Sanktionen

Bis zur Enteignung können Jahre vergehen

Um Oligarchen-Villen oder -Jachten vollständig zu enteignen, ist es in Deutschland ein langer Weg. Jahre können ins Land gehen. Anders in Italien, das dahingehend über viel Erfahrung gegen die Mafia verfügt.

Bis zur Enteignung können Jahre vergehen

fir Frankfurt

Sanktionierung ist in Deutschland nicht gleichbedeutend mit sofortiger Einziehung von Vermögenswerten. Vielmehr ist es ein langer Weg dorthin – so es überhaupt so weit kommt. Um beispielsweise Zugriff auf eine Immobilie zu erhalten, die einem sanktionierten Oligarchen zuzuordnen ist, kommen Rechtsanwalt Ulrich Göres zufolge im deutschen Recht maßgeblich zwei Vorschriften infrage.

Zum einen Paragraf 76 a Absatz 4 des Strafgesetzbuches, das die Be­schlagnahme von illegal erworbenem Vermögen grundsätzlich er­laubt. Dies setze aber einiges voraus, insbesondere, dass zuvor ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Deshalb hat Göres zufolge die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt  nun gegen im Zuge des Ukraine-Krieges sanktionierte Oligarchen Strafverfahren wegen Geldwäsche auf den Weg gebracht, um diese Bedingung des Gesetzes zu erfüllen.

Zum anderen komme Paragraf 437 der Strafprozessordnung zum Tragen, der Richtern Hinweise gebe, um beurteilen zu können, ob das Geld aus illegalen Handlungen stammt oder nicht. Das könnte vor allem ein eklatantes Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Einkommen und dem Wert des jeweiligen Vermögens, etwa einer Villa, sein. In einem solchen Fall könnte diese formal zwar beschlagnahmt werden, doch dürfte die sanktionierte Person die Immobilie weiter nutzen – so lange, bis sie gegebenenfalls enteignet wird.

Gesetzeslage unausgereift

Eine Enteignung setze aber noch ein Gerichtsverfahren voraus, sagt Göres. Wie schwierig und langwierig das sein könne, zeige sich in Berlin, wo 77 Immobilien von Clanmitgliedern zwar beschlagnahmt worden, aber erst zwei davon ins Eigentum der Stadt übergegangen seien. „Beschlagnahmung heißt nicht, dass die sanktionierte Person nicht mehr darüber verfügen kann“, macht Göres deutlich. „Das zeigt sich beispielsweise auch an Jachten. Dort könnten mit Sanktionen belegte Personen im Extremfall weiter Partys feiern, solange sie deutsche Hoheitsgewässer nicht verlassen. Die Frage ist, was passiert, wenn so jemand mit seiner Jacht die Hoheitsgewässer der Bundesrepublik verlassen würde. Wer sollte ihn aufhalten? Das verdeutlicht, dass die Gesetzgebung alles andere als ausgereift ist.“

Anders in Italien: Kommt es dort zu einer Beschlagnahmung, verliert ihm zufolge der Betroffene auch den Zugriff darauf – er kann dann die Jacht, die Villa, das Flugzeug nicht mehr nutzen. Könne er nicht beweisen, dass es im Eigentum eines anderen steht, dann falle es an den italienischen Staat, der über die weitere Verwendung entscheide. Oftmals kämen die beschlagnahmten Vermögenswerte sozialen Projekte zugute.

Das Beispiel sollte Schule machen und am besten auf EU-Ebene umgesetzt werden, wünscht sich Göres. „Hier bedarf es einer Gesetzesergänzung, nicht nur, um Oligarchen, sondern auch um anderen Ausprägungen der organisierten Kriminalität wie beispielsweise der Clankriminalität Herr zu werden“, sagt er und fügt hinzu: „Wenn man es denn wollen würde.“ Bündele in Italien die Finanzpolizei Guardia di Finanza solche Verfahren und bringe sie vor Gericht, was das Verfahren beschleunige, so gehe hierzulande in vergleichbaren Fällen bislang viel zu viel Zeit ins Land, kritisiert Göres. „In Deutschland würde es von der Beschlagnahmung bis zur vollständigen Enteignung Jahre dauern.“