Europas Aktienanleger blenden Trump-Risiken aus
Europas Aktienanleger blenden Trump-Risiken aus
Dax klettert über 24.000 Punkte – Strategen sehen noch weiteres Potenzial
wrü/kjo Frankfurt
In einer erstaunlichen Rally ist der Dax am Dienstag erstmals über die Marke von 24.000 Punkten geklettert und hat ein Hoch bei 24.082 Zählern markiert. Ende 2024 hatte der deutsche Leitindex noch bei 19.909 Zählern gelegen. Damit hat der Dax im laufenden Jahr rund 21% zugelegt und die meisten großen Aktienindizes outperformt. Insbesondere hat der Dax damit deutlich besser abgeschnitten als die US-Aktienindizes. So kommt der S&P 500 nur auf ein mageres Plus von 1,4%.
„Der wichtigste Auslöser für die anhaltend positive Bewegung des Dax – von den kurzfristigen Post-Liberation Day-Sinkflügen mal abgesehen – ist eine strukturelle Diversifikation der Anleger. Die Anziehungskraft der USA nimmt ab und Anleger haben begonnen, regional stärker zu diversifizieren. In diesem Zuge nimmt der Fokus auf Europa zu und Deutschland ist hier einer der aussichtsreichsten Märkte für Anleger", sagt Christoph Berger, CIO Equity Europe bei Allianz Global Investors (AGI), dieser Zeitung. "Deutsche Aktien sind aus meiner Sicht aber nach wie vor attraktiver bewertet als ihre US-amerikanischen Pendants.“

Das Rating-Downgrade der USA sei dabei ein unterstützender Faktor, aber nicht ausschlaggebend. Das gelte auch für die neuerlichen Abkommen der EU mit Großbritannien, die sich sicherlich positiv ausgewirkt hätten, aber eben nicht ursächlich für die gute Dax-Performance seien. Die Gespräche zur Beilegung des Konfliktes in der Ukraine zwischen der US- und der russischen Regierung sollten indes nur eine sehr begrenzte Rolle spielen, schließlich ist hier noch nichts entschieden.
Aufwärtspotenzial durch neue Regierung
„Nach vorne blickend würde ich nicht von einer Dax-Euphorie sprechen wollen. Performance ist keine Einbahnstraße und Rücksetzer sind weiterhin möglich. Abzuwarten sind etwa die kommenden Quartalszahlen der Unternehmen, denn hier wird sich zeigen, ob und wie stark sich die Handelszölle wirklich im Geschäft der deutschen Unternehmen bemerkbar machen werden“, sagt Berger.

Negative Überraschungen seien hier immer wieder möglich – allerdings gebe es auch Aufwärtspotenzial, wenn der Blick der Anleger sich mehr auf das Jahr 2026 richte. Die fiskalpolitischen Maßnahmen der neuen Bundesregierung sowie viele andere Aspekte aus dem Koalitionsvertrag würden dann ihre Wirkung entfalten – mit entsprechend positiven Auswirklungen auf die Konjunktur und die Unternehmensgewinne.
Kein Ende der Fahnenstange
„Die vorübergehende De-Eskalation im Zollkonflikt zwischen den USA und China hatte in der vergangenen Woche den Markt insgesamt, vor allem aber zyklische Aktien unterstützt und damit den Dax auf einen neuen Rekord gehoben. Im Spannungsfeld zwischen der Sorge, dass eine aggressive Handelspolitik der USA die Weltwirtschaft belastet, und der Hoffnung, dass Trump mehr Vernunft walten lässt, hat aktuell zwar die Hoffnung die Oberhand", erklärt Steffen Weyl, Fondsmanager bei Union Investment, gegenüber dieser Zeitung. „Das kann sich allerdings schnell wieder ändern. Immerhin: In den kommenden Wochen scheint zunächst kein zusätzlicher negativer Impuls aus den Zollstreitigkeiten zu drohen. Zudem besteht weiteres Potenzial für die Märkte aus möglichen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Das bedeutet, dass das Dax-Hoch bei aller Vorsicht noch nicht das Ende der Fahnenstange sein muss. Wir halten weitere Umschichtungen von Kapital aus USA nach Europa mittel- bis langfristig für ziemlich wahrscheinlich.“
Das deutsche Investitionsprogramm sowie zu erwartende Reformen auf EU-Ebene (Stichwort Draghi-Plan) verbessern nach Ansicht von Union Investment die Wachstumsaussichten für Europa langfristig. „Kurzfristig sehen wir in Europa und insbesondere in Deutschland eine deutlich bessere Entwicklung, etwa im Bezug auf den fiskalischen Impuls und die Geldpolitik, als dies in den Vereinigten Staaten der Fall ist“, sagt Weyl. "Hinzu kommt die niedrigere Basis bei der Bewertung und Positionierung von europäischen und deutschen Unternehmen, sodass hier zusätzlicher Spielraum besteht. Weitere Unterstützung könnte aus Fortschritten bei den Verhandlungen im Krieg in der Ukraine und einem möglichen Stimulusprogramm in China resultieren, von dem deutsche Unternehmen weit stärker als ihre US-Pendants profitieren würden.“
Zuflüsse in europäische Aktien-ETFs
Nach Angaben von DWS Xtrackers verzeichnen bei ETFs US-Core Equities im bisherigen Jahresverlauf eine geringere Nachfrage als im Vorjahr. Dafür sind europäische Aktien stärker nachgefragt worden. Ihr Anteil an den Mittelzuflüssen kletterte von etwa 5% im Vorjahr auf aktuell 30%.
Nach Meinung des technischen Analysten Martin Utschneider bleibt die Markttechnik für den Dax freundlich. Der Trendfolgeindikator MACD zeige sich weiterhin trendbestätigend. Auch das obere Bollinger-Band bei 24.547 Punkten drehe weiter nach oben. Die Aufwärtsdynamik sei weiterhin intakt.
Nach dem Liberation Day Anfang April war der Dax zwischenzeitlich zwar unter 20.000 Punkte zurückgefallen. Doch nachdem US-Präsident Donald Trump seine Zollkeule sukzessive lockerte, drehten die Weltbörsen wieder nach oben Der Dax und auch andere europäische Aktienindizes profitieren vor allem auch davon, dass Investoren ihre Bestände an US-Aktien reduzieren und dafür europäische Aktien kaufen. Diese sind auch immer noch sehr viel niedriger bewertet als die großen US-Aktien. Darüber hinaus geben die Leitzinssenkungen der EZB der Aktienhausse hierzulande Auftrieb.
Top-Performer Rheinmetall
Die größten Kursgewinne im Dax in diesem Jahr erzielten Rheinmetall mit 185%, Commerzbank mit 63%, und Heidelberg Materials mit 58%. Siemens Energy legten bereits 56% und Deutsche Bank 52% zu.
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