Bankenverband

„Letzte Warnung“ an Unternehmen

Bankenpräsident Christian Sewing appelliert angesichts des Ukraine-Krieges an Unternehmen, ihre Lieferketten zu überprüfen, und bescheinigt der Bundesregierung gute Arbeit, was Überlegungen zu Branchenhilfen angeht.

„Letzte Warnung“ an Unternehmen

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Großes Lob für die Berliner und für die europäische Politik, Zurückhaltung gegenüber der Notenbank und Distanz zu Aufsicht und Regulierung: diesen Kurs hat Bankenpräsident und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing am Montag in einem Pressegespräch des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) verfolgt. „Das ist eine gute Arbeit, wo zugehört wird“, bescheinigte er der Bundesregierung im Zuge von Überlegungen in Berlin, von den Folgen des Kriegs gebeutelten Branchen mit wirtschaftlichen Hilfen unter die Arme zu greifen. Die Bundesregierung führe dabei Gespräche über alle Branchen hinweg, und er sei optimistisch, dass sie die richtigen Schlüsse ziehen werde, falls für einzelne Branchen Überbrückungshilfen nötig würden, sagte Sewing. Dem Vernehmen nach werden in Berlin seit Wochen Überlegungen angestellt, wie allzu einschneidende Auswirkungen des Krieges abgemildert werden könnten.

Auf Tuchfühlung

Der BdB bemüht sich seit dem Regierungswechsel um ein enges Verhältnis zur Ampel-Koalition. Nachdem die Organisation ihre Struktur im Licht des Wahlergebnisses überprüft hatte, nahm Ende Januar Co-Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid, früher Bundestagsabgeordneter der CDU, den Hut. Klar sei schon jetzt, dass die Konjunktur unter dem Krieg leiden werde, stellt Sewing fest. Die Energiepreise seien eine Bürde für viele Unternehmen, und auch, wenn die Bundesregierung bereits Entlastungen auf den Weg gebracht habe, könnten steigende Preise erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen. Zudem sei die ­Pandemie noch nicht ausgestanden, die Lieferketten einer Zerreißprobe ausgesetzt. Kämen nun ein Lieferstopp für russisches Öl und Gas hinzu, wäre eine deutliche Rezession in Deutschland kaum zu vermeiden und Fragen nach Hilfen würden noch dringender.

Den Krieg bezeichnete der Bankenpräsident als „letzte Warnung an Unternehmen“, durch ihre Lieferketten entstandene Abhängigkeiten zu überprüfen. Die exportlastige Struktur der deutschen Wirtschaft könne man nicht ändern. Notwendig sei aber ein EU-Binnenmarkt für alle Dienstleistungen; vor diesem Hintergrund müsse auch über das Kartell- und Wettbewerbsrecht nachgedacht werden. Auf Nachfrage räumte Sewing ein, dass Sanktionen gegen China noch deutlich größere Auswirkungen nach sich ziehen würden. Aus dem Prinzip des „Just-in-Time-Supply“ werde nun großteils „Just-in-Case-Supply“, was enorme Kosten für die Unternehmen bedeute.

Für die EU sei der Ukraine-Krieg wirtschaftlich und politisch eine Bewährungsprobe, welche diese bisher bestanden habe. Abermals machte sich der Chef der Deutschen Bank für eine Kapitalmarktunion stark. In diesem Zusammenhang verwies er auf einen europaweit enormen Bedarf an Finanzierungen für Klimaschutz, Infrastruktur, Digitalisierung sowie Bündnis- und Landesverteidigung, zumal in Zeiten bereits belasteter öffentlicher Haushalte: „Es gibt kein kostengünstigeres Konjunkturportal als die Kapitalmarktunion.“ So wollten Investoren außerhalb der EU gerne in den Klimaschutz in Europa, das dafür über die beste Technologie verfüge, investieren, allerdings nicht in 27 unterschiedliche Rechtseinheiten. Die momentane Blockade durch fragmentierte Märkte ließe sich rasch lösen, seiner Beobachtung nach werde in der Bundesregierung offen über eine Kapitalmarktunion gesprochen.

„Die falsche Entscheidung“

Die Russland-Engagements der deutschen Banken bezifferte Christian Ossig, seit Februar alleiniger BdB-Hauptgeschäftsführer, per Ende November auf 7,5 Mrd. Euro oder 0,4% der gesamten Auslandsforderungen. Die Reduktion der Engagements nach Annexion der Krim 2014 habe sich als richtig erwiesen, sagte Sewing. Er gehe davon aus, dass die Europäische Zentralbank angesichts der momentanen Teuerungsrate ihre Anleihekäufe kurzfristig beenden und den Leitzins im laufenden Jahr in ein bis zwei Schritten leicht anheben wird. Seiner Meinung nach hätte die EZB deutlich früher agieren müssen. Die Banken hält er für die Zinswende gewappnet. Ihr Risikomanagement habe die Folgen steigender Zinsen auf die Portfolien immer wieder durchgespielt. Die sich in den USA abzeichnenden acht Zinserhöhungen seien hingegen „ein erhebliches Wort“. Da müsse man vorsichtig sein, dass man keinen Umkehrschub erlebe und die Konjunktur abdrossele. Wenig Verständnis zeigte er erneut für die Bankenabgabe. Es sei „absolut die falsche Entscheidung“ gewesen, das Volumen des europäischen Bankenabwicklungsfonds von 52 Mrd. auf rund 80 Mrd. Euro zu erhöhen. Regulierung müsse sich daran messen lassen, ob sie die Fähigkeit von Banken zur Kreditvergabe erweitere oder beeinträchtige. Auch der von der Aufsicht verhängte antizyklische Kapitalpuffer schränke den Spielraum der Banken zu einem Zeitpunkt ein, zu dem sie besonders gefragt seien.

Mit Blick auf Bemühungen, Flüchtlingen aus der Ukraine einen Bargeldumtausch von Hrywnja in Euro zu ermöglichen, erklärte Ossig: „Wir hoffen sehr, dass wir eine europäische Lösung unter Federführung der EZB sehen werden, und wir werden diese Lösung unterstützen.“ Die EU-Kommission hat einen Vorschlag publiziert, mit dem sich am heutigen Dienstag die im Ecofin versammelten Wirtschafts- und Finanzminister befassen sollen. Dieser Vorstoß sieht allerdings vor, dass nicht die EZB, sondern die Mitgliedsstaaten mit der ukrainischen Zentralbank die Modalitäten eines Umtauschs von Bargeld vereinbaren. Beim wirtschaftspolitischen Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber, stößt dies auf Kritik: „Die Kommission hat das Problem nicht gelöst, sondern einfach an die Mitgliedstaaten abgeschoben“, teilte er mit: „Das ist schlichtweg zynisch.“

Wie der Bankenverband am Montagabend mitteilte, hat seine De­le­giertenversammlung der geplanten Reform der freiwilligen Einlagensicherung zugestimmt. Ab Januar 2023 sind damit etwa professionelle Einleger wie Versicherungen, Investmentgesellschaften und öffentlich-rechtliche Körperschaften und An­stalten vom freiwilligen Depositenschutz ausgenommen.

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