Bausparverträge

Zinswende beschert Bauspar­kassen Boom

Lange Zeit ließen billige Baukredite Bausparverträge eher teuer erscheinen. Mit der Verdreifachung der Bauzinsen seit Jahresbeginn wurde die Situation auf den Kopf gestellt. Seitdem erlebt das Bausparen eine Renaissance.

Zinswende beschert Bauspar­kassen Boom

Bausparen dient nicht mehr nur dem zielgerichteten Sparen, um ein wohnwirtschaftliches Darlehen mit Festzinsbindung zu erlangen. Dessen Verzinsung in der Darlehensphase soll darüber hinaus auch niedrig sein, wie es in den meisten Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge heißt. Im Zuge der Niedrigzinsphase der EZB aber waren die Zinsen für zehnjährige Baukredite allmählich auf ein Niveau von 1% und darunter abgerutscht, so dass darüber liegende Sollzinsen die Bauspardarlehen teuer aussehen ließen. „In einem solchen Umfeld galten Bauspardarlehen nicht mehr als niedrigverzinslich und wurden daher trotz Zuteilung zunehmend weniger mehr abgerufen“, sagt Gabriele Nagel, Bausparmathematikerin der LBS Südwest.

Entsprechend stark spiegelte sich in den vergangenen Jahren die Schräglage in rückläufigen Erträgen der Marktteilnehmer wider. So waren Bausparkassen in der Niedrigzinsphase weniger Treiber der Entwicklung als Getriebene, die einen Tarif nach dem anderen an den Markt brachten, dabei der Zinsentwicklung aber laufend hinterherhinkten. Während der Marktzins für Baukredite immer tiefer rutschte, mutierten Bausparverträge zunehmend zum reinen Sparvehikel der Kundschaft. Die oft hochverzinslichen Bauspardarlehen wurden in einer solchen Situation trotz Zuteilung kaum mehr abgerufen, was die Kassen unter Ertragsdruck brachte.

Plötzlich ist alles anders

Inzwischen aber hat sich der Wind gedreht. „Bereits im Dezember 2021, erst recht aber im Januar und Februar 2022 ist der Bausparmarkt wieder angesprungen“, sagt Oliver Adler, verantwortlicher Produktmanager der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Als Ursache für die Renaissance des unter den Finanzprodukten als Langweiler geltenden Bausparens entpuppten sich die Bauzinsen, die sich mit zehnjähriger Zinsbindung im Zuge der Zinswende von Januar bis September 2022 auf ein Niveau von etwa 3% verdreifacht haben. Im Zuge dieser Entwicklung erlebte die gesamte Branche „ein starkes erstes Halbjahr“, sagt Adler.

So registrierten etwa die Landesbausparkassen beim neu abgeschlossenen Geschäft bis Juni einen Zuwachs von 43%, während die privaten Bausparkassen auf ein Plus von 20% kamen. Damit dürften die Neuabschlüsse der gesamten Branche im laufenden Jahr erstmals seit 2013 sowohl bei der Vertragszahl als auch der Vertragssumme wachsen.

Zuletzt war die Zahl der Neuabschlüsse 2021 branchenweit gesunken, das neu abgeschlossene Bausparvolumen nahm um rund 6% auf 72,8 Mrd. Euro ab. Viele Menschen schienen gar nicht mehr daran geglaubt zu haben, dass die Kapitalmarktzinsen in absehbarer Zeit wieder steigen könnten. Im Gefolge von Corona und beschleunigt durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die Zinswende nun aber schneller gekommen, als dies auch von vielen Experten für möglich gehalten wurde.

„Die Ära extrem niedriger Bauzinsen ist damit vorbei“, sagt Christian König, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Privaten Bausparkassen. Das spürten immer mehr Eigentümer und solche, die es werden wollen. „Zinsabsicherung ist für sie das Gebot der Stunde“, so König. Gerne wird der Bausparvertrag in der Branche auch als „Zinsabsicherungsgeschäft des kleinen Mannes“ beschrieben, das eine weitgehende Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt bietet. Jedenfalls ist durch die Zinswende ein Grundprinzip des Bausparens wiederhergestellt worden. Denn sowohl in der Ansparphase als auch in der Darlehensphase liegen die Zinsen wieder unter dem Marktzins. „Das gehört zur Kernidee des Bausparens, die jetzt wieder verstärkt wahrgenommen wird“, sagt Mathematikerin Nagel von der LBS Südwest.

Als Kunde nimmt man dabei den geringeren Guthabenzins zugunsten eines niederverzinslichen Bauspardarlehens in der Zukunft in Kauf. So weist beispielsweise ein aktueller Tarif der LBS Südwest einen Guthabenzins von nahe null (0,01%) und je nach Tilgungshöhe einen Sollzins von 1,19% bis 1,49% auf. Effektiv ergibt sich hier eine Verzinsung von 1,54% und 1,75%. Bei Schwäbisch Hall bietet der aktuelle Tarif, der im Juli 2021 aufgelegt wurde, ebenfalls 0,01% Guthabenzins sowie einen Effektivzins von 1,44% für das Bauspardarlehen.

Inzwischen ist die Entwicklung der Marktzinsen so weit gediehen, dass selbst die Bauspardarlehenszinsen von 10 bis 15 Jahre alten Verträgen, die derzeit etwa bei der LBS Südwest zugeteilt werden, mit einem Sollzins in der Größenordnung von 2,95% unter den aktuellen Bauzinsen liegen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden ihre zugeteilten Bauspardarlehen auch abrufen. „Je höher der Marktzins über dem tariflichen Sollzins liegt, umso planmäßiger verhält sich der Kunde“, erläutert Nagel.

Und die Bausparkasse verdient ihre kalkulierte Zinsspanne. Aktuell ist es also eine gute Zeit für Neugeschäft. Denn um stets ausreichend Zuteilungsmasse zur Verfügung zu haben, bedarf es eines stetigen Stroms an Spargeldern. Der durchschnittliche Regelsparer braucht einen Zeitraum von zehn bis zwölf Jahren bis zur Zuteilung, manche Kunden haben auch noch 50 Jahre alte Tarife. Bedient wird das Bauspardarlehen aus der Zuteilungsmasse, welche die angesammelten Spar- und Tilgungsleistungen umfasst.

Gut gefüllte Polster

Je mehr die Zinsen steigen, desto eher können die Kassen zugleich Liquiditätsprobleme bekommen, wenn die Kunden ihre Bauspardarlehen verstärkt abrufen. Dies ist Stand heute jedoch nur ein theoretisches Problem, da besonders in den vergangenen Jahren ein dickes Liquiditätspolster gebildet und eher weniger abgerufen wurde. Bei sinkenden Zinsen können die Institute dagegen Gefahr laufen, Ertragsprobleme zu bekommen, wie es in der Niedrigzinsphase der Fall war.

Neben der Zinsentwicklung profitiert die Branche derzeit von zwei weiteren Trends. Zum einen schließen die Kunden immer höhervolumigere Bausparverträge ab, worin sich wohl die gestiegenen Immobilienpreise widerspiegeln. So lag die durchschnittliche Bausparsumme je abgeschlossenen Vertrag 2021 bei knapp 54000 Euro. Allein bei den privaten Bausparkassen stieg dieser Wert zum Halbjahr auf 70000 Euro. „Weil mangelndes Eigenkapital das Haupthemmnis beim Wohneigentumserwerb ist, ist das ein gutes Zeichen“, sagt Verbandsgeschäftsführer König.

Und zum anderen werden Bausparverträge immer mehr als Energiesparverträge genutzt. So sind die ersten Institute mit speziellen Klimaschutz-Tarifen auf dem Markt. Dazu gehören laut König Tarifvarianten für energetische Modernisierungen mit einem Zinsvorteil von beispielsweise 0,15% oder mit einem Klima-Bonus in Form der Rückerstattung der Abschlussgebühr von bis zu 300 Euro. Ohnehin rechnen sich durch die explodierenden Energiepreise energetische Sanierungen schneller. Das Baufinanzierungsgeschäft der Bausparkassen erhalte damit einen zusätzlichen Impuls, sagt König. Bausparkassen können heute Kredite bis zu 50000 Euro als Blankodarlehen ohne Kosten für Grundbucheintrag und Notar vergeben. Mit dieser Summe ist ein Großteil der hier typischen Investitionssummen abgedeckt. Bausparkassen verlangen auch nicht, wie bei Banken üblich, sogenannte Kleindarlehenszuschläge.

Nachdem die Kassen nun zehn Jahre lang ihre Konditionen für Bauspartarife nach unten gedrückt haben, ist es eine spannende Frage, wann denn der Kipppunkt kommt, an dem sie die Zinsen wieder nach oben anpassen werden. „Solange das Neugeschäft weiterhin brummt, besteht dazu keine Notwendigkeit“, sagt Nagel. Viel hängt für die weitere Entwicklung von dem Umstand ab, inwieweit sich die Erwartungen der Kunden an die Konditionen verändern. Allerdings sollte beim Vergleich zwischen Baukrediten und Bauspardarlehen immer mit ins Kalkül gezogen werden, dass es sich bei Baukrediten um Erstrangkonditionen handelt, während Bauspardarlehen im Grundbuch im zweiten Rang stehen.

Denkbar ist, dass die Rückkehr der Zinsen für Kundeneinlagen bei Banken dafür sorgt, dass von den Kunden eine höhere Verzinsung der Guthaben in der Ansparphase eines Bausparvertrags erwartet wird. Sobald die ersten Anbieter etwa aus dem Bankenbereich hier 20 bis 25 Basispunkte zahlen, dürfte am Finanzmarkt wieder ein Wettbewerb um die Spareinlagen beginnen. Aber natürlich beobachtet man sich innerhalb der Branche gegenseitig, wobei die Blicke stark auf Marktführer Schwäbisch Hall gerichtet sind, obwohl der Branchenprimus nicht zwingend als „First Mover“ agiert. So ist der Markt weitgehend von einer Bandbreite an Tarifvarianten mit unterschiedlichen Schwerpunkten geprägt.

Wie ein Tanker unterwegs

Ein deutliches Signal für neue Tarife wäre insbesondere ein Rückgang beim Neugeschäft. Ansonsten aber werfen kleinere Schwankungen am Zinsmarkt eine Bausparkasse nicht um, wie Nagel sagt. Dafür führen die Institute regelmäßig Kollektivsimulationen durch, um sicherzustellen, dass die Kunden nach durchschnittlich zehn bis zwölf Jahren Spardauer ihr Bauspardarlehen auch zugeteilt bekommen.

Ohnehin können neue Bauspar­tarife nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Schließlich bedarf es aufwendiger Simulationen und der Genehmigung durch die Finanzaufsicht BaFin, bis ein Tarif am Markt angeboten werden kann. Dies kann in Summe um die sechs bis neun Monate dauern, manchmal auch ein ganzes Jahr, weshalb eine rasche Reaktionszeit durch die vorgegebenen regulatorischen Rahmenbedingungen den Bausparkassen gar nicht möglich ist. Wie Adler klarmacht, gibt es in der Branche eben keine Möglichkeit, „Testballons“ starten zu lassen, die man im Bedarfsfall schnell anpassen kann. Bausparkassen ähneln hier eher Tankern, die eben eine Weile brauchen, bis sie die Kurve kriegen.

Von Thomas Spengler, Stuttgart

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