Tauben

Wo Zentralbanken lockern

Längst nicht alle Währungshüter folgen dem Trend zu höheren Leitzinsen in Schwellenländern: Allen voran Chinas Zentralbank gibt sich locker. Das gilt auch für die überwiegende Zahl der „Fragilen Fünf“.

Wo Zentralbanken lockern

Längst nicht alle Zentralbanken folgen dem von einer wachsenden Zahl an Schwellenländern vorgegebenen Trend, der sich abzeichnenden Wende in der amerikanischen Geldpolitik mit Zinserhöhungen zuvorzukommen. Manche sehen sich trotz anziehender Inflation vorerst nicht zum Handeln gezwungen, andere setzen wegen sich eintrübender Konjunkturaussichten auf anhaltende oder sogar mehr Unterstützung vonseiten der Notenbanken. Der prominenteste Fall ist die People’s Bank of China. Unvermindert locker ausgerichtet ist aber auch ein Großteil der „Fragilen Fünf“, die als besonders anfällig für Turbulenzen bei einem Zurückfahren der expansiven Geldpolitik durch die US-Notenbank Fed gelten.

Anders als Fed, Europäische Zentralbank und Bank of Japan haben Chinas Währungshüter bewusst von Dauernullzinsen und umfangreichen Anleihekäufe abgesehen, auch in der Coronakrise. Stattdessen setzen sie Impulse für die Wirtschaft in erster Linie über den Mindestreservesatz für Geschäftsbanken, um deren Kreditvergabe zu steuern. Nach einer Absenkung um 50 Basispunkte im Juli erwarten Analysten im September einen weiteren Abwärtsschritt in der gleichen Größenordnung, was zusätzliche circa 1 Bill. Yuan (umgerechnet 131 Mrd. Euro) an Liquidität freisetzen dürfte. Auch die de facto aneinander gekoppelten Zins-Benchmarks für einjährige Kreditvergaben und die Refinanzierungsgeschäfte der Geschäftsbanken mit der Zentralbank könnten bis Jahresende geringfügig um einen Zehntelprozentpunkt sinken. Anlass ist, dass aufgrund lokaler Beschränkungen nach Coronafällen in China wieder vermehrt Konjunktursorgen um sich greifen.

Die „Fragilen Fünf“

Ähnlich stellt sich die Lage in Asien insgesamt dar. Der Kontinent kann nach überwiegend rigidem Pandemie-Management mit einem vergleichsweise starken Aufschwung rechnen. Doch ein Anstieg der Corona-Infektionen und relativ geringe Inflationsraten lassen die Währungshüter von Zinserhöhungen absehen. Im Gegenteil erwarte er „sowohl in Thailand als auch auf den Philippinen weitere Zinssenkungen“, schrieb der Chefvolkswirt des Analysehaus Capital Economics, William Jackson, vor wenigen Tagen – „während die indische Zentralbank wohl erst weit im nächsten Jahr mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik beginnen wird“. Indien scheint Capital Economics zufolge widerstandsfähiger gegen einen plötzlichen Abfluss von ausländischem Kapital als 2013, weil die Zahlungsbilanz des Landes heute positiv ist, die Fremdwährungsreserven deutlich höher sind und die Landeswährung Rupie nicht übermäßig hoch bewertet zu sein scheint.

Das Land zählt zum Club der „Fragilen Fünf“ – neben Indonesien, der Türkei, Südafrika und Brasilien. Nur Brasiliens Notenbank fällt mit einer restriktiven Geldpolitik auf. Hingegen sind weder in Indonesien, noch in Südafrika oder in der Türkei Zinserhöhungen an der Tagesordnung. Die indonesische Rupie geriet nach der jüngsten Entscheidung, den Leitzins bei 3,5% zu verstetigen, leicht unter Druck. Südafrikas Notenbanker lassen sich ungeachtet zunehmender Inflationssorgen Zeit mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik und zehren von ihrem Ruf als Garanten von Stabilität und Unabhängigkeit. Sie muss sorgen, dass die Arbeitslosenquote laut Statistikamt im zweiten Quartal auf rekordhohe 34,4% gestiegen ist.

Ein Sonderfall ist die Türkei. Dort hob die Notenbank zunächst die Zinsen an – bis Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan im März wieder einmal den Notenbankchef feuerte. Erdogans wiederkehrendes Drängen nach Zinssenkungen sorgt an den Devisenmärkten für Verunsicherung. Anleger und Analysten treibt die Frage um, wie lange die Währungshüter dem Druck standhalten können – schließlich erfordern anhaltend zweistellige Inflationsraten in Kombination mit einer schwächelnden Lira nach herrschender Meinung eigentlich höhere Leitzinsen.