Oliver Bäte und Giulio Terzariol, Allianz

„Wir haben in den letzten zehn Jahren den Ausblick fast immer übertroffen“

Oliver Bäte und Giulio Terzariol sind das Gesicht der Allianz. Das Duo erklärt anlässlich der Bilanzvorlage, warum es optimistisch in das Jahr 2023 blickt.

„Wir haben in den letzten zehn Jahren den Ausblick fast immer übertroffen“

Michael Flämig.

Herr Bäte und Herr Terzariol, ist die Ergebnisprognose 2023 konservativ oder ambitioniert?

Terzariol: Wir haben in den letzten zehn Jahren unseren Ausblick fast immer übertroffen. Die einzige Ausnahme war das Pandemiejahr 2020. Der Track Record ist also sehr klar. Daher würde ich sagen: Sie ist konservativ.

Bäte: Wir sind  schon allein deswegen konservativ, weil wir die Allianz sind.

Terzariol: Im laufenden Jahr erwarten wir eine Kombination von Preiserhöhungen aus dem Jahr 2022, die nun voll durchschlagen, und steigenden Kapitalanlageergebnissen.

Die Krisen prallen also an der Allianz ab?

Bäte: Natürlich sind wir nicht unabhängig von diesen Entwicklungen. Das Umfeld ist verrückt. Wir hatten im letzten Jahr die schlimmsten Verwerfungen am Kapitalmarkt seit 40 Jahren. Bonds und Aktien sind gleichzeitig im Wert gesunken. Außerdem gibt es einen Krieg in Europa, zudem ist die Inflation auf Rekordhöhe.

Ist die Allianz ausreichend resilient angesichts dieser Krisen?

Bäte: Als einer der größten Assetmanager der Welt werden wir natürlich von diesen Turbulenzen getroffen. Aber wieder einmal zahlt sich unsere Diversifikation aus. Die Sach- und Unfallversicherer werden den operativen Gewinn im laufenden Jahr voraussichtlich um mehr als 10% steigern. Wir machen uns zwar Sorgen um die Makroökonomie, aber keine Sorgen um unsere Resilienz.

Das Ziel für das Jahr 2024 von 14,5 Mrd. Euro ist damit in Reichweite. Werden Sie es erhöhen?

Bäte: Die Frage ist gut, aber jetzt machen wir erst mal das Jahr 2023.

Terzariol: Das Ziel 2024 ändert sich übrigens nicht allein dadurch, dass wir jetzt im Mai erstmals auf Basis von IFRS 9 und 17 berichten.

Die Allianz stagnierte 2022 auf bereinigter Basis. Wann kehren Sie zu Wachstum zurück?

Bäte: Ich debattiere immer mit den Finanzkollegen über die Darstellung bereinigt um Währungseffekte und M&A. Damals als Finanzvorstand …

… haben Sie diese als „intern“ bezeichneten Werte früher auch präsentiert …

(lacht) … habe ich. Letztlich gilt: Um das Thema Wachstum mache ich mir perspektivisch überhaupt keine Sorgen. Das geht mal zwei Quartale runter, aber wir werden wachsen.

Warum?

Bäte: 2022 war wieder ein Jahr, in dem wir Rekorde hatten bei der Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern. Die Menschen suchen in Zeiten der Angst die Unternehmen, denen sie vertrauen. Dann hoffe ich, dass sie zur Allianz kommen. Unsere Indikatoren weisen darauf hin.

Was bedeutet dies für das Wachstum der Sparten?

Bäte: In der Sachversicherung gewinnen wir Volumen durch mehr Kunden, außerdem steigen die Preise. In der Lebensversicherung ist völlig klar, dass die Leute nicht Einmalbeiträge in Milliardenhöhe über den Zaun schmeißen, wenn sich die Zinsen so stark erhöhen. Sobald die Leute glauben, dass sich die Zinskurve stabilisiert, werden sie aber beispielsweise wieder in Anleihen investieren. Das können Sie schon im Januar sehen, denn Pimco hat Nettomittelzuflüsse von mehr als 10 Mrd. Euro verzeichnet. Perspektivisch kommen die Zuflüsse also wieder.

Warum halten Sie die Allianz für so resilient?

Bäte: Eine der wichtigsten Sachen, die wir im vergangenen Jahr gemacht haben, ist: Wir haben das Kapital der Allianz gefestigt. Denn man kann zwei Dinge tun, um resilienter zu werden. Entweder akkumuliert man als Versicherer Kapital, oder man baut die Risikosensitivität ab. Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden. Relativ zum Niveau unserer Solvenz ist das Rückschlagsrisiko gegenüber dem Jahr 2021 signifikant zurückgegangen.

Sie haben die Sensitivität gegenüber Aktien gesenkt. Ein Einbruch des Marktes um 30% senkt die Quote nur noch um 13%. Was haben Sie dort genau gemacht?

Terzariol: Wir haben das Exposure verringert und uns so auf eine mögliche Volatilität vorbereitet. Dabei ist noch ein anderer Aspekt relevant: Die Zinsen auf Anleihen sind mittlerweile stark gestiegen. Daher ist die Umschichtung nicht nur eine Frage des Volatilitätsmanagements, sondern auch der Rendite in der Kapitalanlage. Wir können uns besser schlagen, wenn wir etwas mehr in festverzinsliche Anlagen statt in Aktien investieren. Wir werden auch in Zukunft die Anlagepolitik immer wieder konsequent anpassen.

Sie schaffen also die Voraussetzung für ein künftig besseres Kapitalanlageergebnis.

Terzariol: In der Schaden- und Unfallversicherung wird sich das Ergebnis sicherlich erhöhen. In der Lebensversicherung haben wir eine steigende laufende Rendite, während die Garantien sinken. Dies wird sich im laufenden Jahr fortsetzen. Die Zinsentwicklung ist für uns definitiv positiv.

Wie bewerten Sie das vergangene Jahr?

Terzariol: Wir haben 2022 in einem schwierigen Umfeld ein Rekordergebnis erwirtschaftet, obwohl wir im Jahr 2021 einen Höchstwert hatten. Die Qualität der Zahlen ist aus meiner Sicht ebenfalls wichtig: Wir haben eine riesige Rückstellung für Inflation gebucht und sind sehr gut positioniert für das Jahr 2023.

Wie hoch war die Rückstellung?

Terzariol: Sie hat die Schaden- und Kostenquote allein im vierten Quartal um drei Prozentpunkte erhöht. Wir haben so viel verbucht, damit wir gegen Inflation geschützt sind.

Die Schaden- und Kostenquote liegt über den Erwartungen der Analysten. Warum?

Terzariol: Mit 94,2% ist sie tatsächlich etwas gestiegen. Die Inflation hat ein wenig Einfluss. Sie müssen aber auch sehen, dass wir eine höhere Belastung durch Naturkatastrophen gehabt haben als erwartet. Insgesamt war das operative Ergebnis in der Schaden- und Unfallversicherung aber besser als die Prognose.

Die Vermögensverwaltung hat im vierten Quartal einen hohen Nettomittelabfluss gesehen. Wie lange dauert dies an?

Bäte: Wir können uns natürlich nicht vom schlimmsten Kapitalmarkt seit 40 Jahren abkoppeln. Wir haben aber trotz dieser Einschläge einen operativen Gewinn von 3,2 Mrd. Euro gemacht. Das ist ein Spitzenergebnis, auch im Vergleich zum Wettbewerb. Wenn man schaut, wie wenig Geld mit Nettomittelzuflüssen in Passivprodukte verdient wird, so ist klar, dass wir das nicht wollen. Unsere Margen zeigen, dass wir vor allem Mandate mit sehr niedriger Profitabilität verloren haben.

Wie beurteilen Sie die Performance von AGI?

Bäte: Die Profitabilität von AGI ist spektakulär. Wenn Sie mir im letzten April, als wir inmitten der Gespräche mit dem US-Justizministerium wegen der Structured-Alpha-Produkte waren, gesagt hätten, dass wir 755 Mill. Euro operatives Ergebnis schaffen, hätte ich das nicht geglaubt. Es ist uns gelungen, trotz Structured Alpha, einem Einbruch der Märkte und 100 Mrd. Euro weniger Assets. Ich bin auf die Kollegen pottstolz.

Trotzdem fehlt der US-Markt.

Bäte: Das sehe ich anders. Wir halten einen Anteil von 24,9 % an unserem Partner Voya, der das Geschäft übernommen hat. Wir bekommen – zweitens – einen signifikanten Anteil der Vertriebsprovisionen. Je stärker AGI für Voya produziert, desto höher sind die Erträge. Außerdem werden wir an den Synergien beteiligt. Dies ist der Grund, warum die Gewinne so hoch sind. Die AGI-Fondsprodukte in den USA wurden zwar dort produziert, aber großteils international vertrieben.

Die Allianz wollte weit vor dieser Transaktion ja schon mal Voya kaufen. Kann man sich vorstellen, dies nach zehn Jahren zu tun, um wieder direkten Zugang zum US-Markt­ zu bekommen?

Bäte: Ich will keine M&A-Spekulationen auslösen, ich meine vielmehr: Sie müssen berücksichtigen, dass nur die AGI GmbH aus Frankfurt in den USA nicht mehr aktiv ist. Beispielsweise Allianz SE, Allianz Life oder Pimco haben weiterhin eine Lizenz für den US-Markt.

Herr Bäte, Sie haben bei der Bilanzvorlage auch ausdrücklich die Fortschritte in Ihrer Amtszeit seit 2015 gewürdigt. War dies eine vorläufige Schlussbilanz oder eher die Bewerbung für eine weitere Amtszeit?

(lacht)

Herr Bäte, um die Frage kommen Sie nicht herum …

Bäte: Unser Aufsichtsrat fand die Präsentation sehr gelungen. Warten wir doch mal ab. Wir alle haben Spaß an der Arbeit.

Sie haben die Bilanzpressekonferenz trotz Pandemie-Ende rein virtuell ausgerichtet. Werden auch die Hauptversammlungen in den nächsten Jahren nur virtuell stattfinden?

Bäte: Wir werden dies nun ausprobieren. Eine virtuelle Hauptversammlung nach dem neuen Format spart viele Millionen Euro. Außerdem müssen Tausende Leute durch die Gegend fahren. Großveranstaltungen sind also in Hinsicht auf Kosten und Umwelt nicht effizient. Wenn wir aber feststellen, dass eine virtuelle Versammlung nicht funktioniert, dann gehen wir gegebenenfalls wieder zurück zu einem physischen Format. Wir haben da keine Doktrin im Kopf.

Dies klingt so, als ob Sie vorerst keine Ermächtigung für fünf Jahre anstreben.

Bäte: Genau, wir machen auf keinen Fall fünf Jahre. Wir wollen wirklich lernen. Es geht nicht um Präsenz oder Nichtpräsenz, sondern um Effizienz und die Berücksichtigung von Aktionärsinteressen.

Das Interview führte

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