LeitartikelHaushalt

Der Preis der Fiskalwende

Die schwarz-rote Koalition hat ein Billionen-Problem: Trotz der Sondervermögen und immer mehr neue Schulden fehlt Geld. Nur auf mehr Wachstum zu hoffen, reicht nicht aus.

Der Preis der Fiskalwende

Haushalt

Der Preis der Fiskalwende

Schwarz-Rot hat ein Billionen-Problem: Trotz der Sondervermögen fehlt Geld. Nur auf mehr Wachstum zu hoffen, reicht nicht aus.

Von Andreas Heitker

Zu den Erfolgen der schwarz-roten Koalition gehört sicherlich, dass sie es geschafft hat, in knapp drei Monaten relativ geräuschlos zwei Haushaltsentwürfe vorzulegen – den längst überfälligen für diesen, sowie den fürs nächste Jahr. Die Aufweichung der Schuldenbremse im Verteidigungsbereich sowie die Einrichtung eines neuen Sondervermögens für Infrastruktur schon vor der Regierungsbildung haben die Grundlage dafür gelegt, dass sich Union und Sozialdemokraten nicht – wie die Ampel-Parteien noch im letzten Sommer – um jede Milliarde wie die Kesselflicker streiten mussten. Der Preis der spektakulären Kehrtwende in der deutschen Schuldenpolitik ist mittlerweile aber ebenfalls schon zu erkennen: Laut mittelfristiger Finanzplanung des Bundes ist die Verschnaufpause 2027 schon wieder vorbei.

Für 2025 und 2026 hat Finanzminister Lars Klingbeil Wohlfühlhaushalte vorgelegt: Es werden die neuen Verschuldungsoptionen reichlich genutzt und mehr Mittel verteilt. Außer bei der Entwicklungshilfe gab es keine ernsthaften Kürzungen in den Ressorts. Und einige Ausgaben aus dem Kernhaushalt wurden zugleich in die Sondervermögen verschoben. Echte Konsolidierungsanstrengungen und konkrete Strukturreformen? Bislang völlige Fehlanzeige.

2027 muss das große Sparen beginnen

2027 hat das Wohlfühlen ein Ende. Dann hat die Koalition trotz der gewaltigen zusätzlichen Schuldenoptionen zu wenig Geld in der Kasse, um ihre Ausgabenpläne umzusetzen. Das Budgetloch beträgt 34 Mrd. Euro. Und in den Folgejahren sieht es noch schlimmer aus: Auf 172 Mrd. Euro summiert sich der Handlungsbedarf bis 2029. Das sind satte 28 Mrd. Euro mehr, als noch in den Juni-Planungen vorgesehen. Kein Wunder also, dass Klingbeil schon nach der Sommerpause die Spardebatten im Kabinett für 2027 beginnen will – obwohl dann noch zwei Etatentwürfe im parlamentarischen Verfahren stecken. Wenn die Koalition zu spät mit den Kürzungen startet, so befürchtet es der Minister offenbar, könnte es schon im nächsten Frühjahr zum großen Knall kommen.

1 Bill. Euro nicht durch Einnahmen gedeckt

Trotz der enormen Lücken steigt die deutsche Verschuldung in den nächsten Jahren auf bislang nicht gekannte Höhen. Die Nettokreditaufnahme im Kernhaushalt liegt 2029 fast viermal höher als 2024. Für die Jahre 2025 bis 2029 plant die Bundesregierung eine Nettokreditaufnahme von gut 500 Mrd. Euro. Hinzu kommt die Finanzierung der Sondervermögen von fast 350 Mrd. Euro. In den fünf Jahren bis 2029 gibt es damit neue Schulden von sagenhaften 850 Mrd. Euro. Rechnet man die Haushaltslücken noch hinzu, muss man konstatieren: Die schwarz-rote Koalition hantiert derzeit mit einer mittelfristigen Finanzplanung, in der 1 Bill. Euro der Ausgaben nicht durch reguläre (Steuer-)Einnahmen gedeckt sind.

Sozialreformen jetzt angehen

Damit dieses Problem tragfähig für die Politik bleibt, ist mehr Wachstum essenziell. Und hier darf die Bundesregierung auch durchaus hoffen, dass sich der akute Handlungsbedarf noch in diesem Jahr etwas entschärft. Denn die jüngsten Prognosen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für 2025 und 2026 liegen zum Teil schon deutlich über den Frühjahrsprojektionen, die den aktuellen Haushaltsplanungen zugrunde liegen. Derzeit geht die Koalition von einem Nullwachstum in diesem Jahr und einen BIP-Anstieg von 1% in den nächsten Jahren aus. Die Prognosen der Institute liegen etwa für 2026 um bis zu 0,7 Prozentpunkte darüber. Nur: Allein über mehr Wachstum lassen sich die Haushaltslücken nicht schließen.

Soll die schuldenfinanzierte Investitionsoffensive im Bereich Verteidigung und Infrastruktur Deutschland in den nächsten Jahren wirklich moderner, sicherer und wettbewerbsfähiger machen, müssen Union und SPD auch den Preis hierfür zahlen. Und das heißt, dass die Koalition Ausgaben zielgerichteter und effizienter einsetzen und insbesondere endlich Reformen im Renten- und Sozialsystem anfassen muss. Sonst bleiben von der großen Fiskalwende im Endeffekt nur exorbitant höhere Zinslasten für den Schuldendienst, die künftigen Regierungen sämtlichen Handlungsspielraum nähme.