Eine echte Chance
RTL und Sky
Eine echte Chance
Von Joachim Herr
Ein Zusammenschluss von RTL und Sky Deutschland wäre die passende Antwort auf die US-amerikanische Dominanz im
Streaming-Markt.
Die Konsolidierung in der Medienbranche steht vor dem nächsten Schritt. Im deutschen Fernseh- und Streaming-Markt wäre das seit langem der bedeutendste: RTL will Sky Deutschland übernehmen. Der Konjunktiv trifft es, da eine Entscheidung der EU-Wettbewerbskommission noch aussteht. Die Zustimmung aus Brüssel vorausgesetzt, stellt sich die Frage, ob das Zusammengehen beider Unternehmen eine Erfolgsserie starten könnte.
Die These ist nicht besonders gewagt, dass es RTL und Sky im Verbund besser als allein gelingen kann, auf längere Sicht mit den US-amerikanischen Schwergewichten Netflix, Amazon Prime und Disney+ in den deutschsprachigen Ländern und Regionen mitzuhalten. Mit derzeit 11,5 Millionen Abonnenten stünden die beiden nicht mehr so weit hinter den geschätzt 17 bis 18 Millionen zahlenden Kunden von Netflix. Die Branche taxiert Amazon Prime auf 14 bis 15 Millionen Abonnenten, Disney+ auf 8 Millionen.
Noch nicht profitabel
Größenvorteile spielen eine Rolle – nicht nur für Zentralfunktionen. In Verhandlungen mit Verkäufern von Film- und Sportrechten verschafft Größe eine stärkere Position. Um profitabel zu werden, brauchen beide Fusionspartner jedoch erhebliche Fortschritte sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Kostenseite. Die RTL-Gruppe hat mit dem Streaming-Geschäft die Schwelle für einen operativen Gewinn noch nicht erreicht. Das soll nächstes Jahr gelingen. Für dieses Jahr rechnet das Management auf Ebita-Basis mit Anlaufverlusten von rund 80 Mill. Euro. Vor drei Jahren war das Defizit noch fast dreimal so hoch.
Sky Deutschland peilt für dieses Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis an – vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Es wäre das erste Jahr ohne Verlust auf dieser Ebene seit der Gründung des Bezahlfernsehunternehmens vor 34 Jahren, als es noch Premiere hieß. Beteiligt waren damals außer dem Medienunternehmer Leo Kirch und Canal Plus in Frankreich der RTL-Mehrheitsaktionär Bertelsmann. Der Kreis schließt sich nun.
Gute Ergänzung
Ein Jahr ohne Betriebsverlust wäre freilich noch längst kein Beweis für eine dauerhafte Wende. Sky könnte via RTL zumindest von der Finanz- und Investitionskraft des Bertelsmann-Konzerns profitieren, müsste aber mehr als die Ausgaben einspielen. Der bisherige US-amerikanische Eigentümer Comcast war längere Zeit auf der Suche nach einem Käufer. Um ans Ziel zu gelangen, machte Comcast das Angebot attraktiver. Entscheidend war, einen großen Teil der Rechte für die Fußball-Bundesliga in den nächsten vier Spielzeiten zu ersteigern. Zudem reduzierte Sky Deutschland die Zahl der Beschäftigten seit 2022 um etwa 15% auf rund 2.200 – vor allem im Servicecenter. Auch das verbessert die Startbedingungen.
Die Chancen eines Zusammenschlusses liegen in erster Linie im komplementären Geschäft. RTL bringt Unterhaltung mit Shows ein, Sky den Sport – vor allem Fußball (allerdings ohne die Spiele der Champions League) und die Formel 1. Um für die Inhalte möglichst viel zu erlösen, kann ein gemeinsames Unternehmen die verschiedenen Plattformen nutzen und kombinieren: frei empfangbares, werbefinanziertes Programm, Bezahlfernsehen sowie Streaming-Angebote. Auch die Zielgruppen ergänzen sich. Das Publikum von RTL ist eher weiblich und jünger als das von Sky.
Mehr als zwei Dutzend Anbieter
Es gibt also einige gute Gründe, dass sich ein neuer deutscher Fernseh- und Streaming-Konzern RTL-Sky im Wettbewerb auf längere Sicht behaupten könnte. Für den Medienstandort Deutschland wäre es eine gute Nachricht, wenn dieses Feld nicht allein den US-amerikanischen Konzernen überlassen würde. An der Konsolidierung des hiesigen Marktes mit mehr als zwei Dutzend Streaming-Angeboten führt jedenfalls kein Weg vorbei – auch wenn seit der Corona-Pandemie die Zahlungsbereitschaft deutlich zugenommen hat. Netflix und Amazon Prime sind in vielen Haushalten gesetzt. Der Zusammenschluss von RTL und Sky könnte die Voraussetzung schaffen, sich als dritte Kraft zu etablieren. Eine Erfolgsgarantie wäre die Übernahme freilich noch lange nicht.