KommentarEZB-Prognosen

Schlechter Ratgeber für die Geldpolitik

Bei der Frage nach Zinssenkungen sollte die EZB nicht zu sehr auf ihre eigenen Prognosen zu Inflation und Wirtschaftswachstum schauen. Dafür sprechen gleich mehrere Punkte.

Schlechter Ratgeber für die Geldpolitik

EZB-Prognosen

Schlechter Ratgeber

Von Martin Pirkl

Bei der Steuerung der Geldpolitik sollte die EZB nicht zu sehr auf ihre eigenen Prognosen schauen. Dafür sprechen gleich mehrere Punkte.

Die neuen Projektionen der Europäischen Zentralbank (EZB) scheinen diejenigen zu bestätigen, die lieber früher als später eine Zinssenkung sehen wollen. Die Notenbank geht davon aus, dass die Inflation 2024 deutlich schwächer sein wird als noch im Dezember vermutet. Zudem dürfte auch von der Nachfrage der Unternehmen und Privatpersonen weniger Inflationsdruck in diesem Jahr ausgehen als zeitweise angenommen. Die Prognose für das Wirtschaftswachstum der Eurozone senkte die EZB ebenfalls.

Doch Vorsicht: Die EZB sollte bei der Steuerung ihrer Geldpolitik nicht zu sehr auf diese Prognosen schauen. Zum einen könnten sich die Grundannahmen für die Vorhersage als falsch erweisen. So könnten beispielsweise die Ölpreise deutlich höher liegen, als im Szenario angenommen – etwa, wenn sich der Nahost-Konflikt noch ausweiten sollte. Generell sind die EZB-Prognosen sehr sensibel gegenüber Marktveränderungen. Nicht zuletzt spielt natürlich auch der angenommene Geldmarktzins eine wesentliche Rolle. Sollte die EZB stärker als gedacht in diesem Jahr ihre Geldpolitik lockern, wären die neuen Prognosen eh Makulatur.

Kein Spielraum für Zinssenkung im April

Selbstverständlich sind die Projektionen der EZB dennoch wichtige Informationen. Sie geben einen Hinweis darauf, in welchem Bereich Inflation und Wirtschaftswachstum ohne exogene Schocks in etwa liegen werden. Das ist der springende Punkt: in etwa und eben nicht genau. Selbst wenn sich die Annahmen der Prognosen als korrekt erweisen sollten, lässt sich daraus nicht ableiten, wo exakt die Inflation in den kommenden Monaten liegen wird – das liegt in der Natur von Vorhersagen.

Wenn die EZB nicht bereit ist hinzunehmen, dass sich die Inflation eventuell bis einschließlich 2025 etwas über dem Zielwert von 2,0% verfestigt, dann kann sie bei der Frage nach Zinssenkungen nicht zu sehr auf Prognosen schauen, sondern muss „harte“ Fakten auswerten. Ansonsten läuft sie Gefahr, die Leitzinsen nochmal erhöhen zu müssen, was mit hohen ökonomischen Kosten verbunden wäre. Mit die wichtigsten Fakten werden die Lohndaten für das erste Quartal sein. Diese werden jedoch erst Ende Mai vorliegen.

Dass die EZB ihr Inflationsziel von 2,0% „zeitnah“ erreichen will, betont die Notenbank von Sitzung zu Sitzung. Eine bloße Annäherung an rund 2% genügt ihr nicht – allein schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit. Eine Zinssenkung im April sollte sie daher trotz gesenkter Prognosen nicht riskieren.

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