Dürre in Europa

Konjunktur­risiko Wasser­mangel

In Deutschland werden böse Erinnerungen an das „Jahrhundertniedrigwasser“ 2018 wach. Auch in Frankreich, Italien und Spanien bereiten Hitze und Dürre der Wirtschaft Probleme.

Konjunktur­risiko Wasser­mangel

wü/bl/ths/rec Frankfurt

Hitze und Dürre wachsen sich immer mehr zu einem ernsthaften Problem auch für Europas Wirtschaft aus. Hierzulande beeinträchtigt Niedrigwasser die Binnenschifffahrt oder legt sie sogar lahm. Auch in Frankreich werden die Flüsse zum Risiko für die Industrie: Weil Flüsse wie die Rhône zu warm werden, um Atomkraftwerke zu kühlen, werden diese vermutlich bald weniger Strom produzieren können. Und auch in Italien und Spanien macht die Dürre Unternehmen und Haushalten schwer zu schaffen.

In Deutschland werden dieser Tage böse Erinnerungen an das „Jahrhundertniedrigwasser“ im Jahr 2018 wach (siehe Grafik). Wegen niedriger Wasserstände fahren große Containerschiffe seit Wochen mit reduzierter Ladung, und die Pegel fallen weiter. Der Transport von Kohle, Getreide, Futtermitteln, Baustoffen, Mineralöl, Containern und weiteren Rohstoffen, etwa für die Chemie- und Stahlindustrie, sei eingeschränkt, berichtet der Schifffahrtsverband BDB. Auf der Elbe fahren seit Wochen gar keine Frachter mehr. Das droht bald auch auf dem Rhein.

Frankreich erlebt derweil die schlimmste Dürre jemals. Während die Trinkwasserversorgung in mehr als 100 Kommunen unterbrochen ist, hat die Regierung einen Krisenstab einberufen, der Notfallpläne erarbeiten soll. Hitze und Trockenheit setzen nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch den Energieerzeugern zu. Denn ein Teil der 56 französischen Atomreaktoren, die rund 75% des Stroms liefern, werden mit Wasser aus Flüssen gekühlt. Deren Temperatur ist aufgrund wiederkehrender Hitzewellen stark gestiegen. Wegen niedriger Wasserpegel musste vielerorts die Schifffahrt eingeschränkt werden und Landwirtschaft wie Industrie dürfen weniger Wasser entnehmen.

Der Stromversorger EDF musste die Produktion mehrerer Reaktoren drosseln, obwohl die Atomsicherheitsbehörde gerade Ausnahmeregeln für fünf Atomkraftwerke verlängert hat. Normalerweise darf wiedereingeleitetes Kühlwasser bestimmte Temperaturen nicht überschreiten, um Flora und Fauna der Flüsse nicht zu gefährden. Ohne die Ausnahmeregelung hätte EDF Reaktoren abschalten müssen. Der Versorger hat die Produktion einiger Kraftwerke dennoch auf ein Mindestmaß gesenkt.

EDF trifft das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da bereits zwölf Reaktoren wegen Korrosion und Wartungsarbeiten abgeschaltet sind. Zudem leidet die Wasserkraft, Frankreichs zweitwichtigste Energiequelle, unter der Dürre: Der Wasserstand von Stauseen ist stark gefallen, genau wie die Fließgeschwindigkeit von Flüssen. Im ersten Halbjahr haben Wasserkraftwerke fast ein Viertel weniger Strom produziert als üblich.

Italiens Landwirte leiden

In Italien haben in einigen Regionen heftige Gewitter mit Hagelschauern für schwere Schäden in der Landwirtschaft gesorgt. Doch das eigentliche Problem ist die seit Monaten andauernde Hitzewelle, verbunden mit der schlimmsten Dürre seit 70 Jahren. Schon im März beklagten viele Bauern das Ausbleiben von Niederschlägen. Vor allem im Norden hat es teilweise seit acht Monaten nicht nennenswert geregnet. Italiens größter Fluss, der Po, ist zu einem schmutzigen, grün-braunen Rinnsal geworden. Im Mündungsgebiet drängt Salzwasser aus der Adria hinein und zerstört viele landwirtschaftliche Kulturen.

Die Reisernte wird voraussichtlich 50 bis 70% niedriger als normal ausfallen. Die Milchproduktion sinkt drastisch. In der Viehzucht fehlt Futter etwa für die Aufzucht von Schweinen. Die Ernte von Hartweizen für die Pasta-Produktion fällt deutlich schlechter aus, die Weinlese beginnt deutlich früher als sonst. Das warme Wasser von bis zu 30 Grad im Mittelmeer drückt die Fischfangmengen.

Für zahlreiche Regionen in Nord- und Mittelitalien wurde der Notstand ausgerufen – was der Regierung Hilfen ermöglicht. Die Schäden gehen in die Milliarden. Seit vielen Jahren wird zu wenig in die Wasserinfrastruktur investiert, mehr als 40% geht durch Leckagen verloren. Auch bei der Bewässerung wird viel verschwendet.

Zwar erlebt Italien trotz der Hitzewelle einen Tourismusboom. Doch zuletzt haben Brände in Ligurien und in Bibione an der Adria Touristen in die Flucht geschlagen. Das Befüllen von Pools ist vielfach verboten worden, das Bewässern von Parks und Gärten ebenfalls. Und in einigen oberitalienischen Seen, etwa im Lago Maggiore oder im Gardasee, können die Schiffe manchen Hafen nicht mehr anfahren. Es gibt sogar einen Wasserkrieg, weil Bauern fordern, das Wasser der Seen zur Bewässerung ihrer Felder nutzen zu können.

Restriktionen in Spanien

In Spanien ist die Situation ebenfalls dramatisch. In einigen Regionen wie Galicien, Katalonien, Anda­lusien und dem Baskenland wurde der Wasserverbrauch eingeschränkt. Autowaschen ist ebenso verboten wie das Bewässern von Gärten und das Befüllen von Schwimmbädern. In manchen Orten ist die Wasserversorgung nachts unterbrochen oder der Wasserdruck wird deutlich gesenkt. In einigen Badeorten am Meer sind die Duschen abgestellt. Spezifische Einschnitte für Firmen gibt es bislang dagegen nicht.

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