Natwest

Das hässliche Entlein von einst

Die ehemalige Royal Bank of Scotland hat sich in den vergangenen Jahren zur Dividendenmaschine entwickelt. Daran dürfte sich angesichts steigender Zinsen nichts ändern.

Das hässliche Entlein von einst

hip London

In der Finanzkrise ist dem britischen Steuerzahler keine andere Wahl gelassen worden, als die Royal Bank of Scotland mit 45 Mrd. Pfund über Wasser zu halten. Mittlerweile hat sie den Namen gewechselt und heißt Natwest. Wichtiger noch: Sie ist zu einer Dividendenmaschine mit ausgezeichneter Kapitalausstattung geworden. Davon profitiert auch die öffentliche Hand, die immer noch knapp die Hälfte der Aktien hält. Bei Veröffentlichung der Halbjahreszahlen überraschte das Institut mit einer üppigen Sonderdividende. Die steigenden Lebenshaltungskosten sorgen zwar dafür, dass mehr britische Haushalte in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Dabei handelt es sich aber meist um Haushalte, die ohnehin schon keinen Kredit mehr bekamen, nicht einmal eine Kreditkarte. Wie alle Banken war auch Natwest bei der Kreditvergabe extrem vorsichtig, insbesondere im Wohnimmobiliengeschäft. Hypotheken, für die man nur äußerst wenig oder gar kein Eigenkapital benötigt, spielen am Gesamtmarkt keine große Rolle. Der große Preisrutsch am Wohnimmobilienmarkt dürfte auch im Falle einer Rezession ausbleiben. Zu gering ist die Angebot, zu groß die Nachfrage.

In der aktuellen Situation stellt sich allerdings dennoch die Frage, ob nicht bald schon wieder Rückstellungen gebildet werden müssen. Anders als bei Barclays und Lloyds Banking Group hielt man bei Natwest allerdings trotz der sich bereits eintrübenden gesamtwirtschaftlichen Lage keine zusätzliche Risikovorsorge für nötig. Steigende Zinsen sorgten dafür, dass die Bank mit ihren Zahlen für das zweite Quartal die Markterwartungen weit übertraf. Nachdem Santander UK sich angeblich auf mehr Kreditausfälle einstellt, weil Kunden ihre Hypotheken und Kredite nicht rechtzeitig bedienen, kursieren am Kapitalmarkt aber Ängste, Rückstellungen für faule Kredite könnten die durch die steigende Nettozinsmarge möglichen Gewinne gleich wieder auffressen. Zudem wird immer noch befürchtet, das Schatzamt könnte eine Sondergewinnsteuer (Windfall Tax) auf die steigenden Zinsen der Einlagen der britischen Geschäftsbanken bei der Bank of England erheben. Sollten die Regulierer größere Kapitalpuffer verordnen, könnte sich das ebenfalls negativ auf die Geschäftszahlen auswirken. Allerdings stehen den möglichen Negativeffekten erhebliche operative Kostensenkungen durch die Digitalisierung des Geschäfts gegenüber. Der Verbraucherorganisation Which? zufolge wird Natwest, ausgehend vom Bestand des Jahres 2015, bis Ende des Jahres 1 110 Niederlassungen geschlossen haben. Kein Wunder also, dass ausgerechnet diejenigen, die der Rettung der Bank in der Finanzkrise skeptisch gegenüberstanden, heute darauf dringen, dass der Staat seine Beteiligung an dem hässlichen Entlein von einst noch möglichst lange hält.

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