Ukraine-Krieg

Abgekoppeltes Fondsgeschäft

Das Neugeschäft der Fondsgesellschaften ist aus mehreren Gründen weniger anfällig für Krisen als in der Vergangenheit. Der Krieg in der Ukraine bremst ihren Absatz bislang offenbar nicht aus.

Abgekoppeltes Fondsgeschäft

Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Abwärtsbewegung an den Aktienmärkten, die seit Jahresanfang eingesetzt hat, dramatisch beschleunigt, wovon sich die Börse bislang nur graduell erholt hat. In turbulenten Aktienzeiten musste sich die deutsche Fondsbranche in der Vergangenheit immer darauf einstellen, dass ihr Absatz nahezu parallel mit den Kursen nach unten rauschte. Doch die DekaBank, die als Einzige der großen Anbieter ihre Jahrespressekonferenz nach Kriegsbeginn in der vergangenen Woche abhielt, berichtete, dass ihr Neugeschäft deutlich besser als vor Jahresfrist läuft. Eine rühmliche Ausnahme oder ein Hinweis auf gewisse Abkopplungstendenzen vom unheilvollen Junktim der Fondsbranche zu den Aktienmärkten? Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass es den Gesellschaften durch eigene Bestrebungen wie durch glückliche äußere Umstände gelungen ist, ihr Geschäft krisenresistenter zu machen, wenn auch nicht völlig immun gegen kurzzeitige Rücksetzer.

Die hochgradige Abhängigkeit vom Aktienmarkt schlug bisher vor allem im Privatkundengeschäft zu: Dies zeigte sich insbesondere in den Krisenjahren 2008 und 2011, als die Anleger den Anbietern ihre Fondsanteile vor die Füße warfen und Milliarden aus Publikumsfonds abflossen. Die allseits beklagte fehlende Wertpapierkultur in Deutschland und vor allem die einseitige Sicht deutscher Sparer auf den kurzfristigen Kursverfall sorgten für eine Anlegerflucht. Der Wind hat sich gedreht: Nachdem es seit Jahren auf Bankguthaben keine Zinsen mehr gibt oder sogar Verwahrgebühren dafür berappt werden müssen sowie der Aufwärtswind bei den Aktien endlos schien, wagten immer mehr den Schritt in Wertpapiere und Fonds. Banken und Sparkassen berichten von einem Paradigmenwechsel im Sparverhalten, insbesondere bei Jüngeren. Die Privatanleger ändern zudem langsam ihre Sichtweise von Wertpapieren als langfristige Chance, was ihre Nervosität bei Aktienmarktschwankungen minimiert.

Neben Aktienboom und Negativzinsen haben aber auch Banken und Fondsanbieter selbst die Deutschen zum Umdenken gebracht, weil sie die Fondssparpläne wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt haben und diese massiv bewerben. Diese verringern die Investitionshemmschwelle gewaltig, weil es um überschaubare Beträge geht, die automatisch jeden Monat vom Konto abgebucht werden. Das ist leichter, als auf einen Schlag eine große Summe anzulegen, und es ist ein Weg auch für schmale Geldbeutel. Der Siegeszug der Fondssparpläne im Lager der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken ist beeindruckend: DekaBank und Union Investment berichten von exorbitanten Wachstumszahlen auf 7 respektive 6 Millionen Sparpläne in nur wenigen Jahren.

Dass im Privatkundengeschäft die Sparpläne ins Schaufenster gestellt werden, ist noch aus anderer Sicht ein kluger Schachzug. Ein Sparplan hält die Anleger gleich doppelt bei der Stange, auch wenn die Aktienkurse bröckeln. Zum einen sorgt dafür die Bequemlichkeit: Warum den Dauerauftrag im Börsenabschwung stoppen, wenn der Betrag monatlich verschmerzbar ist? Zum anderen versperrt ein Sparplan die klare Sicht auf mögliche Verluste der eigenen Fondsanteile. Da jeden Monat neue Anteile oder Bruchteile davon erworben werden zu immer wieder anderen Anteilswerten, ist der Erfolg oder Misserfolg einzelner Fondsanteile nicht so einfach zu erkennen.

Die Sparpläne verstetigen somit das margenträchtige Retailgeschäft. Da die hochgeschossene Inflation ein weiteres Verkaufsargument für Wertpapiere statt Bankguthaben liefert, blicken die Fondsgesellschaften mit Zuversicht in das dritte Krisenjahr seit Ausbruch von Corona. Denn auch das institutionelle Geschäft zeigt derzeit eine noch größere Konstanz als zuvor. Versicherer oder Altersvorsorgeanbieter sind gezwungen, ihre sprudelnden Beitragseinnahmen anzulegen – umso mehr in Fonds, seit die früher bevorzugten, als sicher geltenden Staatsanleihen nichts mehr abwerfen. Das hat das Volumen der Spezialfonds binnen eines Jahrzehnts von 800 Mrd. auf mehr als 2 Bill. Euro anschwellen lassen – auch wenn hier geringere Margen üblich sind.

Die Folgen des Ukraine-Kriegs wie höhere Energiepreise und Inflation sowie eine schwächere Konjunktur werden in den nächsten Monaten ganz sicher für weitere Rückschläge und hohe Volatilität an den Börsen sorgen. Doch die Fondsanbieter können den Turbulenzen mit mehr Gelassenheit als früher entgegenblicken. Ihr Geschäft wird zwar keinen Rekord wie 2021 erreichen, doch aktuell spricht vieles für ein stetiges und gutes Neugeschäft.

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