Immobilien

JLL erwartet fallende Preise, aber steigende Mieten

Die gewerblichen Immobilienmärkte werden sich 2022 und 2023 beim Transaktionsvolumen schwächer entwickeln als 2021. Die Preise könnten zwar deutlich zurückgehen, werden aber durch steigende Mieten aufgefangen.

JLL erwartet fallende Preise, aber steigende Mieten

Von Thomas List, Frankfurt

Die zuletzt vom Pfandbriefbankenverband VDP prognostizierten Preisrückgänge von 15 bis 25% bezieht Konstantin Kortmann, seit Mai 2022 Country Leader Germany des Immobiliendienstleisters JLL (Jones Lang LaSalle), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung auf die Wertänderungsrenditen. „Ein Minus von 15 bis 25% sehen wir dort auch. Aber das wird eben bei vielen Gebäuden aufgefangen durch steigende Mieten.“ Gleichzeitig nehme aber der Leerstand in den Kernmärkten zu. Durch attraktive Büroflächen versuchten die Unternehmen, ihre Mitarbeiter zur Rückkehr ins Büro zu bewegen. „Dafür sind die Unternehmen auch bereit, höhere Quadratmeterpreise zu akzeptieren.“

Flächenbedarf nimmt ab

Der Büroflächenbedarf je Arbeitnehmer könne zwar sinken, aber durch zusätzliche Sozialflächen nehme der Gesamtflächenbedarf weniger stark ab. „Oft geben die Unternehmen absolut dann mehr für Mieten aus, obwohl häufig davon ausgegangen wird, dass 30 bis 40 % der Mitarbeiter nicht in den Büros arbeiten.“ Bei hochqualitativen Flächen in guten Lagen rechne er nicht mit einem Einbruch, betonte Kortmann.

In Frankfurt gibt es vereinzelt Büro-Mietverträge mit über 50 Euro pro Quadratmeter. Die Bürospitzenmiete liegt statistisch um die Spitzen bereinigt bei 44,50 Euro. Gleichzeitig nimmt der Leerstand zu und liegt aktuell bei 8,7 %. „Das ist ein Trendbruch. Denn klassisch nimmt bei sinkenden Mietpreisen der Leerstand zu. Dieser Verlauf lässt sich in den vergangenen Jahren gut beobachten – zuletzt mit steigenden Mieten und sinkendem Leerstand. Jetzt sehen wir aber zum ersten Mal seit 2001, dass Leerstand und Quadratmetermiete gleichzeitig steigen. Das liegt eben an der steigenden Nachfrage nach hochqualitativen Flächen. Dagegen finden die schlechteren Flächen nur sehr schwer Abnehmer und treiben damit den Leerstand nach oben.“

Für den deutschen Transaktionsmarkt über alle Nutzungsarten sieht Kortmann die Lage dunkelgrau. „Wir erwarten keine Jahresendrally. Das Transaktionsvolumen des Gesamtjahres 2022 ist getrieben durch ein starkes erstes Halbjahr.“ Bei Wohnen war die Lage besonders schwierig bei Forward-Deals für teure, hochqualitative Bauten, während es beim geförderten Wohnbau unverändert gut läuft. Fertiggestellte, frisch vermietete Wohnbauten liefen sehr gut, weil die Mieten steigen – mehr als in den vergangenen zehn Jahren, so Kortmann. „Denn die Eigentumsbildung wird durch die steigenden Zinsen massiv erschwert.“

Drei Käufergruppen

Als Käufer aktiv sind im Bürobereich Family Offices, Private Equity, Investoren mit Redevelopment-Plänen. „Schwer tun sich im Moment Investoren, die mit den Immobilien nicht so intensiv arbeiten können oder wollen und die stärker prozyklisch agieren.“ Im Einzelhandel ist der Einfluss des Zinses aufgrund der deutlich höheren Spitzenrenditen deutlich geringer.

Zur weiteren Entwicklung an den Immobilienmärkten sagte Kortmann: „Die ersten beiden Quartale 2023 werden beim Transaktionsvolumen so weitergehen wie die beiden letzten Quartale 2022 – also eher niedrig.“ Im März 2023 werde erkennbar, ob sich im Jahresvergleich schon wieder deflatorische Tendenzen zeigen. Das könnte die Zentralbanken zu Reaktionen veranlassen. „Die Märkte brauchen die Sicherheit, dass bei den Zinsen ein gewisses Plateau erreicht ist, und für die Transaktionsmärkte idealerweise die Aussicht, dass die Zinsen zumindest mittelfristig wieder fallen.“

Das könnte den Bid-Ask-Spread verringern. Im Moment ist er aber häufig am Markt anzutreffen, sprich der Verkäufer will noch den alten Preis oder akzeptiert einen zehnprozentigen Abschlag. Dagegen will der potenzielle Käufer z. B. 30 % Ab­schlag. „Auf einen Kompromiss können sie sich häufig nicht einigen.“ Verschärft wird die Lage durch die Unsicherheiten bei der Finanzierung. Beim Eigenkapital gibt es zwar be­stehende Commitments, aber wenig Neuzusagen. Gleichzeitig er­höht sich aufgrund steigender Zinsen auf risikoarme Anlagen wie Bundesanlagen die Zinserwartung der Eigenkapitalgeber. „Bei den Fonds steigen die Zinserwartungen von Anlagesitzung zu Anlagesitzung, während sie sich bei den Banken fast täglich ändern. Das führt dazu, dass die verbindlichen Zusagen für einen Kauf nur noch 48 oder 72 Stunden gültig sind. Früher waren das zwei oder drei Wochen. Deshalb scheitern Deals häufig.“

Verhandlungen scheitern

Klassisch dauert ein größerer Deal bei JLL vom Pitch bis zum Signing etwa neun Monate. Aktuell sind es eher zwölf Monate. Aber manchmal geht es auch viel schneller, weil an­stelle eines strukturierten Bieterverfahrens der Off-Market-Deal gewählt wird. Heute scheitern Verhandlungen aber auch sehr viel häufiger als vor einem Jahr. Das kann bei Fonds an einer zu hohen Immobilienquote liegen (die bei fallenden Aktien- und Anleihemärkten automatisch steigt, während Immobilien zumindest noch nicht abgewertet wurden). Das kann aber auch an höheren Anforderungen des Käufers an die Eigenkapitalrendite liegen. Kortmann berichtet von Verkäufern, die bei fast jedem Deal am Vorabend des Notartermins einen Anruf des Käufers erhalten mit der Message, er könne den Preis nicht halten. „Meistens hat der Verkäufer noch etwas Luft, so dass sich beide Parteien oft dann doch noch einigen – aber in vielleicht einem Drittel der Fälle eben auch nicht.“ Generell gelte bei Verhandlungen, die JLL seit dem Sommer begleitet hat: „Die Hälfte wird gestoppt mit ungewissem Ausgang, ein Viertel läuft durch und ein Viertel wird abgebrochen.“