Deutsche Konjunktur

Vorzieheffekte wegen US-Zolldrohung lassen Auftragseingang in die Höhe schießen

Im März hat die deutsche Industrie mehr Aufträge eingesammelt. Das ist nicht nur eine Gegenbewegung zum schwachen Jahresauftakt, sondern ist auch das Ergebnis vorgezogener Bestellungen in Erwartung höherer US-Importzölle. Insofern: Keine nachhaltige Erholung, wie Ökonomen betonen.

Vorzieheffekte wegen US-Zolldrohung lassen Auftragseingang in die Höhe schießen

Vorzieheffekte auf Zölle sorgen für starkes Orderplus

Deutsche Auftragseingänge nehmen im März um 3,6 Prozent zu – Vorratskäufe wegen politischer Verunsicherung – Zuwachs breit basiert

Im März hat die deutsche Industrie mehr Aufträge eingesammelt. Das ist nicht nur eine Gegenbewegung zum schwachen Jahresauftakt, sondern ist auch das Ergebnis vorgezogener Bestellungen in Erwartung höherer US-Importzölle. Insofern: Keine nachhaltige Erholung, wie Ökonomen betonen.

ba/lz Frankfurt

Die deutsche Industrie hat im März ihr Neugeschäft überraschend kräftig gesteigert. Die Aufträge kletterten preis-, saison- und kalenderbereinigt um 3,6% zum Vormonat und damit so stark wie seit Dezember nicht mehr, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Ökonomen hatten offenbar die Verhaltensänderungen der Unternehmen vor dem Hintergrund der Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump nicht in dieser Größenordnung erwartet und daher nur mit einem Plus von 1,3% gerechnet.

Noch im Februar war bei den Neuaufträgen Stagnation angesagt, und im Januar hatte es einen Einbruch um 5,5% gegeben. Ohne die Berücksichtigung von Großaufträgen wäre der Auftragseingang im März mit einem Plus von 3,2% zum Vormonat etwas geringer ausgefallen. „Nachdem sich diese Kerngröße seit mehr als einem Jahr eher seitwärts bewegte, könnten die jüngsten Bestellungen jetzt einen (leichten) Aufwärtstrend einleiten, auf den Frühindikatoren bereits hindeuten“, analysiert Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. Denn die Unterkomponente des Einkaufsmanagerindex für die Auftragseingänge ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen und lag im März erstmals seit drei Jahren wieder über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten und signalisierte damit eine Zunahme der Aufträge.

Dickes Quartalsminus

Sorge bereitet Ökonomen allerdings, dass sich im weniger volatilen Dreimonatsvergleich für das erste Quartal immer noch ein Auftragsminus von 2,3% zum Schlussabschnitt 2024 zeigt. Ohne Großaufträge ergibt sich zumindest ein schmaler Zuwachs von 0,5%.

Sorge vor neuer Abschwächung

„Das Orderplus im März dürfte zum Teil auf Vorzieheffekte als Reaktion auf die angekündigten US-Zollerhöhungen zurückzuführen sein“, betonte das Wirtschaftsministerium. Allerdings deute die ebenfalls merklich gestiegene Nachfrage der europäischen Nachbarn nach Investitionsgütern mit 12,8% auf eine Belebung der Investitionstätigkeit hin. Trotz der großen Unsicherheit rund um die Handelspolitik und zuletzt gedämpfter Geschäftserwartungen habe sich die Geschäftslage in der Industrie zum Jahresanfang als insgesamt recht robust erwiesen. „Vor dem Hintergrund der angekündigten und zum Teil temporär ausgesetzten US-Zollerhöhungen und der damit zusammenhängenden pessimistischeren Geschäftsaussichten ist allerdings eine erneute Abschwächung der Industriekonjunktur im weiteren Jahresverlauf nicht auszuschließen“, erklärte das Ministerium.

Ökonomen skeptisch

Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe zeigte sich über den Auftragszuwachs erfreut, sieht darin aber zunächst auch eine Gegenbewegung zum schwachen Jahresauftakt. Wegen der schlechten Grundstimmung in der Wirtschaft deute wenig auf eine Trendwende hin: „Die Unsicherheit über den Fortgang der US-Zollpolitik dürfte manchen Auftrag zurückhalten – bis zur Fiskal-Bazooka gilt es für Unternehmen also weiter durchzuhalten.“ Umso wichtiger sei es, dass die Politik firmenfreundliche Strukturreformen zügig durchsetze.

Auch Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank bleibt skeptisch. „Schwer zu glauben, dass das jetzt die Wende sein soll. Größere Sprünge bei den Auftragseingängen sind keinesfalls ungewöhnlich, die Volatilität ist relativ hoch." Außerdem sei die Größenordnung der Vorzieheffekte unklar, sodass wohl kein nachhaltiger Nachfrageanstieg dahinter liege. Dass sich höhere Verteidigungsausgaben der neuen Regierung in spürbar höhere Auftragseingänge übersetzen, könnte noch ein wenig Zeit dauern, aber perspektivisch sei dies durchaus positiv.

Bestellungen steigen auf breiter Front

Zum Auftragsplus im März trugen viele Wirtschaftszweige bei, vor allem die Herstellung von elektrischen Ausrüstungen, der Bau von Flugzeugen, Schiffen, Zügen und Militärfahrzeugen sowie die Automobil- und Pharmaindustrie.

„Einen wahrhaften Auftragsboom erlebte zuletzt die Pharmaindustrie“, schreibt Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann mit Blick auf die +16,0% im März. Für die Pharmabranche sind die USA ein besonders wichtiger Exportmarkt und Trump hatte zuletzt immer wieder angekündigt, dass er auch für diese Branche Sonderzölle plant. „Es ist also nachvollziehbar, wenn hier vorsorglich zusätzliche Medikamente bzw. Vorprodukte in die USA verschifft werden“, erklärt Hartmann. Zudem hebt er die Bodenbildung beim inländischen Ordereingang speziell hervor: Hier notierten die Statistiker ein Plus von 2,0%. Die Auslandsaufträge stiegen um 4,7%, die in die Eurozone sogar um 8,0%.

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