Kolumne

Ganz neue Töne aus dem Finanz­ministerium

Ein Rückblick ins Jahr 2019: Das BMF, das Bundesfinanzministerium, veröffentlicht seine erste nationale Risikoanalyse mit Blick auf Blockchain und Kryptowährungen. Darin finden sich unter anderem – völlig richtigerweise – folgende Sätze zur...

Ganz neue Töne aus dem Finanz­ministerium

Ein Rückblick ins Jahr 2019: Das BMF, das Bundesfinanzministerium, veröffentlicht seine erste nationale Risikoanalyse mit Blick auf Blockchain und Kryptowährungen. Darin finden sich unter anderem – völlig richtigerweise – folgende Sätze zur Ungeeignetheit von Kryptowerten für Geldwäschezwecke: „Zum einen sind Kryptowerte (in Gestalt von Kryptowährungen) mit großen Wertschwankungen verbunden, zum anderen ermöglichen einfachere anonyme Zahlungsmittel (etwa in erster Linie Bargeld) vielfach das Waschen von Geldern mit wesentlich geringerem Aufwand. Die Geldwäschebedrohung für Deutschland wird vor diesem Hintergrund aktuell mit mittel-niedrig bewertet.“ Ich muss zugeben, dass ich dem Ministerium eine Einschätzung, die so wenig politisch gefärbt war, ehrlicherweise gar nicht zugetraut hatte – und schämte mich sogleich für mein Vorurteil­.

Der positive Eindruck wurde durch die nachfolgenden Ausführungen sogar noch verstärkt: „Kryptowerte können in anonym und pseudonym unterschieden werden. Pseudonymität lässt die Analyse von Transaktionsmustern in öffentlichen Blockchains zu und erlaubt die Auswertung verdächtiger Bewegungen (beispielsweise Bitcoin, Ethereum). Nutzer agieren dabei unter dem Pseudonym des Public Key. Alle Transaktionen sind öffentlich einsehbar und können falls nötig in ihrer gesamten Historie nachverfolgt werden.“ Und ein letztes Zitat: „Die Verwendung von Bargeld hinterlässt im Gegensatz zur Nutzung von pseudonymen Kryptowerten keine verfolgbaren Spuren und ist leicht zu handhaben, sodass davon auszugehen ist, dass beispielsweise der Geldtransfer im Bereich der Terrorismusfinanzierung neben Hawala und Geldtransferdienstleistern derzeitig weiterhin hauptsächlich über Bargeldkuriere erfolgt.“

Fast forward in das Jahr 2021: Das Bundesministerium veröffentlicht den Entwurf der Kryptowerte-Transferverordnung. Und dieser Entwurf hat unter der Überschrift „Problem und Ziel“ plötzlich einen ganz anderen Zungenschlag als zuvor: „Die Anonymität ist eines der Hauptrisiken von Kryptowerten für den Missbrauch für kriminelle und terroristische Zwecke. Ein potenziell höheres Risiko der Geldwäsche und der Terrorismus­finanzierung besteht aufgrund der fehlenden Zuordnung von Kryptowerte-Transfers zu den transaktionsbeteiligten Inhabern, anders als dies bei Geldtransfers der Fall ist.“

Manches fällt unter den Tisch

Erst im weiteren Erläuterungstext finden sich dann die immer noch richtigen Hinweise darauf, dass es sowohl pseudonyme als auch anonyme Kryptowerte gibt. Dass sich Bargeld viel besser für Geldwäsche anbietet, fällt nunmehr aber geflissentlich unter den Tisch – auch auf einen Vergleich der Marktkapitalisierung/Transferanzahl von pseudonymen und anonymen Kryptowerten wird verzichtet.

Es ist nachvollziehbar, dass verschiedene Akteure gehörige Angst vor einem Szenario haben, in dem sich immer mehr Menschen für ein nicht politisch steuerbares Geldsystem entscheiden. Im Moment sind dies vor allem jüngere, überdurchschnittlich gebildete Männer – aber glücklicherweise wird auch das Feld von Kryptoinvestor:innen immer diverser. Insbesondere in einer Zeit der massiven Geldmengenausweitung überrascht es nicht, dass die Angst vor einem „Run“ auf Kryptowerte im Lichte galoppierender Inflation umgeht. Das allerdings rechtfertigt in meinen Augen nicht die Verbreitung von sehr einseitig gefärbten Verlautbarungen staatlicher Institutionen, um auf diesen Einschätzungen Gesetze aufzubauen.

Jetzt sollen Kryptowerte-Transfers also deutlich strikter reguliert werden. Das ist perfekt – ein nächster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings wäre es sinnvoll, die zumeist begrüßenswerten regulatorischen Schritte mit anderen Argumenten zu begründen und nicht immer wieder zu versuchen, Krypto in die Ecke „dubioser“ Geschäfte zu drücken. Mein Vorschlag für die neue Einleitung lautet: „Immer mehr Bürger­innen und Bürger suchen Alternativen, um ihr Vermögen vor Inflation zu schützen. Da sowohl Kryptowerte als auch mit ihnen interagierende Unternehmen genauso reguliert sind wie mit Geld umgehende Institutionen, ist es an der Zeit, Kryptowerte wie Bitcoin ebenso wie beispielsweise El Salvador als staatlich anerkannte Zahlungsmittel anzuerkennen. Aus diesem Grunde …“

Sven Hildebrandt ist CEO der Blockchain-Spezialberatung DLC Distributed Ledger Consulting. Seine DLT-Kolumne erscheint monatlich.