Historische Volatilität

Chinas Corona-Politik zieht Markt­turbulenzen nach sich

Die Null-Covid-Politik Pekings hat das Marktgeschehen in Hongkong 2022 beherrscht. Der Leitindex Hang Seng schließt daher das zweite Jahr in Folge mit einem Minus von 14% ab.

Chinas Corona-Politik zieht Markt­turbulenzen nach sich

Wer chinesischen Aktien 2022 die Treue gehalten hat, den dürfte im neuen Jahr relativ wenig erschüttern. Das Marktgeschehen in Hongkong ist über das gesamte Jahr hinweg von einem Thema beherrscht worden, nämlich dem Corona-Kontrollregime Pekings. Angefangen mit dem zweimonatigen harten Lockdown der Wirtschafts- und Finanzkapitale Schanghai im Frühjahr hat die Null-Covid-Politik eine Verwüstungsspur durch die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft gezogen, die sich in einem beispiellosen Niedergang der Konsumkonjunktur und des Investitionsvertrauens der privaten Unternehmen manifestiert hat.

Dabei entwickelte sich an der von internationalen Investoren stark frequentierten Hongkonger Börse im Januar eine ansehnliche Jahresauftaktrally. Der Leitindex Hang Seng stieg binnen drei Wochen um knapp 8% auf ein 52-Wochen-Hoch von 25050 Punkten. Die US-Zinswende und der russische Angriff auf die Ukraine begannen das Sentiment ab Mitte Februar dann allerdings in heftige Mitleidenschaft zu ziehen. Weichenstellungen auf dem chinesischen Volkskongress Anfang März ließen eine weitere ideologische Verhärtung der Parteiführung und ein unerbittliches Durchziehen der Corona-Restriktionen erkennen, der Hang Seng brach darauf auf 18000 Punkte ein.

Eine Beschwichtigungsaktion der Regierung mit Versprechen eines marktfreundlicheren Kurses, flexiblerer Corona-Kontrollen und monetärer Konjunkturimpulse trieben den Hongkonger Index zunächst zwar auf über 22000 Punkte. Dann allerdings machte der Lockdown in Schanghai den Anlegern die Unterwerfung des chinesischen Wirtschaftskurses gegenüber der Null-Covid-Politik schmerzhaft deutlich. Daraus resultierte eine denkwürdige Baisse, die den Hang Seng Ende Oktober auf ein 13-Jahres-Tief von 14600 Punkten abrutschen ließ.

Wenige Tage später sah Chinas Börsenwelt wieder anders aus. Aus einem Social-Media-Gerücht über Lockerungen der Null-Covid-Politik entsprang eine Hoffnungsrally: In den ersten zwei Novemberwochen zog der Hang Seng um über 25% an, es folgte angesichts der Unsicherheit über die tatsächliche Lockerungsbereitschaft eine hochvolatile Phase. Anfang Dezember schaffte Peking dann ruckartig praktisch alle Corona-Restriktionen ab.

Nun müssen Marktteilnehmer abwägen, ob die Wende in der Corona-Politik Jubelszenarien über Chinas wirtschaftliche Wiedereröffnung rechtfertigt oder aber ein hoher wirtschaftlicher Preis für die nun tatsächlich in China grassierende Corona-Ansteckungswelle gezahlt werden muss. Der Hang Seng ist Ende Dezember wieder nahe an die Marke von 20000 Punkten gerückt. Damit bleibt trotz der gewaltigen Hausse in den beiden letzten Jahresmonaten seit Anfang Januar gerechnet ein Minus von 14% bestehen, und das nun im zweiten Jahr in Folge.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

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