Verunsicherung

Märkte auch nach Übernahme der Credit Suisse nervös

Die milliardenschwere Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat es nicht vermocht, die Finanzmärkte nachhaltig zu beruhigen. Stimmen werden laut, ob eine Verstaatlichung nicht die bessere Option gewesen wäre.

Märkte auch nach Übernahme der Credit Suisse nervös

Von Daniel Zulauf, Zürich

Die am Sonntagabend in der Schweizer Bundeshauptstadt Bern orches­trierte Übernahme der Credit Suisse durch die Wettbewerberin UBS hat die Lage auf den Finanzmärkten zunächst einmal nicht beruhigt. Vielmehr schickten die Nachrichten die Aktien der beteiligten Banken und anderer Finanzkonzerne am Montag erst einmal auf eine Berg-und-Tal-Fahrt. Die UBS-Titel verloren am Montag im Morgenhandel zeitweise mehr als 15 %. Am frühen Nachmittag schnellten sie dann in die Höhe und notierten zeitweise um 6 % über dem Schlusskurs vom Freitag, bevor sie anschließend wieder abgaben. Im späten Handel notierten sie leicht über dem Freitagsschluss.

Auch an anderen europäischen Börsen waren Bankentitel zunächst einmal auf den Verkaufslisten. Die Aktien der Deutschen Bank verloren zeitweise 10 %, machten ihre Verluste aber anschließend wieder wett.

Nachranganleihen im Fokus

Die anhaltende Verunsicherung zeigt sich nur Stunden nach der Zwangsübernahme in der Schweiz. In der Nacht von Sonntag auf Montag fokussierten sich die Investoren zunächst in Asien unter anderem auf die verlustabsorbierenden Anleihen jenes Typus, den die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) im Zuge der Fusion vollständig abgeschrieben hatte. Die Credit-Suisse-Gläubiger haben so rund 16 Mrd. sfr verloren. Jetzt läuft einerseits die Suche nach den größten Positionen dieser Verlustpapiere. Andererseits fragen sich die Investoren, wie sicher vergleichbare Anleihen bei anderen Banken jetzt noch sind. Selbstredend sind die Kurse nachrangiger Bankenanleihen seit Sonntag stärker unter Druck geraten, was die Möglichkeiten zur Refinanzierung für Banken, die auf frische Mittel aus dem Kapitalmarkt angewiesen sind, natürlich nicht verbessert.

Diese anhaltende Unruhe und die wilde Berg-und-Tal-Fahrt am Aktienmarkt waren am Sonntagabend a priori nicht zu erwarten gewesen. Immerhin sieht die Übernahme der Credit Suisse mindestens für Außenstehende wie ein Geschenk an die UBS aus. Die zum Preis von 3 Mrd. sfr erworbene Großbank hatte zum Ende des vergangenen Jahres immerhin noch ein Eigenkapital von 45 Mrd. sfr. Dieses wird durch fortgesetzte Milliardenverluste im laufenden Jahr zwar weiter dezimiert werden. Aber die Finanzmarktaufsicht hat der Credit Suisse durch die Abschreibung von Anleihen Schulden im Umfang von 16 Mrd. sfr erlassen. Darüber hinaus gewährte der Schweizer Staat der UBS eine Defizitgarantie in Höhe von 9 Mrd. sfr.

Das ist der Grund, weshalb die Zwangsübernahme der Credit Suisse für Kritik und anhaltende Irritationen sorgt. Ein Zürcher Bankökonom fragte sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung stellvertretend für viele Beobachter, ob eine Verstaatlichung der angeschlagenen Großbank ökonomisch nicht das bessere Ergebnis für die Schweiz erzielt hätte.

Chancen für die UBS

Auf der einen Seite hat die UBS jetzt die Chance, durch eine harte Restrukturierung der Credit Suisse und durch die Eliminierung der vielen Doppelspurigkeiten der beiden Finanzkonzerne eine mittelfristig deutliche Verbesserung der eigenen Profitabilität zu erreichen. Diese ginge aber auch auf Kosten der Allgemeinheit, ohne dass das Land einen direkten Nutzen vom Erfolg der UBS hätte.

Stattdessen trägt die Schweiz nun eine Mitverantwortung für einen Bankkonzern, der in puncto Bilanzsumme hinter BNP Paribas auf den zweiten Platz in der Rangliste der größten Bankkonzerne in der Schweiz und der Eurozone aufsteigen dürfte. Diese neue UBS mit einer Bilanzsumme von mehr als 1,6 Bill. Euro ist definitiv zu groß, um fallen gelassen zu werden. Aber sie ist für die Schweiz auch viel zu groß, als dass sie vom Staat glaubwürdig unterstützt werden könnte.

Warum es trotzdem zu dieser Lösung gekommen ist, wissen im Moment allein die direkt Beteiligten. Immerhin aber gibt es plausible Vermutungen: Offensichtlich liefen die Fusionsverhandlungen am Wochenende unter sehr enger ausländischer Beteiligung.

Ausland verhandelt mit

Vieles deutet also darauf hin, dass die beiden Banken und die direkt beteiligten behördlichen Akteure aus der Schweiz unter Führung von Finanzministerin Karin Keller-Sutter, Nationalbank-Präsident Thomas Jordan und Finma-Präsidentin Marlene Amstad nicht die alleinige Hoheit über das Geschäft hatten. Möglicherweise wollten andere Länder unbedingt vermeiden, dass die Schweiz mit der Verstaatlichung einer Großbank ein Exempel statuiert, das für den Fall einer sich weiter ausweitenden Bankenkrise Schule machen könnte. Das ist zwar nur eine Theorie, aber das daraus ableitbare Bedrohungsszenario ist für viele hoch verschuldete Länder mit großen eigenen Finanzplätzen sehr real.

Die nächsten Wochen und Monate dürften nicht nur in dieser Hinsicht mehr Klarheit bringen. Auch über die künftige Wettbewerbssituation auf dem Schweizer Bankenplatz wird noch viel geredet werden müssen. Ob die UBS das Schweizer Geschäft der Credit Suisse tatsächlich behalten und vollständig integrieren kann, wie dies die Bank zu verstehen gab, bleibt abzuwarten. Für allfällige Nachbesserungen der Jahrhundertübernahme ist aber nicht die Zeit, solange sich die Märkte im Ausnahmezustand befinden.

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