Gabriela Pantring

NRW.Bank – Marathonläufer und Sprinter in einem

Die NRW.Bank muss sich um ihre Daseinsberechtigung keine Sorge machen – schon gar nicht in Zeiten, in denen eine Krise die nächste ablöst. Doch auch ohne Krise gäbe und gibt es genug zu tun.

NRW.Bank – Marathonläufer und Sprinter in einem

Annette Becker.

Frau Pantring, die NRW.Bank hat kürzlich ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. Sie waren von Tag 1 an dabei. Schildern Sie doch einmal die Anfänge. Die aus der WestLB ausgegründete Landesbank NRW war ja „nur“ Ergebnis einer beihilferechtlichen Entscheidung der EU-Kommission.

Es ist richtig, dass eine übergeordnete Entscheidung der EU zur Gründung der Bank führte. Dennoch fühlte es sich an wie die Gründung eines Start-ups. Da wir kein Geschäftsmodell hatten, konnte man sich mit frischem Mut und Verve einbringen, auch wenn nicht klar war, was daraus wird. Das aber macht den Charakter eines Start-up-Unternehmens aus.

Wie schnell wurde das Geschäftsmodell entwickelt?

Mit der Wohnraumförderanstalt WfA, der IB, der Investitionsbank, und dem öffentlichen Pfandbriefgeschäft hatten wir drei eigenständige Geschäftsbereiche, die schon unter dem Dach der WestLB existiert hatten. Unsere Aufgabe war es, die Einzelteile zusammenzuführen und daraus eine Förderbank zu machen. Erst am 31. März 2004 kam das NRW.Bank-Gesetz und mit ihm der Auftrag, die strukturpolitischen Ziele des Landes Nordrhein-Westfalen zu unterstützen. Erst zu diesem Zeitpunkt sind wir zu einer richtigen Verständigung-II-Bank geworden mit der entsprechenden Haftung durch das Land Nordrhein-Westfalen.

Wie hat sich das Fördergeschäft seither verändert?

Es gab Veränderungen, aber eben auch Konstanten wie das Geschäft der öffentlichen Wohnraumförderung. Das gab es vor 20 Jahren und wird es vermutlich auch in 20 Jahren noch geben, auch wenn es immer be­darfsgerecht weiterentwickelt wird. Bezahlbarer Wohnraum ist und bleibt ein wichtiges Thema für Nordrhein-Westfalen.

Aber ketzerisch gefragt: Wird bezahlbarer Wohnraum nicht immer mehr zur Illusion?

Das ist eine Frage der inhaltlichen Ausgestaltung der Förderung. Diese ist Sache der Politik, wie ja ganz grundsätzlich für Förderbanken das Primat der Politik gilt. Unsere Aufgabe ist es, landespolitische Ziele um­zu­setzen und ganz konkret Investoren zu unterstützen, die bezahlbaren Wohnraum bauen und erhalten.

Das aktuelle Umfeld mit steigenden Baupreisen und Zinsen ist dem Bestreben sicher nicht zu­träglich.

Sicher nicht. Doch genau das ist die Aufgabe, in einem herausfordernden Umfeld dafür zu sorgen, dass Investoren trotzdem in mietpreisgebundenen Wohnraum investieren. Da müssen wir Investitionsanreize schaffen, zum Beispiel durch zinsgünstige Kredite und teilweise Tilgungsnachlässe, die vom Land bereitgestellt werden.

Wie passen Sie die Programme an die aktuelle Situation an?

Als Kreditinstitut mit Banklizenz ist die Zinsvergünstigung bei Krediten unser Hauptinstrument. Wenn es gelingt, diese Kredite mit Tilgungsnachlässen aus dem Fachministerium zu koppeln, ist ein weiterer Anreiz geschaffen.

Die Wohnraumförderung haben Sie als Konstante im Fördergeschäft bezeichnet. Wo liegen neue Geschäftsfelder?

Die Investitionsbank war auf der gewerblichen Seite unsere Basis. Deren Geschäft war und ist das Durchleiten der KfW-Fördermittel an die Sparkassen in NRW. Wir haben schnell erkannt, dass es gut wäre, nicht nur die Bundesförderkredite weiterzuleiten, sondern sie mit eigenen Förderprogrammen zu ergänzen. Das findet sich beispielsweise im Universal- oder im Gründungskredit der NRW.Bank. Das sind Instrumente, die wir mit eigenen Mitteln auf die Beine gestellt haben.

Was heißt das?

Das Land hat entschieden, die NRW.Bank so aufzustellen, dass sie weitestgehend haushaltsunabhängig agieren kann und soll. Wir dürfen Anlagegeschäft betreiben, um mit den Erträgen die Förderung zu unterstützen. Das vernünftig aufzusetzen, also auch die Frage zu beantworten, wie viel Risiko wir nehmen, war eine der wesentlichen Aufgaben der ersten Jahre. Im Laufe der Jahre hat das Land entschieden, auf eine Ausschüttung zu verzichten. Heute steht das Ergebnis der Bank komplett zur Förderung zur Verfügung. Alles, was wir tun, findet aber immer im Kontext des beihilferechtlichen Rahmens statt. Dank Landesgarantie können wir uns günstig refinanzieren.

Die NRW.Bank ist die zweitgrößte Förderbank Deutschlands, aber keine kleine KfW.

Wir sind die Förderbank für Nordrhein-Westfalen. Insofern haben wir teils andere Aufgaben und fördern vor allem da, wo die KfW nicht fördert. Die Landesförderinstitute sind kein Substitut der KfW für die einzelnen Bundesländer, sondern versuchen insbesondere komplementär zu agieren. Wir sind die größte Landesförderbank, insofern haben wir auch ein sehr breites Spektrum an Themenfeldern, das wir abdecken.

Dennoch wird die NRW.Bank vom Land nicht zu Hilfe gerufen, wenn es um die Rettung einzelner Unternehmen geht. Die KfW musste jüngst milliardenschwere Kredite an Uniper ausreichen. Warum ist das bei der NRW.Bank anders?

Unsere Aufgabe ist es nicht, einzelne große Unternehmen zu finanzieren, sondern den nordrhein-westfälischen Mittelstand.

Wäre es aus Ihrer Sicht wichtig, dass Sie diese Möglichkeit bekämen?

Ich sehe unsere Bank lieber in der breiten Förderung. Hilfen für einzelne große Unternehmen würde unser Gesetz gar nicht hergeben. Es besteht Einigkeit darüber, die Bank eher für die breiten Themen zu nutzen. Das finde ich für ein regionales Institut auch den sinnvolleren Ansatz als exklusiv für einzelne Unternehmen tätig zu werden.

Die Transformation der Wirtschaft wird viel Geld kosten. Gerade in Nordrhein-Westfalen gibt es große Unternehmen, die darauf verweisen, sich ohne staatliche Förderung nicht transformieren zu können.

Unser Gesetz sagt, wir sollen den Mittelstand fördern. Das sind über 740 000 Unternehmen in NRW, die alle vor diesem Problem stehen. Diese Unternehmen stehen bei uns im Fokus. Ganz abgesehen davon, dass uns die Unterstützung einzelner Großkonzerne überfordern würde, haben diese Unternehmen Zugang zum Kapitalmarkt. Kleine und mittelständische Unternehmen sind da­gegen überwiegend auf die Bankenfinanzierung angewiesen und haben keine Verhandlungsmacht gegenüber den Banken. Daher ist die Zinsvergünstigung das wichtigste Instrument in unserem Werkzeugkasten.

Garantien kommt aber doch auch eine wichtige Rolle zu, oder?

Das ist so. Die Risikoübernahme beziehungsweise die Risikoteilung mit den Hausbanken in Form von Haftungsfreistellung ist das zweite In­strument. Gerade in der Coronakrise erlangte es eine besondere Bedeutung.

Auf die Coronakrise folgte die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen. Jetzt hält uns der Ukraine-Krieg und seine Folgen in Atem. Wie begegnen Sie diesen Themen als Förderbank?

In der Krise zahlt es sich aus, über eine stabile Grundlage zu verfügen. In übergeordneten Themen verstehen wir uns als Marathonläufer. Zugleich muss eine Förderbank aber auch Sprinter sein, wie sich in Krisenthemen zeigt. Das ist die Herausforderung für eine Förderbank.

Wie reagiert die Bank in Krisen? Da kommt es ja auf Tempo an.

Die Reaktionszeit ist extrem kurz. Nehmen wir die Hochwasserkata­strophe in Teilen NRWs – da hatten wir einen Tag später unsere Kreditförderung angepasst. Es war schnell klar, dass Bund und Länder Hilfsmittel geben und ein Katastrophenfonds aufgelegt wird, auch wenn die Höhen nicht feststanden. Klar war aber auch, dass es dauert, bis solche Mittel bereitstehen. Daher haben wir entschieden, Mittel aus unseren be­stehenden Programmen ad hoc zu be­sonders günstigen Konditionen zur Verfügung zu stellen. Die Tücken liegen hier im Details. Ging es doch auch um die Frage, was passiert, wenn der Kreditnehmer später den Zu­schuss erhält. Daher wurden die Kredite beispielsweise vorfälligkeitsfrei gestellt, so dass sie jederzeit vorzeitig zurückgezahlt werden können.

Müssen Sie auch in der Krise nach dem Hausbankprinzip verfahren?

Ja, das müssen wir. Aber auch da haben wir zu Beginn der Coronakrise erkannt, wie wichtig der Dialog mit den Hausbanken ist. Unter Leitung der NRW.Bank hat damals regelmäßig eine Banken-Task-Force in NRW getagt, in der auch die Banken- und Sparkassenverbände vertreten sind. Die Task Force gibt es bis heute, auch wenn derzeit Themen wie die Energiekrise im Mittelpunkt stehen. Wir agieren immer im Zusammenspiel mit der Bankenszene.

Wie können Sie als Förderbank bei der Bewältigung der Energiekrise helfen? Geht es in erster Linie darum, Unternehmen zu unterstützen, die ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können, oder um die Unterstützung der Kommunen, weil die Stadtwerke in Not geraten sind?

Es gibt bereits ein Hilfskreditprogramm der KfW für Unternehmen, die durch den Krieg geschädigt sind. Dieses Programm ist angelaufen und ähnelt dem Vorgehen in der Coronakrise. Wir haben schon erste Kredite durchgeleitet. Das schauen wir uns an und prüfen, ob noch Ergänzungen notwendig sind. Im Zusammenhang mit dem Krieg haben wir uns bislang vor allem auf die Kommunen und das Thema Flüchtlingsunterkünfte konzentriert. Aufsetzen konnten wir auf das 2015 aufgelegte Flüchtlingsun­terkunftsprogramm. Das kommunale Förderprogramm haben wir wie­der­belebt. Die Kredite sind aktuell nicht verzinst.

Und wie sieht es mit den Stadtwerken aus?

Die Frage Energie und Stadtwerke ist ein übergeordnetes Thema, das wir mit den Fachministerien besprechen müssen. Was daraus erwächst, müssen wir abwarten. Es gibt erste Gespräche. Das ist aber zweifelsfrei ein Thema, das die Kommunen um­treibt. Ansonsten gilt, dass die Krise die Energiewende beschleunigt. Wir haben dazu Förderprogramme, auch speziell für Energieinfrastruktur. Für den Mittelstand gibt es ein Programm für energieeffiziente Vorhaben, und wir haben für den privaten Wohnungsbau ein Gebäudesanierungsprogramm.

Das Thema dürfte angesichts der Energiepreissteigerungen Fahrt aufnehmen.

Ja, davon gehe ich aus. Daran haben wir ja auch ein Interesse. Nicht nur wegen des Krieges, sondern wegen des Klimawandels. Die Krise wirkt als Beschleuniger. Doch auch die Finanzierung der Energiewende ist keine Aufgabe für eine einzige Institution. Wir müssen schauen, wie wir uns bestmöglich einbringen können.

Die Stadtwerke waren für die Kommunen in der Vergangenheit häufig die Cash-Cow, die gemolken wurde, um andere Vorhaben zu finanzieren. Geraten die Kommunen jetzt in Nöte, weil die Stadtwerke selbst zu Stützungsfällen werden? Viele Kommunen stecken ja heute schon in Finanznöten.

Kommunale Schulden sind ein Thema, das auch für die neue Landesregierung wichtig bleibt. Wir werden uns in die Gespräche einbringen, weil wir in Nordrhein-Westfalen ein großer Kommunalfinanzierer sind.

Mutmaßlich der größte, oder?

Wir haben immer Wert darauf gelegt, dass wir das nicht alleine machen. Wir sind ein wichtiger Kommunalfinanzierer, aber nicht der einzige. Wir sind froh, dass der Kommunalfinanzierungsmarkt im Augenblick wieder funktioniert. Das war ja nicht immer der Fall. Die Finanzmarktkrise lässt grüßen.

Inwieweit stellt die Zinswende die Kommunen vor neue Herausforderungen? Die Kommunen hatten sich zuletzt doch stark kurzfristig finanziert.

Die Kämmerer der Kommunen sind schlaue Menschen. Aber es ist sicher eine Herausforderung, den richtigen Weg nach vorn zu finden.

Gibt es an dieser Stelle vermehrt Anfragen?

Von vermehrten Anfragen würde ich nicht sprechen. Aber natürlich laufen immer Gespräche auch mit Blick auf die Fristigkeit der Verbindlichkeiten. Die Kommunen sind sehr unterschiedlich. Aber wir müssen dort natürlich ein Auge darauf haben und als Stabilitätsanker fungieren.

Befürchten Sie angesichts der zahlreichen Krisen, die nahtlos ineinander überzugehen scheinen, dass die strategische Weiterentwicklung aus dem Blick gerät?

Als Krisenhelfer unterwegs zu sein ist ein Aspekt unserer Bank, und das hat in dem Moment auch Vorrang. Aber uns ist es immer gelungen – Stichwort: Marathon –, die großen Themen nicht aus dem Blick zu verlieren. Dafür haben wir ein Gesetz, eine Satzung und einen Koalitionsvertrag, in dem unsere Aufgaben be­schrieben sind. Das Thema Nachhaltigkeit, auch in sozialer Hinsicht, ist ein langfristiges Thema, ebenso wie Digitalisierung. Das sind für mich die beiden großen Leitthemen.

Wie halten Sie es mit den ESG-Kriterien bei der Vergabe von Förderkrediten?

Nachhaltigkeitsleitlinien für die Vergabe von Förderkrediten haben wir seit 2018. Es ist aber nicht immer so einfach, wie es sich anhört. Vieles ist eben nicht schwarz oder weiß. Wir sind eine regionale Bank, daher kann unser Förderportfolio am Ende des Tages auch nur so aussehen wie die Wirtschaft in Nordrhein-West­falen.

Genau darauf fußt meine Frage, denn Nordrhein-Westfalen ist ein Industrieland.

Es ist ein Industrieland, das sich in der Transformation befindet. Unsere Aufgabe ist es, bei dieser Transformation zu unterstützen. Das funktioniert aber nicht, indem man einen Hebel umlegt und plötzlich ist alles grün. Daher steht in unseren Nachhaltigkeitsleitlinien auch, dass wir die Transformation begleiten wollen. Wir verstehen uns bei diesem Thema als Katalysator. Das Land will sich von A nach B bewegen. Diese Wegstrecke muss überwunden werden.

Wird sich der Weg mit der neuen Landesregierung ändern?

Mit neuen Akteuren wird es sicher neue Akzente geben. Das betrifft die Fragen, was besonders gefördert werden soll und wo der Fördermehrwert der NRW.Bank besonders groß ausfällt. Die großen Transformationsprozesse Nachhaltigkeit und Digitalisierung standen aber auch vorher schon im Fokus.

Gerade in der Wirtschaft wird Nachhaltigkeit vor allem über die Finanzierungsseite durchgesetzt. Wer nicht nachhaltig agiert, be­kommt keinen Kredit oder nur zu unattraktiven Konditionen.

Das ist das Zusammenspiel, und wir als Förderinstitut sind ein Akteur.

Könnte das bedeuten, dass mehr Förderkredite nachgefragt werden?

Ich glaube schon, dass die Transformation den Bedarf an Förderkrediten erhöht. Können wir die Investition als Förderbanken alleine finanzieren? Nein, in keinem Fall. Es muss ein Zusammenspiel zwischen Hausbanken und Förderinstituten geben.

Mit dem Wechsel in der Landesregierung hat die NRW.Bank auch eine neue Verwaltungsratsvorsitzende bekommen. Was bedeutet das für die Bank und ihren Vorstand?

Seit Bestehen der Bank hat es einige Landtagswahlen gegeben und nachfolgend auch Regierungswechsel. Das Gute für die Bank ist, dass sie auf Basis eines Gesetzes gegründet wurde, das aus dem Parlament heraus mit den Stimmen aller damals dort vertretenen Parteien beschlossen wurde. Es hat sich über die Jahre gezeigt, dass unabhängig von der Couleur der Landesregierung das Grundverständnis über die Aufgaben der NRW.Bank das gleiche ist. Ich erwarte nicht, dass die neue Landesregierung alles auf den Kopf stellt, auch wenn sich mit einem Regierungswechsel die Akzentuierung ändern mag.

Das Interview führte

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.