen Unabhängigkeitstag am Freitag auf seinem Schreibtisch landet. Im Zentrum des Gesetzes steht die dauerhafte Verlängerung von Steuererleichterungen aus Trumps erster Amtszeit. Zusätzlich sind auch neue Steuersenkungen geplant. So soll etwa eine Steuer auf Trinkgelder und Überstunden bis zu einem bestimmten Betrag entfallen.

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Für die Verteidigung und den Grenzschutz der USA sieht das Gesetz mehr Ausgaben vor, in anderen Bereichen stehen dagegen starke Einschnitte an – etwa bei den Sozialleistungen. Kritik gibt es vor allem an den vorgesehenen Kürzungen am US-Gesundheitssystem Medicaid. Das staatliche Programm unterstützt Geringverdiener und Menschen mit Behinderung. Das parteiunabhängige Congressional Budget Office (CBO) schätzt, dass durch das Gesetz bis 2034 fast 12 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren würden.
Furcht vor Schwächung von Zukunftsbranchen
Einschnitte werden auch bei klima- und umweltpolitischen Förderungen vorgenommen. Gestrichen werden sollen etwa Zuschüsse für emissionsarme Stromerzeugung, umweltfreundliche Baumaterialien und nachhaltige Bauweisen im öffentlichen Sektor. Auch bei den Nationalparks soll kräftig eingespart werden. Kritiker sehen darin einen Rückschritt in der Energiewende und eine Schwächung amerikanischer Zukunftsbranchen im Wettbewerb mit China.
Dass die Demokraten das Gesetz ablehnen, überrascht kaum. Politisch brisanter war der ungewöhnlich starke Widerstand gegen Trumps Vorhaben in den eigenen Reihen – trotz letztlich erfolgreicher Verabschiedung. Einerseits gab es von haushaltspolitisch konservativen Republikanern Kritik an einer steigenden Schuldenlast. Laut der CBO-Schätzung wird sich das Defizit durch das Gesetz innerhalb der nächsten zehn Jahre um rund 3,3 Bill. Dollar erhöhen. Aktuell haben die USA eine Schuldenlast von etwa 36 Bill. Dollar. Mit dem Gesetz soll der Spielraum für neue Schulden um 5 Bill. Dollar steigen.
Gefahr für Republikaner in „Swing Districts“
Andererseits birgt das Gesetz aber für einige Republikaner auch Risiken mit Blick auf die Kongresswahlen im kommenden Jahr. Umfragen zufolge handelt es sich um eins der unpopulärsten Gesetzesvorhaben der vergangenen Jahrzehnte, selbst unter republikanischen Wählern ist die Zustimmung verhalten. Besonders heikel ist die Lage deshalb für Abgeordnete aus sogenannten Swing Districts – also Wahlkreisen, in denen Republikaner und Demokraten traditionell eng beieinander liegen. Die Demokraten haben bereits angekündigt, die Kürzungen bei Sozial- und Gesundheitsleistungen zum Wahlkampfthema zu machen.
Heftiger Streit mit Musk
Der US-Präsident selbst ist wohl der größte Fürsprecher des Gesetzes und weist Kritik an dem von ihm vorangetriebenem Vorhaben vehement zurück. Auf seiner Plattform Truth Social betonte er jüngst in Großbuchstaben, dass die USA bei Verabschiedung des Gesetzes eine „wirtschaftlichen Renaissance“ erleben würden, die es so noch nie gegeben habe.
US-Finanzminister Scott Bessent betonte, die „Big, Beautiful Bill“ bereite zum Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung, deren Unterzeichnung sich 2026 zum 250. Mal jährt, den Boden für ein „goldenes Zeitalter“ – ein solches hatte Trump bei seinem Amtsantritt versprochen. Der Treasury-Chef sprach vom „größten legislativen Sieg für amerikanische Arbeiter und Familien“, da das Haushaltspaket die größten Steuererhöhungen der Historie verhindere und zugleich die nationale Sicherheit stärke. Wie nach Verabschiedung von Steuerkürzungen aus Trumps erster Amtszeit würden amerikanische Unternehmen auch diesmal im großen Stil Arbeitsplätze schaffen, Löhne anheben und investieren.
Besorgte Bondinvestoren
Ein hochrangiger Manager an der Wall Street bezeichnete die „Big Beautiful Bill“ gegenüber der Börsen-Zeitung als „verpasste Chance“. So disruptiv Trump auf anderen Politikfeldern vorgehe, so wenig echte Reform beinhalte das Haushaltspaket. Die Teilnehmer am Bondmarkt blickten der anstehenden Ausweitung der Staatsverschuldung sorgenvoll entgegen – dass die US-Staatsanleiherenditen zuletzt nicht heftiger angezogen hätten, sei vor allem der fundamentalen Stärke der amerikanischen Wirtschaft geschuldet, die sich im internationalen Vergleich noch positiv abhebe.
Andere Beobachter verweisen darauf, dass die Investoren im Zuge der Verwerfungen an den Bondmärkten in den vergangenen Monaten schon einen Verlust der fiskalischen Stabilität eingepreist hätten. Wall-Street-Köpfe rechnen zudem damit, dass die inflationären Effekte von Trumps Strafzöllen erst in den kommenden Monaten vollständig ersichtlich werden und dann im Zusammenspiel mit der fiskalischen Expansion noch für neue Turbulenzen an den Märkten sorgen werden.

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Ein einstiger Verbündeter Trumps – Tech-Milliardär Elon Musk – kritisierte die Schuldenerhöhung mit harten Worten und geriet mit Trump in einen Streit über das Gesetz, der in einer offenen Schlammschlacht mündete. Auf der Plattform X stellte Musk im Zuge dessen zuletzt auch die Gründung einer neuen Partei in Aussicht: „Wenn dieses irrsinnige Ausgabengesetz verabschiedet wird, wird am nächsten Tag die „America Party“ gegründet.“
In den USA herrscht de facto ein Zweiparteiensystem. Zwar gibt es neben den dominierenden Demokraten und Republikanern auch andere, kleinere Parteien – diese haben aber aufgrund struktureller Benachteiligungen in diesem System eigentlich keine Chance auf größeren politischen Erfolg.