Richard Burton und Christian Reusch

„Die Lage ist sehr heraus­fordernd“

Mit Hilfe einer neuen Organisationsstruktur will die Großbank Unicredit mit ihrer deutschen Tochter HVB die Verwerfungen an den Kapitalmärkten im Zuge der Zinswende meistern.

„Die Lage ist sehr heraus­fordernd“

Von Stefan Kroneck, München

Der Wettbewerb im Investment Banking hat sich intensiviert. Denn im Zuge einer sich abkühlenden Konjunktur aufgrund des Ukraine-Kriegs sowie Verwerfungen an den Kapitalmärkten infolge der Zinswende verschärft sich der Kampf um Kunden und Marktanteile in der Königsdisziplin der Großbanken. Ein Jahr nach einer hausinternen Umorganisation der Bereiche Firmenkunden und Investment Banking unter dem Konzern-CEO Andrea Orcel fühlen sich die italienische Geschäftsbank Unicredit und ihre deutsche Tochter HypoVereinsbank (HVB) gut positioniert, die schwierige externe Situation zu meistern.

„Die derzeitige Lage ist natürlich sehr herausfordernd, aber als Großbank haben wir eine Verantwortung für unsere Kunden, denen wir in einer wirtschaftlich angespannten Zeit helfen. Unicredit hat über eine Million Firmenkunden, von kleinen und mittelgroßen Firmen bis zu Großkonzernen“, sagt Richard Burton im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Im 15-köpfigen Executive Committee des Mailänder Geldhauses ist der Brite für den 2021 neu formierten Bereich Client Solutions zuständig.

„Die lange Zeit niedriger Zinsen an den Kapitalmärkten ist endgültig vorbei. Die Zinswende ist da. Das hat Auswirkungen auf unsere Geschäftskunden, denen wir dabei helfen, durch dieses wirtschaftlich schwierige Umfeld zu navigieren“, ergänzt der im HVB-Vorstand für Client Solutions verantwortliche Christian Reusch. Im achtköpfigen Vorstand rückte der Investmentbanker vor einem Jahr in den Vorstand auf, um diese Bereich zu übernehmen. Seinen Angaben zufolge betreut das in München ansässige Institut in seinem Verantwortungsbereich rund 170000 Firmenkunden – von kleinen Unternehmen über Mittelständler bis hin zu Großkonzernen.

In Bezug auf die Geschäftsrisiken beurteilen beide Top-Manager die Lage zwar nicht gänzlich entspannt, verweisen dabei auf die Stärken des eigenen Hauses. „Trotz der hohen Unsicherheit und Volatilität blicke ich zuversichtlich in die Zukunft“, sagt dazu Burton. „Denn auch 2023 werden wir aus einer Position der Stärke agieren. Für uns steht unsere hohe Beratungsqualität im Fokus, damit wir unsere Kunden in jeder Situation unterstützen können – auch wenn wir im kommenden Jahr voraussichtlich eine Rezession sehen werden.“

Inflationsschub „treibt um“

Reusch zufolge treibt die gestiegene Inflation die Wirtschaft um. „Mit unseren Kunden achten wir darauf, die negativen Folgen der hohen Teuerungsraten abzumildern. Unsere Kunden sind insgesamt relativ krisenfest. Ihre Widerstandskraft haben sie während des Corona-Schocks im Jahr 2020 bewiesen. Die meisten Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht.“

Ihre Einschätzung der Gesamtsituation basiert auch auf einer soliden Wettbewerbsposition beider Adressen. „Wir gehören zu den führenden Anbietern von Investment-Banking-Produkten in Europa, wobei unser Marktanteil je nach Marktsegment und Land schwankt. Die vor über einem Jahr erfolgte Neuaufstellung der Bereiche Client Solutions und Corporates, dem Firmenkundengeschäft, zahlt sich erkennbar aus. Beide Felder arbeiten in einer Matrix Hand in Hand zusammen – immer mit dem Kunden im Zentrum“, führt Burton aus.

Wenige Monate nach Orcels Amtsantritt, der zuvor bei UBS das Investment Banking geleitet hatte, strukturierte die Unicredit-Gruppe unter seiner Regie viele Geschäftsfelder um, mit dem Ziel, bei klareren Zuständigkeiten Entscheidungsprozesse effizienter zu gestalten (vgl. BZ vom 29.10.2021).

„In Deutschland ist die HVB marktführend in den Segmenten Syndizierte Kredite, Unternehmensanleihen, Grüne und ESG-bezogene syndizierte Darlehen sowie Nummer 2 bei Anleihen und Schuldscheindarlehen“, erklärt Reusch (vgl. Grafik). In Deutschland sei die HVB die aktivste Bank im Bereich Advisory & Capital Markets gemessen an der Transaktionszahl. „In diesem Jahr agierten wir als Global Coordinator bei den Kapitalerhöhungen von Tui und Nordex. Wir waren Joint Bookrunner beim IPO von Porsche. Das stellt unsere starke Stellung im Markt unter Beweis.“

Porsche-Börsengang hilft

Ende September hatte Volkswagen ihre Stuttgarter Sportwagen-Tochter an die Börse gebracht. Insgesamt 16 Banken begleiteten dieses Initial Public Offering (IPO). Die Porsche-Vorzugsaktie, die zu einem Ausgabepreis von 82,50 Euro ihr Börsen-Comeback absolvierte, notierte am Donnerstag zeitweise bei 105 Euro. Seit dem IPO gewann das Papier der Edelmarke über ein Viertel an Wert.

„Porsche war Ende September der größte Börsengang in Europa seit mehr als einem Jahrzehnt. Und dieser war rein privat, das heißt nicht von einem Unternehmen unter staatlichem Einfluss, wie es 1996 bei der Deutschen Telekom der Fall gewesen ist. Der Porsche-IPO war ein herausragendes Ereignis, bei dem wir sowohl unsere Vertriebskraft als auch unsere Nähe zu verschiedenen Arten von Anlegern in ganz Europa einbringen konnten. Die beträchtliche Nachfrage sowohl von Privatanlegern als auch vermögenden Wealth-Management- und Private-Banking-Kunden zeigt die Vorteile unseres Geschäftsmodells“, urteilt Reusch.

Im Rahmen seiner geplanten Steigerung der Profitabilität bekräftigte der Konzern-CEO die mittel- bis langfristigen Vorgaben zur Vorlage des Zwischenberichts per 30. September (vgl. BZ vom 26. Oktober). „Unser CEO Andrea Orcel hat kürzlich erneut die Finanzziele aus unserem Strategieplan bestätigt. Dazu trägt der Bereich Client Solutions entscheidend bei. In den ersten neun Monaten dieses Jahres konnten wir die Erträge um 4% auf nahezu 7 Mrd. Euro steigern“, so Burton. Die neue Organisationsstruktur im Investment Banking sorge dabei für „zusätzlichen Rückenwind“.

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