Allenfalls Schadensbegrenzung
Handelsstreit
Allenfalls Schadensbegrenzung
Von einer Wiederbelebung der Dynamik in den transatlantischen Handelsbeziehungen sind beide Seiten meilenweit entfernt.
Von Detlef Fechtner
Die Unterhändler der Europäischen Union, die aktuell mit ihren Ansprechpartnern auf amerikanischer Seite über eine Lösung im Handelsstreit beraten, sind nicht zu beneiden. Viel dringt zwar aus den Verhandlungen nicht nach außen. Und doch erscheinen die Verhandlungen fast schon wie ein masochistisches Ritual. Die EU macht mannigfaltige Angebote. Sie offeriert den kompletten Verzicht auf Warenzölle und gleichzeitig großvolumige Käufe von amerikanischem Gas und Soja, die das von Donald Trump so oft beklagte Handelsbilanzdefizit zumindest deutlich verringern würden. Aber aus den USA bleiben Signale oder Reaktionen weitgehend aus. Immerhin scheint, glaubt man dem, was in dieser Woche in Brüssel auf den Fluren erzählt wird, das Weiße Haus nun endlich bereit, ernsthaft verhandeln zu wollen. Die US-Regierung bleibt handelspolitisch bei alledem weiterhin schwer einschätzbar. Und das erratische Hin und Her nährt die Zweifel, ob Trump überhaupt eine echte Strategie verfolgt.
Der jüngste „Deal“ mit Großbritannien hat – auch weil er mit viel Tamtam inszeniert wurde – den Eindruck erweckt, dass sich die EU habe abhängen lassen. Das kann man auch anders sehen. Handelsexperten weisen darauf hin, dass es sich dabei gerade nicht um ein umfassendes Abkommen handele, sondern eine Verabredung, die nur auf eine überschaubare Zahl von branchenspezifischen Absprachen abstellt. Das hat nicht einmal die Akteure an den Finanzmärkten richtig überzeugt. Zumal der Rahmen für den bilateralen Handel zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten auch nach der jüngsten Verständigung deutlich ungünstiger ist als vor Trumps Amtsantritt.
Viele offene Fragen
Auch die jüngsten Annäherungen im amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt sollten nicht überschätzt werden. Trotz des vorläufigen Abschieds von dreistelligen Zollsätzen sind noch viel zu viele Fragen ungeklärt, die entscheidend sind, ob sich der Export von Billigprodukten aus der Volksrepublik in die USA künftig noch lohnt, beispielsweise die mittelfristige Zukunft der Zollfreigrenze von 800 Dollar. Erst wenn die offenen Punkte geklärt sind, wird sich einschätzen lassen, ob Europa eine Flutung mit chinesischen Produkten fürchten muss, die in den USA nicht mehr abgesetzt werden können.
Die schlechte Nachricht lautet: Die Zollattacken von Trump – egal, ob der EU nun auch ein „Deal“ gelingt wie Großbritannien oder zumindest eine Glättung der Wogen wie China – haben bereits immensen Schaden angerichtet. Das Vertrauen ist beschädigt, viele Wachstumsprognosen müssen gestutzt werden. Das Hauptaugenmerk in allen Verhandlungen richtet sich – zumindest kurz- und mittelfristig – vor allem auf Eindämmung der Auswirkungen. Handelspolitik ist nicht mehr die Suche nach einem verbindlichen Beziehungsrahmen, der Unternehmen motiviert, außerhalb der eigenen Landesgrenzen aktiv zu werden. Vielmehr droht Handelspolitik durch die neue Gangart der USA zu einem Flickenteppich von partikularen Verabredungen zu verkümmern, zu Stückwerk.
Chancen für Verhandlungslösung
Die langfristige spannende Frage lautet, ob der Bedarf der EU, die Einbußen im Handel mit den USA durch engere Bande mit anderen Partnern zu schmälern, genug politischen Willen freisetzt, um spürbare Fortschritte bei Freihandelsabkommen mit dem Rest der Welt zu erreichen. In dieser Hinsicht hat die Unterzeichnung des Mercosur-Abkommens Mut gemacht. Und auch die Verhandlungen mit Indonesien und Australien geben Anlass zur Hoffnung. Immerhin.
Die EU kann sich zugutehalten, dass sie es bislang im Handelsstreit geschlossen aufgetreten ist. Alle Regierungen haben sich hinter der EU-Kommission versammelt – sowohl was Angebote an Trump angeht als auch Drohungen mit Gegenmaßnahmen. Die Geschlossenheit trägt dazu bei, dass die Chancen für eine Verhandlungslösung innerhalb der 90-Tages-Frist weiterhin bestehen. Aber eben für einen Deal, der den Schaden eingrenzt. Von einer Wiederbelebung der Dynamik in den transatlantischen Handelsbeziehungen sind beide Seiten indes meilenweit entfernt.