Energieversorger

Ist RWE der Musterschüler der Energiekrise?

RWE präsentiert sich in der Energiekrise als Musterschüler. Der Verzicht auf die Gasumlage ist allerdings eher als Defensivmaßnahme wider die Einführung einer Übergewinnsteuer zu verstehen.

Ist RWE der Musterschüler der Energiekrise?

Beinahe schämen muss sich RWE angesichts der fulminanten Ge­schäftsentwicklung in diesem Jahr. Im ersten Halbjahr hat sich der operative Gewinn im Kerngeschäft nahezu verdoppelt, für das Gesamtjahr wird die Ergebnisprognose mal eben um 1,5 Mrd. Euro erhöht. Während in Politik und Gesellschaft die Furcht vor sozialen Unruhen angesichts der explodierenden Energiepreise grassiert, sind Ölmultis und Energiekonzerne – sofern sie nicht wie Uniper zu stark von russischem Erdgas abhängen – zweifelsohne die Profiteure der aus den Fugen geratenen Energiewirtschaft.

Kein Wunder also, dass RWE-Chef Markus Krebber in der vorigen Woche sichtlich bemüht war, den Geschäftserfolg ins rechte Licht zu rücken. Denn mit dem Zahlenwerk samt Prognoseerhöhung hat RWE der seit Monaten aufgeregt geführten De­batte um eine Übergewinnsteuer neue Nahrung gegeben. Verhehlen lässt sich zwar nicht, dass der Gewinnschub zu einem nicht unwesentlichen Teil auf den gestiegenen Strompreis zurückzuführen ist. Doch zahlt sich jetzt eben auch aus, dass die Essener massiv in den Ausbau ihres Erneuerbaren-Portfolios investieren und die Kapazitäten just zu einer Zeit an den Markt kommen, in dem europaweit nicht nur Öl und Gas knapp geworden ist, sondern auch Strom.

Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Frankreich in diesem Jahr erstmals vom Stromexporteur zum -importeur wird. Der Grund: Mehr als die Hälfte der 56 Atomreaktoren stehen derzeit still. Neben Regelwartungen spielen auch neu aufgetauchte Korrosions-probleme eine Rolle. On Top kommt die Hitzewelle, die zu Problemen mit dem Kühlwasser führt. Doch auch die Stromproduktion aus Wasserkraftwerken ist insbesondere im Süden Europas durch Dürre und Niedrigwasser beeinträchtigt. All diese Faktoren spielen RWE in die Hände, werden die eigenen Kraftwerkskapazitäten dadurch doch besser ausgelastet.

Hinzu kommt aber auch, dass RWE vorausschauend agiert hat. Praktisch mit Ausbruch des Kriegs haben sich die Essener darangemacht, das Preisrisiko aus den kontrahierten Gasmengen aus Russland zu reduzieren. Schon im Mai waren drei Viertel der 15 Terawattstunden (TWh) abgesichert, inzwischen ist das Risiko vollständig eliminiert und bilanziell verdaut. Uniper hatte das Risiko von Unterbrechungen der russischen Gaslieferungen im März dagegen noch als gering eingestuft. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass RWE vergleichsweise wenig Gas aus Russland bezieht. Uniper sitzt dagegen auf langfristigen Lieferverträgen im Umfang von 200 TWh.

Von daher kann sich RWE natürlich auch recht leicht als Musterschüler präsentieren und einen Verzicht auf die Gasumlage aussprechen. Die Mehrkosten aus der Gasbeschaffung dürften nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was bei Uniper anfällt. Deren Chef hatte den aus der teuren Ersatzbeschaffung entstehenden Verlust für den Zeitraum Mitte Juni bis Ende August zuletzt auf 4,5 Mrd. Euro taxiert. Krebber lehnte es dagegen ab, sich zur Höhe der entstandenen Mehrkosten zu äußern. Ganz abgesehen davon, dass nur ein Teil über die Umlage hereingeholt werden könnte, wird das Gas doch auch in andere Länder geliefert.

Insoweit kommt dem Um­lageverzicht, den RWE auch mit der eigenen Finanzkraft begründet, eher Symbolcharakter zu. Alles andere würde auch erstaunen, machte sich der Vorstand gegenüber den eigenen Aktionären doch angreifbar, würden Milliardensummen mal eben so „gespendet“. Zugleich ist der zur Schau getragene Altruismus als Defensivmaßnahme wider die geforderte Abschöpfung der Übergewinne zu verstehen. In dieses Bild passt auch die Ankündigung, die Dividenden trotz der sprudelnden Gewinne auf Vorjahresniveau zu halten. Das Geld soll dagegen in den Umbau des Erzeugungsportfolios in Richtung Grünstrom gesteckt werden.

Angesichts der explosionsartig gestiegenen Energiepreise ist der Druck auf die Politik groß, die Übergewinne abzuschöpfen und mit den Einnahmen die Energiekosten einkommensschwacher Haushalte zu senken. Italien, Großbritannien und Spanien sind vorgeprescht, Frankreich hingegen hat solchen Überlegungen jüngst eine Absage erteilt. Politik und Versorger sitzen letztlich aber in einem Boot. Die Politik bestimmt zwar den regulatorischen Rahmen, ist aber zugleich auf die Unterstützung der Versorger angewiesen, um die Folgen der Gasknappheit kurzfristig über den zügigen Ausbau der LNG-Infrastruktur und langfristig über Investitionen in Erneuerbare abzumildern.

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