Schuldenbremse

Stabilitätswächter warnen Wahlkämpfer vor Geschenken

Die Wirtschaft erholt sich nach der Corona-Pandemie. Die Lage der öffentlichen Haushalte entspannt sich. Die Wahlkämpfer setzen bei der Finanzierung weiter auf Pump. Nun kommen die Stabilitätswächter in die Quere.

Stabilitätswächter warnen Wahlkämpfer vor Geschenken

sp/wf

Berlin – Wenige Monate vor der Bundestagswahl dämpfen die Stabilitätswächter über die öffentlichen Finanzen die Spendierfreudigkeit der Wahlkämpfer für 2022. Der Unabhängige Beirat des Stabilitätsrates von Bund und Ländern rät davon ab, die Ausnahmen von der deutschen Schuldenbremse sowie die von der EU-Fiskalregel auf das Jahr 2022 auszudehnen. Die Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung seien veraltet, die Fiskalprojektion von Bund und Ländern berücksichtige zahlreiche aktuelle Informationen nicht, erklärte der Vorsitzende des Beirats, Thiess Büttner, Finanzwissenschaftler an der Universität Erlangen-Nürnberg. Das gesamtstaatliche Defizit werde sich bis 2025 vollständig zurückgebildet haben (siehe Grafik). Für 2022 sei keine außergewöhnliche Notsituation mehr angezeigt, stellt der Beirat in seiner Stellungnahme fest.

2020 und 2021 hatten die Parlamente von Bund und Ländern die Schuldenbremse wegen der Coronapandemie außer Kraft gesetzt. Hohe staatliche Ausgaben zur Stabilisierung der Konjunktur und massive Steuerausfälle waren zu verkraften.

Der Bund will die Schuldenbremse erst 2023 wieder einhalten. 2022 soll erneut ein Ausnahmejahr werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plant mit knapp 100 Mrd. Euro Nettokreditaufnahme sogar 18 Mrd. Euro mehr neue Schulden als vom Bundeskabinett in den Eckwerten vom März gebilligt. Damit wird die erlaubte Grenze der Schuldenbremse um 98,4 Mrd. Euro überschritten, wurde aus Regierungskreisen in Berlin bekannt. Diese Kredite müssen getilgt werden.

Die Rückkehr zum gesamtstaatlichen Defizit von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen nach der europäischen Fiskalregel erwartet der Stabilitätsrat 2024. Dies beschlossen die Finanzminister von Bund und Ländern. Das Limit liegt bei einem strukturellen Defizit von 0,5% des Bruttoinlandsprodukts, kann aber innerhalb der Regel mit einem schrittweisen Defizitabbau erreicht werden. Der Stabilitätsrat von Bund und Ländern wacht über die öffentlichen Finanzen. Ihm gehören die Finanzminister von Bund und Ländern an, die ihre eigene Haushaltspolitik kontrollieren müssen. Deshalb ist ihnen seit 2013 der Unabhängige Beirat aus Ökonomen zur Seite gestellt. Der Beirat übte erstmals so deutliche Kritik.

Die Wahlkämpfer geraten dadurch unter finanziellen Druck. Die Union kündigte am Montag in dem von den Parteigremien gebilligten Regierungsprogramm an, so schnell wie möglich zu einem Haushalt ohne neue Schulden zurückzukehren. Steuererhöhungen lehnen CDU und CSU strikt ab. Der Solidaritätszuschlag soll komplett abgeschafft und die Wirtschaft perspektivisch steuerlich entlastet werden. Kritik kam von der Opposition, die das Wahlprogramm für unsozial und nicht finanzierbar hält. Bezüglich der Finanzierung lässt die Union indessen vieles im Unklaren. Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) zufolge sollen konkrete Fragen erst nach der Wahl in den Koalitionsverhandlungen geklärt werden.

Berichte Seite 5

Leitartikel Seite 6

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.