Wohnimmobilien

Kapitalpuffer für Baudarlehen scharfgestellt

Rund ein Jahr nach Ankündigung greift der sogenannte sektorale Systemrisikopuffer für Wohnimmobilien in Deutschland. Damit steigen die Eigenkapitalvorgaben für Banken. Die meisten Gewerbe­immobilien fallen allerdings nicht unter die Vorgaben.

Kapitalpuffer für Baudarlehen scharfgestellt

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Seit Anfang Februar greift der sektorale Systemrisikopuffer in Höhe von zusätzlich 2% der risikogewichteten Aktiva (RWA) für den Wohnimmobiliensektor. Ziel des Extra-Puffer ist es, Eigenkapital für schlechte Zeiten anzusammeln, wie die BaFin hervorhebt. Auch aus Sicht der Bundesbank ist der Einsatz des Puffers gerechtfertigt, da das Preisniveau bei Immobilien nach wie vor sehr hoch sei, auch wenn sich der Anstieg abgeflacht habe. Zur Begründung für die Zusatzpuffer heißt es bei der BaFin: Nach Modellberechnungen der Bundesbank bestehen inzwischen landesweit erhebliche Überbewertungen. Der Risikopuffer gilt allerdings nur für Wohnimmobilien.

Wirkung des Puffers unklar

Die Maßnahme der BaFin für den Wohnimmobiliensektor ist weiterhin umstritten. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) hält die Höhe und den Aktivierungszeitpunkt für nicht sachgerecht, betont Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Gerade angesichts der jüngsten Monate – der Puffer war schon Anfang 2022 beschlossen worden – seien verbliebene Rechtfertigungsgründe weggefallen. So reichten Banken angesichts von Zinswende, Marktumfeld und Kreditanforderungen weniger Darlehen aus. „Inwieweit die makroprudenziellen Puffer hier auch eine Rolle spielen, ist schwer zu sagen. Fakt ist aber: Es braucht sie nicht, der Marktmechanismus wirkt“, erklärt Tolckmitt. Der Markt habe damit vorweggenommen, was die BaFin nun einzudämmen versuche.

Eine Überbewertung bei Wohnimmobilien kann der Verband nicht feststellen. „Die aktuellen Preise bei Wohnimmobilien sind weiterhin fundamental gerechtfertigt, weil es einen Nachfrageüberhang gibt, vornehmlich in den Ballungsgebieten. Das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage dürfte angesichts der zurückgehenden Bautätigkeit größer werden.“

Kein Puffer für Bürohäuser

In Deutschland steht der Markt für Gewerbeimmobilien tatsächlich stärker unter Druck als für Wohnhäuser: Im zweiten Halbjahr 2022 verbilligten sich Büros um 3,9 % und Einzelhandelsobjekte um 7,9 %, während die Preise für Wohnhäuser um lediglich 2,5 % nachgaben, wie aus dem Immobilienpreisindex des VDP hervorgeht. Trotzdem gibt es bisher keinen Puffer für typische Gewerbeimmobilien. Lediglich vermietete Wohnhäuser, die aus Sicht der Finanzstabilität zu Gewerbeimmobilien zählen, sind durch die Vorgaben erfasst. Rund ein Sechstel der Gewerbeobjekte fallen nach dieser Definition darunter. Objekte wie Büros, Einkaufszentren oder Logistikhallen sind nicht erfasst.

Die Aufsicht ist sich diesem Zwiespalt offenbar bewusst: Im Ende 2022 vorgelegten Finanzstabilitätsbericht diskutiert die Bundesbank sogenannte makroprudenzielle Instrumente zur Begrenzung von Risiken am Gewerbeimmobilienmarkt. „Bisher gibt es keine Hinweise, dass das Maßnahmenpaket einen übermäßigen Rückgang der Neukreditvergabe für gewerbliche Wohnimmobilien im Vergleich zur sonstigen Gewerbeimmobilienkreditvergabe bewirkte“, heißt es im Bericht. Mit dem Einsatz der Kapitalpuffer bei weiteren Gewerbeimmobilien besteht international allerdings wenig Erfahrung. Einen direkten Beitrag zur Risikominderung im Gewerbeimmobilien-Kreditbestand würden diese Instrumente nicht leisten, wie die Bundesbank festhält. Allerdings können kredit­nehmerbasierte Instrumente wie Mindestvorgaben für Kreditvergabestandards wie Loan-to-Value (LTV), Schuldendienstdeckungsgrad (Debt Service Coverage Ratio, DSCR) oder Zinsdeckungsgrad (Interest Coverage Ratio, ICR) zum Einsatz kommen­.

Seit dem Jahr 2017 ist die BaFin gesetzlich zur Anordnung von LTV-Obergrenzen und Amortisationsanforderungen im Bereich der Wohnimmobilienfinanzierungen ermächtigt. „Für andere Segmente des Gewerbeimmobilienmarktes wie Büro, Einzelhandel und Logistik stehen kreditnehmerbezogene Instrumente in Deutschland bisher nicht zur Verfügung“, so die Bundesbank. Für den Gewerbeimmobilienmarkt gelte, dass Heterogenität, internationale Vernetzung und Komplexität des Marktes besondere Herausforderungen in der Diskussion über mögliche kreditnehmerbezogene Instrumente darstellen würden.

Europas Aufseher warnen

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) veröffentlichte Ende Januar 2023 eine Empfehlung zu Schwachstellen im gewerblichen Immobiliensektor im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Das Gremium empfiehlt den Behörden, die Überwachung der systemischen Risiken im gewerblichen Immobiliensektor zu verbessern. Die Art der Schwachstellen seien in den Ländern unterschiedlich. Ausgehend von den Ergebnissen sollten die Behörden sicherstellen, dass die Finanzierungspraktiken in diesem Sektor solide und die Finanzinstitute widerstandsfähig sind.

Die Empfehlung stützt sich auf die im gewerblichen Immobiliensektor festgestellten Schwachstellen. Die Ergebnisse zeigten, dass der Sektor derzeit anfällig ist für konjunkturelle Risiken im Zusammenhang mit einer erhöhten Inflation, einer Verschärfung der Kreditbedingungen und der deutlichen Verschlechterung der Wachstumsaussichten nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine. Zu den Schwachstellen gehören auch Auswirkungen klimabezogener wirtschaftspolitischer Maßnahmen, wie etwa strengere Baunormen.

Darüber hinaus zeigt die Analyse des ESRB, dass ungünstige Entwicklungen im gewerblichen Immobiliensektor systemische Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Realwirtschaft haben können. Die Daten deuteten darauf hin, dass die Kreditvergabe in mehreren Ländern mit hohen Beleihungsquoten erfolgt. Eine Schwachstelle für den Nicht-Bankensektor seien Liquiditätsinkongruenzen offener Immobilienfonds. Die Risiken im Zusammenhang mit Pensionsfonds und Versicherern auf den gewerblichen Immobilienmärkten seien von Land zu Land unterschiedlich.