Marktstimmung

Investoren gehen auf Distanz zum Immobilien­markt

In der Immobilienbranche macht sich Pessimismus breit: Einen Abschwung und eine Zurückhaltung von Investoren erwarten dabei bereits viele Fachleute, wie Studien des Berufsverbands Rics und der Fondsgesellschaft Union Investment unabhängig voneinander zeigen.

Investoren gehen auf Distanz zum Immobilien­markt

wbr/jsc Frankfurt

Der Immobilienmarkt steht sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen Ländern nach Auffassung von Investoren und Branchenfachleuten vor unruhigen Zeiten: Während Immobilienprofis weltweit laut einer Umfrage des Berufsverbands Rics den Markt am Wendepunkt sehen und gerade Immobilien in Deutschland als teuer einstufen, werden viele Investoren und Firmen nach einer Studie der Fondsgesellschaft Union Investment ihre Kapitalanlage in Immobilien in Deutschland, Frankreich und Großbritannien in den kommenden zwölf Monaten zurückschrauben, wie die am Donnerstag veröffentlichten Umfrageergebnisse zeigen. Beide Gesellschaften verweisen auf die steigenden Zinsen, die sich auf Bewertung und Finanzierung von Immobilien niederschlagen. „Die makroökonomischen Rahmenbedingungen bringen die Dynamik im Immobilienmarkt praktisch zum Stillstand“, sagt Rics-Deutschlandchefin Susanne Eickermann-Riepe.

Die Stimmung am Markt trübt sich laut beiden Umfragen deutlich ein. 30% der rund 1700 Befragten vertreten in der Rics-Umfrage die Ansicht, dass sich ihr Immobilienmarkt in der Anfangsphase eines Abschwungs befindet, nachdem im ersten Quartal lediglich 11% derart pessimistisch waren. Ein Investitionsklima-Index von Union Investment, der Angaben zu Standort, Marktstruktur, Rahmenbedingungen und Erwartungen erfasst, sinkt in Deutschland auf den niedrigsten Wert seit 2015, und in Frankreich und Großbritannien gibt der Index ebenfalls nach. Union Investment befragte im Juni und Juli 150 Personen von Investoren und Immobilienfirmen. Rics lässt die Einschätzung einer breiten Schar an Immobilienfachleuten einfließen, etwa von Maklern­, Investoren und Projektentwicklern.

In Deutschland ist es aus Sicht von Rics ungewöhnlich, dass die Investorenstimmung erstmals seit Mitte 2014 negativer ausfällt als die Mieterstimmung. Üblicherweise sei das Verhältnis andersherum. „Das ist ein deutliches Zeichen, dass wir klare Bremsspuren haben“, sagt Rics-Vertreterin Eickermann-Riepe weiter. Laut Union Investment wiederum wollen mehr als die Hälfte der Befragten hierzulande zwar die Investmentstrategie in den kommenden zwölf Monaten nicht anrühren, aber 39% sprechen sich für eine Reduzierung aus und damit ähnlich viele wie jeweils in Großbritannien und Frankreich.

Wohnhäuser noch gefragt

Die Erwartungen an die Kapitalwerte von Immobilien rutschen laut Rics-Erhebung ab. Industrieimmobilien schneiden dabei noch am besten ab, verzeichnen aber gleichwohl einen kräftigen Rückgang in dem ausgewiesenen Barometer. Büro­objekte fallen in der Gunst besonders stark, Einzelhandelsimmobilien sind weit abgeschlagen. In der Umfrage von Union Investment zeigt sich derweil speziell in Deutschland ein hohes Interesse an Wohnimmobilien: Rund ein Drittel der Befragten will den Investitionsschwerpunkt in den kommenden zwölf Monaten auf Wohnobjekte legen, während in Großbritannien und Frankreich die Zustimmung viel geringer ist. Weniger als ein Viertel legt hierzulande hingegen den Schwerpunkt auf Büros, was im Vergleich zum Ausland wiederum wenig ist.

Neben steigenden Zinsen ist die Inflation ein Problem: Steigende Materialkosten werden in der Rics-Umfrage von 88% der Teilnehmer als ein großes Hindernis für die Bautätigkeit bezeichnet. Aufgrund des Kostenanstiegs verringerten sich die Gewinnmargen im zweiten Quartal. Das zeige sich mittlerweile auch im Wohnungsbau. Der Gewerbesektor sei in Europa schon zuvor schwach, verliere aber weiter an Boden. „Ein schlechtes Zeichen im Kontext der Renovierungsziele bei der Dekarbonisierung“, so Eickermann-Riepe. Auch ein zusätzlich erhobener Bautätigkeitsindex des Verbands zeigt, dass die Dynamik weltweit nachlässt. Im zweiten Quartal sank der Gesamtindex auf den schwächsten Wert seit Ende 2020. Vor allem Europa fällt mit negativen Einschätzungen der Teilnehmer auf, während in den USA die Stimmung wesentlich besser ist.

Investoren dürften in diesem Umfeld Schwierigkeiten haben, eine angemessene Relation zwischen Kosten und Erträgen zu erzielen, wie Rics vermutet. Der Ansatz von längeren Investitionszeiten bei niedrigeren Erträgen dürfte kaum zu allen Anlagezielen passen. Ähnlich äußert sich Union Investment: Fremdkapitalgeber müssen demnach ihre Kalkül zur Wirtschaftlichkeit revidieren, wenn die Zinsen steigen.

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