Versicherer

Wie der Krieg die Assekuranz trifft

Deutsche Versicherer haben kaum Geschäft in Russland und der Ukraine. Doch indirekt könnte der Krieg sie mehr treffen.

Wie der Krieg die Assekuranz trifft

Von Antje Kullrich, Köln

Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Versicherungswirtschaft sind komplex. Die russische Invasion hat Effekte auf diverse Be­reiche des Geschäftsmodells. Am stärksten wird die Branche nach Einschätzung der Ratingagentur AM Best durch die Turbulenzen und Abstürzen an den Kapitalmärkten sowie die potenziell zunehmenden Cyberattacken getroffen. Die Analysten erwarten kurz- bis mittelfristig aus diesen Gründen durchaus signifikante Belastungen für die Assekuranz. Für den deutschen Markt geben Lobbyverband und Aufsicht zunächst jedoch vorsichtig Entwarnung.

Angesichts der starken Unsicherheit über die Entwicklung des Konflikts sind die Effekte auf die gewaltigen Kapitalanlagen der Versicherer schwer abzuschätzen. Mehr als 1,5 Bill. Euro verwalten allein die Erstversicherer in Deutschland für ihre Kunden. Werner Schirmer von der LBBW versucht sich der Frage über die Sensitivitäten der Solvenzquoten zu nähern. Der Konflikt dürfte sich überwiegend auf die Bond-Spreads und auf die Aktienmärkte auswirken, schreibt Schirmer. Unter den großen europäischen Versicherern identifiziert er hohe Aktienmarktsensitivitäten der Solvenzquote unter anderem bei Allianz, Zurich Axa und Munich Re. Auf zunehmende Spreads von Unternehmensanleihen reagieren vor allem Zurich, Talanx und Munich Re stärker. Allerdings dürften die Belastungen laut LBBW kaum dazu führen, dass die Solvenzquoten ge­fährlich sinken und die von den Konzernen avisierten Zielkorridore nicht mehr erreicht werden.

Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte direkt zu Beginn der russischen Invasion darauf verwiesen, dass die Auswirkungen von Kriegen auf die internationalen Kapitalmärkte „kurzfristig oft stark, aber selten langfristiger Natur“ seien.

Mit einiger Sorge blickt die Versicherungsbranche indes auf das stark wachsende Segment der Cyberversicherungen. Vermehrte Cyberattacken werden im Zuge des Konflikts befürchtet. Das könnte für den jungen Markt zu einer ersten veritablen Belastungsprobe werden. Zwar sind Kriegshandlungen in Cyberpolicen in aller Regel ausgeschlossen, doch der Nachweis – der beim Versicherer liegt – ist schwierig. Denn vermutlich staatlich gelenkte Hackerangriffe sind bislang nie offiziell geführt worden. Neben Schäden drohen da auch Rechtsstreitigkeiten.

Talanx-Chef Torsten Leue warnte Anfang der Woche im Interview: „Die Gefahrenlage wird mittelfristig insbesondere bei Cyberrisiken zunehmen, so dass die Übernahme von Versicherungsrisiken in diesen Bereichen deutlich anspruchsvoller werden könnte.“

Für die immensen Zerstörungen von Sachwerten im Krieg allerdings werden die Versicherer indes in aller Regel nicht zahlen müssen. Denn in nahezu allen Verträgen der großen klassischen Sparten sind sogenannte Kriegsklauseln enthalten. Ereignisse, die flächendeckend für Schäden sorgen, sind für die private Assekuranz nicht versicherbar. Auch die Pandemie hatte schon den Blick auf nicht versicherbare Risiken gelenkt.

Nicht nur der weitreichende Kriegs­ausschluss, sondern auch die Struktur der Versicherungsbranche mit ihrem Fokus auf inländisches Geschäft führt dazu, dass wichtige Institutionen hierzulande die deutsche Assekuranz von den Auswirkungen des Krieges zunächst wenig betroffen sehen. Der GDV sprach in einer ersten Einschätzung von geringen direkten Effekten. Betroffen sein könnten in beherrschbarem Maß Industrie-, Rück- und Kreditversicherer. Euler Hermes, Weltmarktführer in der Kreditversicherung, teilte auf Anfrage mit, dass Engagements in Russland und der Ukraine seit mehreren Jahren sehr konservativ ge­zeichnet würden.

Abgeschotteter Markt

Geschäft in Russland oder der Ukraine haben nur wenige deutsche Versicherer. Der russische Markt sei stark abgeschottet und frühere Staatsunternehmen weiterhin dort stark vertreten, schreibt der GDV. Die russische Zentralbank hatte 2016 als Reaktion auf die Sanktionen nach der Besetzung der Krim einen staatlichen Rückversicherer gegründet, der alles versichert, was von Sanktionen betroffen sein könnte. Eine Tätigkeit in Russland war für internationale Versicherungsunternehmen bis vor kurzem nur in Form einer vollkapitalisierten Tochtergesellschaft oder über Fronting möglich. Diese Regel war nach Angaben des GDV erst im Sommer 2021 aufgehoben worden.

Auch die Aufsicht ist vorsichtig entspannt, aber wachsam: „Die BaFin hält die Auswirkungen auf den deutschen Versicherungsmarkt aktuell für überschaubar.“ Die Betonung dürfte dabei auf dem Wort „aktuell“ liegen. Die Behörde steht nach eigenen Angaben in engem Kontakt mit den Versicherern über potenzielle Risiken, die sich aus dem Konflikt ergeben könnten.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.