Konjunktur

Wie sich der Mindestlohn auf die Inflation auswirkt

Die Ampel-Koalition will den Mindestlohn in Deutschland kräftig erhöhen. Ökonomen warnen vor noch mehr Inflation in Deutschland und Euroland. Was ist dran an solchen Sorgen?

Wie sich der Mindestlohn auf die Inflation auswirkt

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Die geplante Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland beschäftigt nicht nur Politiker, Unternehmen und Arbeitnehmer. Auch für die Geldpolitiker in Deutschland und dem Euroraum ist sie ein wichtiges Thema. Bei der bislang letzten Zinssitzung des EZB-Rats Mitte Dezember gab es durchaus kontroverse Diskussionen über die Inflationsaussichten, und das hatte zum Teil auch mit dem Thema Mindestlohn zu tun – und dessen Folgen für die Teuerung (vgl. BZ vom 17. Dezember).

Laut den im Zuge der Sitzung veröffentlichten neuen Projektionen der EZB-Volkswirte soll die Inflation in den Jahren 2023 und 2024 – der geldpolitisch relevante Zeithorizont – bei 1,8% liegen. Das wäre unterhalb des neuen EZB-Inflationsziels von 2%. Einige Notenbanker argumentierten, dass de facto das Inflationsziel erreicht werde. Einerseits seien die Kosten selbst genutzten Wohneigentums nicht berücksichtigt, was laut EZB-Schätzung aktuell 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte ausmacht. Andererseits seien Mindestlohnerhöhungen wie jene in Deutschland auf perspektivisch 12 Euro nicht eingearbeitet, weil es dafür noch keine gesetzliche Grundlage gibt.

Dabei geht es nicht um einige Prozentpunkte bei der Inflationsberechnung. Die Unterschiede sind entscheidend für die Geldpolitik in Euroland mit den billionenschweren Anleihekäufen sowie den Null- und Negativzinsen. Eine Geldpolitik, die speziell in Deutschland wieder einmal schwer unter Beschuss ist – zumal angesichts von Inflationsraten von (harmonisiert) 6% in Deutschland und 4,9% in Euroland.

Wie aber schlägt sich etwa die ge­plante Erhöhung des deutschen Mindestlohns nun in der Inflation in Deutschland nieder – und damit auch in Euroland, schließlich ist Deutschland die größte Volkswirtschaft?

Die Bundesbank schreibt in ihrem jüngsten Monatsbericht, dass sich die geplante „deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns“ auf das Lohnwachstum und in der Folge auf den Preisanstieg auswirken könnte, auch wenn zugleich die Abschaffung der EEG-Umlage für sich genommen die Teuerungsrate im Jahr 2023 senke. „Das Gesamtpaket dürfte daher sowohl den Wirtschaftsaufschwung als auch den Preisanstieg tendenziell stärken. “ An anderer Stelle heißt es noch deutlicher: „Insgesamt dürfte die Anhebung den aufwärts gerichteten Lohndruck spürbar verstärken.“

In ihren neuen Prognosen hat die Bundesbank ihre Erwartung für die Inflationsrate im Jahr 2023 gegenüber Juni ohnehin schon von 1,7% auf 2,2% angehoben. Darin sind die beschlossenen Anhebungen des gesetzlichen Mindestlohns auf 9,82 Euro je Stunde ab Januar 2022 und 10,45 Euro je Stunde ab Juli 2022 berücksichtigt. Explizit noch nicht eingeflossen ist hingegen die im Koalitionsvertrag festgelegte weitere Anhebung auf 12 Euro je Stunde.

Tatsächlich führt eine Mindestlohnerhöhung kurzfristig zu Preissteigerungen in den betroffenen Branchen. So kann etwa ein Restaurantbesuch teurer werden, weil Restaurantbesitzer einen Teil der gestiegenen Lohnkosten auf die Kunden abwälzen. Dann steigt die Inflation. Einige Ökonomen warnen denn auch immer wieder vor Preisgefahren bei einem steigenden Mindestlohn.

Andererseits dürfte es bei einer einmaligen Mindestlohnerhöhung keinen langfristigen Effekt auf die Inflation geben. „Unternehmen werden in der Regel ihre Preise nicht 2024 oder 2025 anheben, weil der Mindestlohn 2022 erhöht wurde“, argumentiert etwa Tom Krebs, Professor für Makroökonomik und Wirtschafts­politik an der Universität Mannheim. Bei der Einführung des Mindestlohns in Deutschland im Jahr 2015 haben sich laut Bundesbank im Nachhinein nur „eng begrenzte“ Auswirkungen auf den Verbraucherpreisindex insgesamt gezeigt.

Zusätzliche Brisanz bekommt die Diskussion allerdings, weil sich angesichts der hartnäckig hohen Inflation ohnehin zunehmend Sorgen vor ei­ner Lohn-Preis-Spirale breitmachen. Für IG-Metall-Chef Jörg Hofmann steht beispielsweise außer Frage, dass kräftige Lohnerhöhungen im kommenden Jahr ein zentrales Ziel bei den Tarifverhandlungen sein werden.