Wie Trump die Reedereien in die nächste Flaute treibt
Sturmtief „Donald“
Die Zollpolitik des launenhaften US-Präsidenten verunsichert Akteure im Im- und Export weltweit. Für Reedereien sind Handelskonflikte aber nur Teil einer derzeit sehr komplexen Gemengelage.
Von Carsten Steevens, Hamburg
Die Unsicherheit, in der sich die Kunden derzeit befinden, sei lähmend, so Vincent Clerc, Vorstandschef von A. P. Møller-Mærsk, in einer Presserunde am vorigen Donnerstag anlässlich der Präsentation von Erstquartalszahlen des dänischen Transport- und Logistikkonzerns. Auch wenn der von US-Präsident Donald Trump entfachte heftige Zollstreit zwischen den USA und China durch eine am Wochenende erzielte Vereinbarung, die im April erlassenen gegenseitigen Zusatzzölle für zunächst 90 Tage zu reduzieren, vorerst offenbar entschärft wurde: Für Unternehmen, die auf Warentransporte angewiesen sind, bleibt das Thema eines eskalierenden Handelskonflikts nicht nur zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt auf dem Tisch. Und weil rund 90% der weltweit gehandelten Güter auf dem Seeweg transportiert werden, betreffen die Ungewissheiten, die mit Trumps launenhafter Zollpolitik einhergehen, auch die Containerschifffahrt.
Kunden stornieren
Der nicht absehbare Verlauf des Handelskonflikts lässt Kunden von Reedereien, denen die Auswirkungen der US-Strafzölle auf Importwaren zu unübersichtlich sind, Transporte stornieren. In einem vor dem Wochenende erschienenen Marktbericht von Clarksons, über den der maritime Informationsdienst Hansa Online berichtete, warnte der in London ansässige Schifffahrtsdienstleister, die Nachfrage in der Containerschifffahrt könne bei einem längeren Andauern des Zollstreits zwischen den USA und China über das aktuelle Quartal hinaus fallen. „Die US-Handelspolitik und die Risiken für die Bauwortschaft sind jetzt eindeutig die wichtigsten Faktoren, die die kurzfristigen Aussichten für den Containerverkehr beeinflussen.“
Ein sich in die Länge ziehender Handelskonflikt könne leicht zu einem erheblichen Rückgang des Containerhandels im Gesamtjahr führen, so Clarksons. Bei einer schnelleren Lösung der Spannungen könne hingegen ein Szenario entstehen, das näher an früheren Prognosen eines Wachstums von 2 bis 3% liege. Reedereien beurteilen die Aussichten für Containertransporte inzwischen selbst skeptischer. Anstatt eines Wachstums um rund 4% wie im Februar erwartet, könnte das weltweite Containervolumen in diesem Jahr auch um 1% schrumpfen, so die jüngste Einschätzung von Mærsk.
Finanzziele bekräftigt
An ihren bisherigen Finanzzielen für 2025 halten Reedereien wie Mærsk und die ebenfalls börsennotierte Hapag-Lloyd aus Hamburg indes nach den ersten drei Monaten fest. Beide Unternehmen, die 2024 das jeweils drittbeste Ergebnis ihrer Geschichte verbuchten und über robuste Bilanzen verfügen, berichteten über einen guten Jahresauftakt. Dass die Erlöse um 7,8% bzw. fast 19% steigen und die operativen Ergebnisse (Ebit) im Vorjahresvergleich auf 1,25 Mrd. Dollar versiebenfacht bzw. um 24% auf 487 Mill. Dollar verbessert werden konnten, lag neben Flexibilität bei der Nutzung von Containerschiffen und höheren durchschnittlichen Frachtraten als vor Jahresfrist auch an einer gestiegenen Transportmenge.
Positive Impulse lieferten dabei die beiden größten Volkswirtschaften: In China nahmen die Güterausfuhren im Startquartal vor allem aufgrund einer Vorverlagerung von Exporten in Erwartung höherer US-Zölle deutlich um 7% zu. In den USA stiegen die Wareneinfuhren in den ersten beiden Monaten 2025 aufgrund einer Vorverlagerung von Importen in Erwartung höherer Einfuhrzölle um 24%.
Wie relevant die Aussichten des Welthandels für die Schifffahrt sind, zeigte sich nach der Vereinbarung einer vorläufigen Reduzierung der Zollsätze zwischen den USA und China ab Mittwoch dieser Woche an der Börse. Die Mærsk-B-Aktie legte am Montag um 10,4% auf 12.430 dkr zu, der Hapag-Lloyd-Kurs um knapp 13% auf 146,50 Euro. Nach einem Monat mit stark gesunkenem Frachtaufkommen könnten US-Importeure die abgesteckte 90-tägige Zollpause dazu nutzen, Frachten vorzuziehen. Mögliche Folgen von kurzfristig steigenden Frachtmengen im Verkehr zwischen China und den USA könnten neue Komplikationen in den Lieferketten und höhere Frachtraten sein.
Moratorium mit Effekt
„Dies hat deutlich positive Folgen für die Containerschifffahrtsbranche“, zitierte der Branchendienst Lloyd's List einen Jefferies-Analysten nach dem Zoll-Deal. „Seit Mitte März haben die Reedereien ihre Frachtraten knapp über der Gewinnschwelle stabilisiert, indem sie ihre Schiffskapazitäten vom Transpazifik-Verkehr umgeroutet haben, und mit den für Juli erwarteten Volumina in der Hochsaison wird das Potenzial für einen starken Anstieg der Frachtraten realistisch.“ Branchenexperte Lars Jensen von Vespucci Maritime erwartet, dass die Reedereien viele der in den vergangenen Wochen angekündigten Ausfälle bei den Diensten wieder aufnehmen werden. Wie schnell dies möglich sei, hänge zum Teil auch davon ab, wo sich Schiffe derzeit befinden.
Ob die US-Regierung in den drei Monaten des Zollmoratoriums handelspolitische Differenzen mit China ausräumen und Zollfragen auch mit anderen Kontrahenten wie der EU verlässlich regeln wird, ist jedoch weiterhin unklar. Berechenbarer sind die Aussichten für Reedereikunden, die sich beispielsweise fragen, ob eine Produktionsverlagerung von China in ein anderes Land sinnvoll sein könnte, um US-Strafzölle auf Importe aus China zu vermeiden, mit der Vereinbarung vom vorigen Wochenende nicht geworden.
Sicherheitskrise dauert an
Reedereien wie Hapag-Lloyd, die mit Verweis auf ihr kapitalintensives Geschäft gerade Einsparungen von über 1 Mrd. Dollar in den nächsten 18 Monaten angekündigt hat, sehen ihren Ausblick für 2025 in Anbetracht der volatilen Frachtratenentwicklung und geopolitischer Herausforderungen mit „sehr hohen“ Unsicherheiten behaftet. So könnte sich die unlängst von Donald Trump verkündete Waffenruhe zwischen den USA und der Huthi-Miliz im Jemen auf die seit Herbst 2023 andauernde Sicherheitskrise im Roten Meer auswirken. Sollte der Suez-Kanal für Schiffe wieder sicher befahrbar werden, könnten Frachtraten wegen eines resultierenden Kapazitätsüberhangs erodieren.
Zur komplexen Gemengelage für die Reedereien trägt zudem die Ankündigung der US-Regierung bei, in China gebaute Schiffe mit einer neuen Hafengebühr zu belegen, um Chinas Dominanz im Schiffsbau zu begegnen. Ferner lag das Verhältnis von Schiffsbestellungen zur bestehenden weltweiten Flottenkapazität zuletzt mit 28% weiterhin auf hohem Niveau. Vor allem wegen des starken Kapazitätszuwachses fiel der Shanghai Containerized Freight Index (SCFI), der die Spot-Frachtratenentwicklung auf den wichtigsten Handelsrouten von Schanghai abbildet, Ende März mit 1.357 (i.V. 1.731) Dollar pro Standardcontainer (TEU) deutlich unter den Vorjahreswert.
Großes Orderbuch
Auch 2025 dürfte das Kapazitätswachstum, das mit Wachstumserwartungen und mit Plänen der Reeder zur Dekarbonisierung ihrer Flotten zusammenhängt, den Anstieg der Transportnachfrage übertreffen. Branchenbeobachter sehen das große Orderbuch mit Sorge. Reedereien relativieren: In Zeiten andauernder geopolitischer Krisen helfe die zusätzliche Kapazität, globale Lieferketten intakt zu halten, so Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen in der Hauptversammlung Ende April.