Nach wochenlangem Tauziehen

USA und Ukraine besiegeln „historisches“ Rohstoffabkommen

Die USA erhalten durch einen neuen Deal bevorzugten Zugang zu ukrainischen Bodenschätzen. Im Gegenzug hofft das von Russland attackierte Land auf weitere amerikanische Militärhilfen.

USA und Ukraine besiegeln „historisches“ Rohstoffabkommen

USA und Ukraine besiegeln „historisches“ Rohstoffabkommen

Reuters/dpa-afx Washington, Kiew

Nach monatelangem Tauziehen mit teils offenem Streit haben die Ukraine und die USA ein Rohstoffabkommen unterzeichnet. US-Finanzminister Scott Bessent und die ukrainische Vize-Regierungschefin Julia Swyrydenko setzten am Mittwochabend in Washington ihre Unterschrift unter die Vereinbarung, die US-Präsident Donald Trump eingefordert hatte.

Die Vereinigten Staaten erhalten nun einen bevorzugten Zugang zu ukrainischen Bodenschätzen wie begehrten Seltenen Erden, die vor allem in der Hightech- und Rüstungsindustrie benötigt werden. Bislang sind die USA hier vor allem auf Lieferungen aus China angewiesen. Die Ukraine behält aber nach eigenen Angaben die Kontrolle über alle ihre Ressourcen und hofft nun auf weitere US-Militärhilfen. Zugleich wird ein gemeinsamer Investitionsfonds für den Wiederaufbau der Ukraine eingerichtet.

„Klares Zeichen“ für Friedensengagement

Bessent sprach von einem „historischen“ Abkommen. „Wirtschaftliche Sicherheit ist nationale Sicherheit“, schrieb der US-Finanzminister auf dem Kurznachrichtendienst X. Das Abkommen sei ein „klares Zeichen für das Engagement der Trump-Regierung für eine freie, souveräne und prosperierende Ukraine.“

Ähnlich äußerte sich das Weiße Haus. Mit der Partnerschaft übernähmen die Vereinigten Staaten eine wirtschaftliche Beteiligung an der Sicherung einer freien, friedlichen und souveränen Zukunft der Ukraine, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt. Es sei die erste Wirtschaftspartnerschaft dieser Art für den Wiederaufbau und für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg der Ukraine.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnet das Abkommen mit den USA als „gleichwertige“ Partnerschaft. Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj stufte den Deal ebenfalls als historisch ein. Es sei das erste Ergebnis seines bilateralen Treffens mit US-Präsident Donald Trump am Rande der Trauerfeiern für den verstorbenen Papst Franziskus vor wenigen Tagen in Rom, erklärte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Das Abkommen werde in Kürze vom ukrainischen Parlament ratifiziert.

„Jetzt ist es ein wirklich gleichwertiges Abkommen, das die Möglichkeit für Investitionen in der Ukraine schafft – und zwar in beträchtlichem Umfang – und darüber hinaus für eine bedeutende Modernisierung der Produktion in der Ukraine und – nicht weniger wichtig – für eine Modernisierung der Rechtspraxis in unserem Land“, sagte Selenskyj. „Das ist eine Zusammenarbeit mit Amerika und zu fairen Bedingungen, wenn sowohl der ukrainische Staat als auch die Vereinigten Staaten, die uns bei unserer Verteidigung helfen, partnerschaftlich Geld verdienen können.“ Zwar seien die Verhandlungen manchmal schwierig gewesen, doch sei das Ergebnis jetzt überzeugend, betonte Selenskyj.

Hoffnung auf neue militärische Hilfen

Auch Vize-Regierungschefin Swyrydenko lobte das Abkommen. „Zusätzlich zu den direkten finanziellen Beiträgen kann es auch NEUE Hilfe leisten – zum Beispiel Luftabwehrsysteme für die Ukraine“, schrieb sie auf X. „Wichtig ist, dass das Abkommen ein Signal an die globalen Partner sendet, dass eine langfristige Zusammenarbeit mit der Ukraine – über Jahrzehnte hinweg – nicht nur möglich, sondern auch verlässlich ist.“ Außenminister Andrij Sybiha sprach von einem „Meilenstein in der strategischen Partnerschaft zwischen der Ukraine und den USA“. Das Abkommen ziele darauf ab, die Wirtschaft und Sicherheit der Ukraine zu stärken, sagte Sybiha am Donnerstag.

Eine erste Reaktion aus Russland – das seit mehr als drei Jahren einen Angriffskrieg gegen den westlichen Nachbarn führt – kam vom Vizevorsitzenden des nationalen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew: „Trump hat das Kiewer Regime so weit gebrochen, dass es die US-Hilfe mit Bodenschätzen bezahlen muss“, schrieb der frühere Präsident am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. „Jetzt müssen sie für Militärgüter mit dem Volksvermögen eines verschwindenden Landes bezahlen.“ Russland kontrolliert weite Teile im Osten und Süden der Ukraine – insgesamt etwa ein Fünftel des ukrainischen Territoriums. Der größte Teil der ukrainischen Kohlevorkommen, die vor dem Krieg die Stahlindustrie des Landes antrieben, befindet sich im Osten und ist damit für die Ukraine verloren gegangen.

Dmitri Medwedew, Vize-Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates Russlands, ätzt gegen den Rohstoff-Deal der Ukraine mit den USA. Foto: picture alliance/dpa/TASS | Sergei Bulkin.

Dem Abkommen, das Trump als Gegenleistung für US-Militärhilfe gefordert hatte, war ein monatelanger Streit zwischen Washington und Kiew vorausgegangen. Ende Februar kam es zum Eklat im Weißen Haus, als Trump seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj vor laufenden Kameras auflaufen ließ. Zu einem Abschluss kam es damals nicht. Trump trieb danach seine Bemühungen um ein rasches Kriegsende über Gespräche mit Russland ohne Beteiligung der Ukraine voran. Die Regierung in Kiew warf ihm vor, zu sehr auf die Vorstellungen Russlands einzugehen und die Interessen der Ukraine hintenanzustellen.

Swyrydenko zufolge sieht der Deal vor, dass die Ukraine souverän entscheide – etwa was und wo abgebaut wird. Auch bleibe der Boden im Besitz der Ukraine. Das osteuropäische Land verfügt nach eigenen Angaben über Vorkommen von 22 der 34 Mineralien, die von der Europäischen Union als besonders wichtig eingestuft wurden. Dazu gehören Industrie- und Baumaterialien, Ferrolegierungen, Edel- und Buntmetalle sowie einige Seltene Erden. Analysten und Wirtschaftsexperten zufolge verfügt die Ukraine derzeit über keine kommerziell betriebenen Bergwerke für den Abbau Seltener Erden. Der weltweite Abbau wird derzeit von China dominiert, das sich nach Trumps drastischen Zollerhöhungen in einem Handelskrieg mit den USA befindet.

Unter US-Präsident Donald Trump haben internationale Spannungen beträchtlich zugenommen. Foto: picture alliance / Sipa USA | Sipa USA.

Ein der Nachrichtenagentur Reuters vorliegender Entwurf des Hauptabkommens zeigt, dass die Ukraine erfolgreich jede Verpflichtung zur Rückzahlung früherer US-Militärhilfen verhindern konnte – eine Bedingung, gegen die sich die Regierung in Kiew sehr gewehrt hatte. Das Abkommen gewährt den USA bevorzugten Zugang zu neuen ukrainischen Rohstoffgeschäften, überträgt Washington jedoch nicht automatisch einen Anteil am Rohstoffreichtum der Ukraine oder an deren Gasinfrastruktur.

Der Entwurf sieht die Schaffung eines gemeinsamen US-ukrainischen Fonds für den Wiederaufbau vor, der 50% der Gewinne und Lizenzgebühren erhalten wird, die dem ukrainischen Staat aus neuen Rohstoffgenehmigungen zufließen. Ministerpräsident Denys Shmyhal betonte, dass die Ukraine in dem Abkommen die Kontrolle über alle ihre Ressourcen behalten werde, während der Fonds über einen Zeitraum von zehn Jahren in die Entwicklung der Ukraine investiere. „Die Ukraine wird nur einen Beitrag aus neuen Lizenzen, aus neuen Lizenzgebühren für Bodenschätze leisten. Das wird unser Beitrag sein, von dem 50% in diesen Fonds fließen werden“, sagte er.

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