Abschluss zur Serie Amerikas Leitzins-Lenker (8)Michelle Bowman

Trumps Notenbankerin verspricht pragmatischere Regulierung

Michelle Bowman soll zur führenden Kontrolleurin des amerikanischen Finanzsektors aufsteigen. Die Tochter eines Vietnamkriegsveteranen will das Regulierungsdickicht im Bankwesen niedermähen.

Trumps Notenbankerin verspricht pragmatischere Regulierung

Amerikas Leitzins-Lenker (Schluss): Michelle Bowman

Trumps Notenbankerin für pragmatische Regulierung

xaw New York
Von Alex Wehnert, New York

Michelle Bowman präsentiert sich in konfliktgeladenen Zeiten als Stimme der Vernunft. Die seit 2018 amtierende Gouverneurin der Federal Reserve soll nach Willen von US-Präsident Donald Trump zur Vize-Vorsitzenden der Notenbank für Aufsicht aufsteigen – und damit zur führenden Kontrolleurin des Finanzsektors in den Vereinigten Staaten. Bei Anhörungen im US-Kongress betonte die 53-Jährige zuletzt, in dieser Rolle Innovation fördern, vor allem aber für eine stromlinienförmigere Bankenregulierung sorgen zu wollen.

„Übermäßig komplizierte“ Regulierung

Das Rahmenwerk für den Sektor sei „ungebremst gewachsen und ist somit übermäßig kompliziert und redundant geworden“, sagte Bowman im April vor dem Banking-Ausschuss des Senats. Nun sei Pragmatismus gefragt, um das Geflecht aus „einander überschneidenden“ und „miteinander im Widerspruch stehenden“ Anforderungen aufzulösen, das zu „unnötigen und bedeutenden Mehrkosten für Banken und ihre Kunden“ geführt habe.

Der Ende Februar abgetretene Fed-Vize Michael Barr stand mit dem Bankensektor auf Kriegsfuß. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Brochstein.

Die Republikanerin, die an der University of Kansas in Lawrence Werbemarketing und Journalismus studierte sowie einen Doktortitel der Rechtswissenschaften der Washburn University School of Law in Topeka hält, inszeniert sich damit als klarer Gegenentwurf zu ihrem Vorgänger: Der Ende Februar abgetretene Demokrat Michael Barr war hingegen als „Erzfeind der Wall Street“ bekannt. Den Spitznamen erhielt er im Nachgang der Finanzkrise 2008, als er sich als einer der Mitverfasser des Dodd-Frank Act für eine Stärkung der Finanzstabilität sowie mehr Transparenz und Verantwortlichkeit im Bankensektor einsetzte.

Vorgänger an Basel-III-Plänen gescheitert

Im Zuge der durch den Kollaps der Silicon Valley Bank im Frühjahr 2023 losgetretenen Krise unter regionalen amerikanischen Geldhäusern setzte Barr sich für härtere Kapitalvorgaben ein. Durch die ursprünglich von ihm geplante Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III hätten die Mindestanforderungen für das harte Kernkapital (CET1) globaler, systemisch wichtiger US-Institute um 20% steigen sollen. Branchenvertreter warfen Barr vor, seine Initiative werde die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Banken schwächen. Der Notenbanker ruderte unter diesem Druck im September 2024 zurück: Es seien „umfangreiche und tiefgreifende Änderungen“ an den Entwürfen geboten.

Bowman will diese Angriffsfläche gar nicht erst bieten. Die in Hawaii geborene Tochter eines Vietnamkriegsveteranen, die aufgrund der Karriere ihres Vaters in der Air Force in ihrer Kindheit oft umziehen musste, kritisierte die Bemühungen von US-Regulatoren, striktere Regeln für den Bankensektor einzuführen, schon während der Regierungszeit von US-Präsident Joe Biden offen.

Demokraten machen Druck

Republikaner stellen sich nun hinter die Notenbankerin. Tim Scott, der dem Banking-Ausschuss im Senat vorsitzt, sagte im Rahmen der Anhörung, Bowman werde „Verantwortlichkeit und Transparenz“ zurück zur Fed bringen. Doch die demokratische Senatorin Elizabeth Warren (Massachusetts), die sich den Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben hat, üben erheblichen Druck auf die designierte Fed-Vize aus. Trump fache mit seinem „Missmanagement der nationalen Wirtschaft“ die „Flammen des Desasters“ an und Bowman gieße mit ihrer Deregulierungsrhetorik noch „Benzin“ ins Feuer.

Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren übt Kritik an Michelle Bowman. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mark Schiefelbein.

Warren und drei demokratische Kollegen aus dem Senat warfen der Notenbankerin in einem Brief zuletzt überdies vor, schon seit ihrem Aufstieg in den Fed-Gouverneursrat vor sieben Jahren strengere Regulierungen blockiert und Warnsignale verpasst zu haben. Sie habe die Wichtigkeit von Partnerschaften zwischen kleinen Banken und Fintechs hervorgehoben, bevor der Kollaps von Synapse Financial Technologies 2024 Schockwellen durch den Sektor jagte. Das Unternehmen, das sich als Banking-as-a-Service-Anbieter für andere Fintechs positionierte und deren Kundendepositen managte.

Fintech-Krise unter Bowmans Augen

Da es diese bei Mitgliedsbanken der Einlagensicherung FDIC einlegte, behauptete es, ähnliche Sicherheiten bieten zu können wie ein klassisches Geldhaus. Gegen eine Insolvenz von Synapse selbst, die im April vergangenen Jahres Realität wurde, waren die Einlagen aber nicht versichert. Kunden verloren darauf Zugang zu Depositen von 265 Mill. Dollar, viele von ihnen warten noch heute auf Rückzahlungen – angeblich wohl wegen mangelhafter Buchführung bei Synapse und Partnerbanken.

Die Affäre fällt klar in Bowmans Bereich, ist sie bei der Fed bisher doch für Konsumentenangelegenheiten und Lokalbanken zuständig – setzt also Verbraucherrecht gegenüber Instituten mit einer Bilanzsumme von weniger als 10 Mrd. Dollar durch, die nicht unter die Aufsicht des von der Trump-Administration entkernten Consumer Financial Protection Bureau fallen. In der neuen Rolle als Notenbankvize will sie eine stärker „zugeschnittene“ Regulierung für diese und regionale Geldhäuser verfolgen.

Gefahren für Finanzstabilität

Unterdessen sehen Analysten die Finanzstabilität so stark in Gefahr wie seit der Krise 2008 nicht. Denn die Vernetzungen zwischen dem klassischen Bankwesen und Intermediären ohne Einlagengeschäft haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Auch die führenden US-Geldhäuser drängen in Geschäftszweige wie Private Credit, um Zugang zu höheren Zinserträgen zu erhalten und ihre Margen zu stützen. Ihre Kreditvergabe an Private Funds, Hypothekendienstleister und andere Nichtbanken hat laut der Ratingagentur S&P Global 2024 erstmals ein Volumen von über 1 Bill. Dollar erreicht.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor steigenden Risiken durch diese Entwicklung. Zuletzt mussten Hedgefonds den umfangreichsten Margin Calls, also Nachschusspflichten auf Kredite, seit dem Corona-Crash nachkommen. Der IWF warnt vor einer „Deleveraging-Spirale“, in deren Zuge die Schieflage von Risiko-Vehikeln Banken unter Druck zu setzen, den Abverkauf an den Märkten zu beschleunigen und das Finanzsystem auf die Belastungsprobe zu stellen drohe.

Designierte Aufsichtschefin will Innovation fördern

Bowman will unterdessen „Innovation im Bankensystem fördern“ – also neue Technologien, Produkte und Dienstleistungen. Dies solle die Wettbewerbsfähigkeit des US-Finanzsektors stärken und Kosten senken. Unter ihrer Führung solle die Bankenregulierung und -Aufsicht „transparenter“ werden, Branchenvertreter und Verbraucher stärkere Mitspracherechte erhalten als bisher, wie sie vor dem Senat verspricht.

Die Rolle als Abweichlerin in den Reihen der Fed nimmt die ehemalige staatliche Bankkommissarin von Kansas indes nicht nur in regulatorischen, sondern auch in geldpolitischen Belangen ein. So stimmte sie gegen den großen Zinsschritt aus dem September, mit dem die Währungshüter ihren Leitsatz erstmals seit mehr als vier Jahren senkten. Ihr Votum bedeutete den ersten Dissens innerhalb des Offenmarktausschusses seit 2005. Die Kürzung um 50 Basispunkte könne „als verfrühte Siegeserklärung im Rahmen unseres Mandats zur Preisstabilität interpretiert werden“, betonte Bowman.

Geldpolitischer Kollisionskurs

Mit ihren Sorgen sollte Bowman recht behalten: Zwar senkten die Währungshüter im November und Dezember erneut die Zinsen, seither hat ihnen die hartnäckiger als erwartet ausgefallene Teuerung hinsichtlich weiterer geldpolitischer Lockerungen aber die Hände gebunden. Insbesondere die Furcht vor neuerlichen Inflationssprüngen infolge des von Trump losgetretenen Handelskriegs schränkt den Spielraum der Fed noch zusätzlich ein.

Donald Trump setzt Fed-Chef Jerome Powell unter Druck, die Zinsen zu senken. Foto: picture alliance/AP Photo | Susan Walsh.

Ihre Haltung droht Bowman allerdings auf Kollisionskurs mit ihrem Befürworter im Weißen Haus zu bringen. Denn Trump fordert wiederholt Zinssenkungen zur Stützung der Wirtschaft. Zuletzt übte er Druck auf den mit ihm verfeindeten Fed-Chef Jerome Powell aus, den der Präsident als „ausgemachten Verlierer“ bezeichnete. Doch während Trump bei angeblichen Plänen zur Entlassung des Fed-Chefs nach Gegenwind der Wall Street zurückruderte, steht die Unabhängigkeit der amerikanischen Geldpolitik laut Analysten doch stärker in Zweifel denn je.

Zuletzt erschienen: Ein Professor liebäugelt mit der Fed-Spitze, 23.4.2025 Senkrechtstarter als Kandidat für die Fed-Spitze, 15.4.2025


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Zuletzt erschienen
Ein Wirtschaftsprofessor liebäugelt mit der Fed-Spitze (23.04.2025)
Senkrechtstarter als Kandidat für
Fed-Spitze (15.4.2025)