Chinas taktische Falle schnappt zu
Zollkonflikt
Chinas taktische Falle schnappt zu
Im Handelsstreit zwischen China und den USA sieht man eine Machtverschiebung. Pekings Muskelspiel bei kritischen Mineralien zeigt enorme Wirkung.
Von Norbert Hellmann
Handelsgespräche in London bringen China und die USA zu einem erneuten Waffenstillstand, der den aufgeheizten Handelskonflikt wieder herunterkühlen soll. An den Märkten vermag sich keine Genugtuung darüber einstellen. Die Details eines neuen Rahmenabkommens, das den vor vier Wochen erzielten Genfer Konsens nun untermauern soll, bleiben Verschlusssache. Hinsichtlich einer weiteren Verminderung von gegenseitigen Strafzöllen gibt es keine Bewegung.
Was kann man als gute Nachricht der jüngsten Verhandlungen herausgreifen? Beim Reizthema Exportkontrollen von Chinas kritischen Mineralien und US-Chiptechnologie wird von US-Präsident Donald Trump ein Durchbruch signalisiert, während sich Chinas Präsident Xi Jinping bislang nicht geäußert hat. Das Pekinger Außenministerium beschränkt sich auf den Verweis, dass beide Seiten einen Konsens gefunden haben und China sein Wort halten wird.
Die „Schmallippigkeit“ hat Methode. Peking lässt sich nicht in die Karten schauen, wie es tatsächlich weitergeht. Ein sorgfältig vorbereitetes Exportkontrollregime zu Seltenen Erden wurde im April als Reaktion auf die rasch steigenden US-Strafzölle scharf gestellt. Mit der gezielten Schaffung von Engpässen entfaltete sich eine Lieferkettenbedrohung, die den Handlungsspielraum der Trump-Regierung wesentlich einschränkt. Washington sieht sich nun vielmehr gezwungen, Beschränkungen für Chinas Zugang zu US-Chiptechnologie wieder herunterzufahren.
Ungleiche Waffen
Zunächst wird die chinesische Regierung nun beschleunigt Exportlizenzen für seltene Erden genehmigen, welche die Lieferklemme in zahlreichen Industriebranchen wieder auflöst. Daran mag sich Erleichterung knüpfen, gleichzeitig aber ist ein neues Bewusstsein dafür entstanden, dass China bei nicht-tarifären Handelswaffen eindeutig am längeren Hebel sitzt. Die ominösen Mineralien haben trotz ihrer enormen Bedeutung für die Industrie für sich genommen einen sehr niedrigen Handelswert. Exportbeschränkungen üben damit keinerlei Einfluss auf Chinas Handelsdynamik aus. Umgekehrt sind Chipprodukte mit massiven Werten verbunden, so dass Restriktionen im US-Halbleitersektor hart aufschlagen und mit Nvidia als Paradebeispiel auch am Aktienmarkt für Wirbel sorgen.
Kaum gebremste Aufholjagd
Während Beschränkungen bei Seltenen Erden sofortigen Schaden in der westlichen Industrielandschaft anrichten, sind die Auswirkungen von US-Restriktionen bei der Chiptechnologie wesentlich indirekter. Sie beeinträchtigen gefühlt Chinas Aufholbemühungen in einem hochtechnologischen Bereich, haben aber gleichzeitig massive Investitionsoffensiven für die heimische Halbleiterbranche losgetreten, die bereits rasche Erfolge zeigt. Abgesehen davon wissen Chinas Tech-Riesen Lücken im US-Kontrollregime gezielt zu nutzen, um sich zum Teil massive Vorräte an Chips für KI-Anwendungen zuzulegen.
Im handelspolitischen Kräftemessen der beiden Großmächte hinterlassen die Absprachen in Genf und London den Eindruck einer Machtverschiebung. China hat sich taktisch wesentlich besser positioniert, um seine industriepolitischen Ziele durchzusetzen und Trumps Attacken ins Leere laufen zu lassen. Der neue Akkord hindert China kaum daran, den Lieferkettendruck bei kritischen Mineralien bei Bedarf wieder hochzufahren und damit nicht nur die USA, sondern auch europäische Handelspartner zu „disziplinieren“.
Einfluss auf die G7
Die neue Konstellation ist von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit Trumps Bemühungen, anderen unter seinem Zollregime leidenden Länder Deals aufzuzwingen, die sie in einen Konflikt mit China bringen. Trumps Chancen eine gemeinsame Front gegenüber China aufzubauen sind mit dem globalen Folterinstrument der Exportkontrollen zu kritischen Mineralien geringer geworden. In dieser Hinsicht darf man auf den Gipfel der G7-Länder am Wochenende in Kanada gespannt sein. Peking hat beste Voraussetzungen geschaffen, um einen G7-Konsens in Richtung harter Haltung zu China wesentlich zu verwässern.