Im BlickfeldRekordhohe Buybacks

US-Konzerne blähen Bewertungsblase mit Rückkäufen auf

Amerikas Konzerne stecken Mittel im Rekordvolumen in Buyback-Programme. Damit fachen sie die Anlegerstimmung aber ausgerechnet in einer Phase an, in der sich bereits eine massive Überhitzung abzeichnet.

US-Konzerne blähen Bewertungsblase mit Rückkäufen auf

US-Rückkäufe blähen Bewertungsblase auf

Amerikas Konzerne stecken Mittel im Rekordvolumen in Buyback-Programme. Damit fachen sie die Anlegerstimmung aber ausgerechnet in einer Phase an, in der sich bereits eine massive Überhitzung abzeichnet.

Von Alex Wehnert, New York

Corporate America pumpt in beispiellosem Tempo Geld in den heimischen Aktienmarkt. Bis Anfang August haben US-Unternehmen laut der Research-Firma Birinyi Associates 2025 rund 984 Mrd. Dollar für den Rückkauf eigener Anteilsscheine zugesagt, dies bedeutet den höchsten Wert in der bis 1982 zurückreichenden Datenbank. Im Gesamtjahr dürften die abgeschlossenen Buybacks demnach ein Volumen von über 1,1 Bill. Dollar erreichen, auch dies würde einen Rekord bedeuten.

S&P 500 läuft heiß

Begünstigt wird die Aktivität durch ein starkes Gewinnwachstum, laut dem Datendienst Factset hat der Überschuss im S&P 500 im zweiten Quartal bisher um 11,8% zugelegt und damit zum dritten Mal in Folge ein zweistelliges prozentuales Plus erreicht. Zudem steht die Zahlenvorlage einiger schwerer Werte um den Chipdesigner Nvidia erst noch aus – Analysten rechnen im Konsens nun damit, dass die kollektiven Gewinne im S&P 500 um 12,7% auf 563 Mrd. Dollar anziehen und das vor dem Start der Berichtssaison prognostizierte Niveau damit um 27 Mrd. Dollar übertreffen werden.

Doch macht sich unter Wall-Street-Insidern eine große Sorge breit: Dass die rekordhohen Buybacks den Markt in einer Phase aufblähen, in der sich ohnehin eine gewaltige Bewertungsblase aufspannt. Der S&P 500 ist im laufenden Jahr bisher 19-mal mit einem Rekordhoch aus dem Handel gegangen, der technologielastige Nasdaq Composite hat gar 20 Schlussbestmarken aufgestellt.

Stratege sieht Zeit für Gewinnmitnahmen

Erstgenannte Blue-Chip-Benchmark notierte zuletzt zu mehr als dem 22-fachen der prognostizierten Gewinne pro Aktie für die kommenden zwölf Monate – die Bewertung deutlich oberhalb des zehnjährigen Durchschnitts sollte Anlegern laut den Analysten von Wolfe Research durchaus zu denken geben. Chef-Investmentstratege Chris Senyek sieht angesichts der „Assetpreise nahe an oder auf Rekordhoch“ die Zeit gekommen, kurzfristig Gewinne mitzunehmen. Gerade der politische Druck auf die Federal Reserve, die Zinsen zu senken und die fiskalische Expansion infolge des von US-Präsident Donald Trump unterzeichneten Mega-Steuerpakets, der „Big, Beautiful Bill“, sorgten für die Gefahr einer ökonomischen Überhitzung. Auch die gewaltigen Investitionsausgaben infolge des Booms um künstliche Intelligenz (KI) verstärkten die Gefahr einer Blasenbildung.

Selbst OpenAI-Chef Sam Altman sieht einen übermäßigen Hype um künstliche Intelligenz.
Selbst OpenAI-Chef Sam Altman sieht einen übermäßigen Hype um künstliche Intelligenz.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mark Schiefelbein

Selbst Sam Altman, CEO des für den Textgenerator ChatGPT bekannten Startups OpenAI, sprach in einer Schalte mit Journalisten am vergangenen Freitag davon, dass „Investoren insgesamt übermäßig begeistert von KI“ seien. Die Riesen des Silicon Valley haben ihre mehrere 100 Mrd. Dollar schweren Kapitalaufwendungen für Rechenzentren und KI-Anwendungen im Rahmen der jüngsten Zahlenvorlagen noch einmal kräftig aufgestockt. Bei LPL Financial heißt es, die Rekordinvestitionen bedeuteten zusätzliche Einnahmen für Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette und unterstützten damit Produktivitätsgewinne und höhere Margen für Corporate America insgesamt.

Konzentriertes Interesse an „Magnificent Seven“

Andere Beobachter fürchten hingegen, dass sich das Investoreninteresse erneut viel zu stark auf eine viel zu kleine Gruppe an Konzernen konzentriert. Mit Ausnahme von Alphabet, die auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21,7 kommt, handeln alle anderen Mitglieder der „Magnificent Seven“ zu Bewertungen weit oberhalb des Gesamtniveaus im S&P 500 – bei Tesla beläuft sich der Kurs auf mehr als das 150-fache des prognostizierten Überschuss pro Aktie für die kommenden zwölf Monate.

Die Vertreter des Big-Tech-Segments treiben ihre Aktien dabei auch durch Buybacks an. Apple und Alphabet gehören zu den Konzernen mit den umfangreichsten Rückkaufprogrammen an der Wall Street. Die Google-Mutter kündigte im April an, eigene Aktien im Wert von 70 Mrd. Dollar zurück erwerben zu wollen. Zuletzt verfügte Alphabet über liquide Mittel im Volumen von 21 Mrd. Dollar.

Ineffiziente Mittelallokation

Apple, die auf Cash-Beständen von 36,3 Mrd. Dollar sitzt, sticht das Rückkaufprogramm des Suchmaschinenkonzerns mit im Mai angekündigten Buybacks von bis zu 100 Mrd. Dollar aus. Der iPhone-Hersteller sucht dabei Aktionäre bei der Stange zu halten, denen die Absatzschwäche in China und zu erwartende Kostenanstiege infolge der Handelspolitik Washingtons auf das Gemüt geschlagen haben. Analysten warnen indes, dass die Rückkäufe zu den aktuellen Bewertungsniveaus eine äußerst ineffiziente Allokation liquider Mittel darstellten.

Blackrock-CEO Larry Fink mahnt Unternehmen, vor lauter Aktienrückkäufen die Zukunftsinvestitionen nicht zu vergessen.
Blackrock-CEO Larry Fink mahnt Unternehmen, vor lauter Aktienrückkäufen die Zukunftsinvestitionen nicht zu vergessen.
picture alliance / Sipa USA | Anthony Behar

Zudem gingen sie zulasten einer stabileren Steigerung des Shareholder Return über Dividenden und nähmen Unternehmen Spielraum für Zukunftsinvestitionen. Dies hat auch Larry Fink, CEO des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock in seinem diesjährigen Brief an die Aktionäre angemahnt. Seine Kollegen aus dem Finanzsektor nehmen sich das allerdings weniger zu Herzen: Nach den für sie positiven Ergebnissen des mit lockeren Parametern abgehaltenen Stresstests 2025 haben US-Geldhäuser ebenfalls Rückkaufprogramme lanciert oder aufgestockt. J.P. Morgan kündigte im Juli Buybacks im Umfang von 50 Mrd. Dollar an, die Direktoren von Bank of America autorisierten ein Programm im Volumen von 40 Mrd. Dollar. Und der Verwaltungsrat von Morgan Stanley winkte eine Neuauflage des 20 Mrd. Dollar schweren Rückkaufplans der Bank durch.

Ölriesen unter Druck

Doch während die Buybacks der Großbanken laut Branchenkennern darauf hindeuten, dass diese eine vergleichsweise robuste Verbraucherstimmung und Kreditperformance erwarten, sind die Zweifel an der Stabilität einer anderen großen Gruppe von Rückkäufern gewachsen. Denn bei Amerikas Ölriesen gehen die Profite infolge eines Preisabschwungs am Rohstoffmarkt empfindlich zurück.

Branchenprimus ExxonMobil rechnet für 2025 insgesamt mit einem freien Cashflow von 29 Mrd. Dollar. Hält der Konzern tatsächlich an seinen Buyback-Zielen und zugleich an der Dividende fest, würde er 2025 unterdessen nahezu 37 Mrd. Dollar an die Anteilseigner zurückführen. Die Lücke von fast 8 Mrd. Dollar müsste er also aus anderen Quellen schließen – Investoren im Ölsektor reagieren traditionell aber mit Missfallen auf schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe. Chevron verfügt trotz jüngst aufgehellter Aktionärsstimmung über noch weniger finanzielle Flexibilität.

Warnung vor Korrektur

Die konjunkturelle Verunsicherung infolge globaler Handelskonflikte droht laut Ökonomen indes nicht nur den Energiesektor, sondern die breite Wirtschaft durchzurütteln. Goldman Sachs warnt angesichts des Zoll-bedingten Gegenwinds vor einer deutlichen Korrektur im S&P 500. Laut anderen Analysten hat die Washingtoner Wirtschaftspolitik bisher zwar eher dazu geführt, dass Unternehmen für Langfrist-Investitionen angesetzte Mittel lieber in den vermeintlichen sicheren Verwendungszweck Aktienrückkäufe steckten. Marktturbulenzen drohten Firmen aber dazu zu zwingen, ihr Cash zusammenzuhalten – und möglicherweise sogar bereits angekündigte Buyback-Programme zu streichen.