Ukraine-Krise

Hohe Hürden für Banken beim Russland-Ausstieg

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine stellen westliche Großbanken ihr Russland-Geschäft auf den Prüfstand. Doch während Industriekonzerne ihre Zelte rasch abbrechen können, ist das bei Banken komplexer.

Hohe Hürden für Banken beim Russland-Ausstieg

Reuters New York

Nach dem Schock über den Einmarsch Wladimir Putins in die Ukraine stellen westliche Großbanken ihr Russland-Geschäft auf den Prüfstand. Die internationalen Sanktionen werfen in den Chefetagen die Frage auf, ob die Institute in dem Land überhaupt aktiv bleiben können. Doch während Industriekonzerne ihre Zelte relativ rasch abbrechen können, ist ein solcher Schritt bei Banken ungleich komplexer. „Man kann sich nicht einfach einseitig von Kreditverpflichtungen und anderen Arten von finanziellen Forderungen lösen“, erklärt Dan Awrey, Professor an der Cornell Law School. „Es gibt jemanden auf der anderen Seite, und das macht die Sache viel komplizierter.“

Verpflichtungen bleiben

Bisher hat noch keine internationale Bank Russland Adieu gesagt. Doch vergangene Woche berichtete Reuters, dass die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) eine Abkehr vom russischen Markt erwägt. Mindestens ein anderes großes Geldhaus mit Niederlassungen in Russland stelle ein internes Team zusammen, um gemeinsam mit externen Anwälten und Beratern auszuloten, ob und wie die Bank aus dem Markt aussteigen könnte, heißt es. Einen Schritt weiter sind bereits die Energiekonzerne BP und Shell, die zum Rückzug geblasen haben. „Für ein Finanzdienstleistungsunternehmen ist ein einseitiger Rückzug nicht so einfach möglich“, sagt Awrey. Unter normalen Umständen könnten sich Banken nicht ohne die Zustimmung der Regulierungsbehörden und der Zentralbank aus einem Land zurückziehen. Außerdem bräuchten sie einen Käufer, der ihre Kredite und andere Verpflichtungen übernehme, so Experten.

Besorgniserregend ist einem Bankeninsider zufolge eine Anordnung des Kremls vom 1. März, die die Vergabe von Rubel-Krediten an Ausländer untersagt. Die Banken müssten nun eruieren, wie sich dies auf ihr Geschäft auswirke. So stelle sich die Frage, ob Unternehmen aus Ländern, die Moskau sanktioniert haben, da­mit den Zugang zu Rubel-Krediten verlören. Der Bankeninsider bezweifelte, dass ausländische Häuser unter diesen Umständen weiterhin in Russland tätig sein könnten. Unklar ist auch, wie sich die US-Sanktionen gegen die russische Zentralbank auf die Marktinfrastruktur auswirkt.

Die Schweizer Großbank UBS überprüft derzeit das Abwicklungsrisiko bei einigen offenen Transaktionen mit russischen Banken und Nicht-Bank-Gegenparteien. Mögliche Marktschließungen, Devisenkontrollen oder Sanktionen könnten die Fähigkeit des Instituts einschränken, bestehende Transaktionen ab­zuwickeln oder Sicherheiten zu verwerten, hieß es. Das Engagement der UBS in Russland ist im Vergleich zu anderen europäischen Banken aber überschaubar. Neben der österreichischen RBI haben etwa Société Générale aus Frankreich und die italienische Unicredit viel bedeutendere Russland-Aktivitäten.

Die russischen Aktivitäten zu verkaufen, diese Option sei angesichts der Sanktionen vom Tisch, erklärt ein hochrangiger Insider. Die verbleibenden realistischen Alternativen seien damit eine Abwicklung oder eine Abschreibung des Geschäfts. Das würde allerdings hohe Kosten nach sich ziehen. Falls die Banken ihren Verpflichtungen nicht nachkämen, drohten zudem Klagen von Kunden in Russland.

Einige Banken dürften deshalb ins Auge fassen, statt einer vollständigen Einstellung des Geschäfts einen Rumpfbetrieb aufrechtzuerhalten. Damit könnten sie vermeiden, sich erneut um eine Banklizenz bewerben und das Geschäft in Zukunft von Grund auf neu aufbauen zu müssen, wenn sich das politische Umfeld aufgehellt habe, sagte die Person weiter. US-Banken wie J.P. Morgan und Morgan Stanley hatten ihre Engagements in Russland bereits zurückgefahren, nachdem die Annexion der Krim im Jahr 2014 Sanktionen nach sich gezogen hatte.

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