Fintechs

Cluster fördern Transformation der Finanzindustrie

Europas führende Finanzzentren haben gute Voraussetzungen, um Ökosysteme für digitale Innovationen zu schaffen. Eine gezielte Förderung kann dabei den Aufbau lebendiger Innovationscluster beschleunigen.

Cluster fördern Transformation der Finanzindustrie

Die Finanzindustrie steckt mitten in einer grundlegenden Transformation. Die Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft, sich wandelnde Kundenanforderungen, der demografische Wandel und eine stark gestiegene Regulierung lassen sich nur mithilfe der Digitalisierung von Prozessen, innovativen Produkten und neuen Geschäftsmodellen be­wältigen. Damit verändert sich auch das Wettbewerbsumfeld. Neue Player kommen hinzu. Beispielsweise halten es sieben von zehn Entscheidern aus der Finanzindustrie für möglich, dass Finanzprodukte künftig auch über E-Commerce-Plattformen vertrieben werden, so das Ergebnis einer Umfrage von Luxembourg for Finance (LFF) aus dem vergangenen Jahr.

Raum für Innovationen

Um die großen Aufgaben der Zukunft zu lösen, braucht es neben neuen Anbietern die Gestaltungskraft der etablierten Finanzinstitute. Sie haben sich über Jahrzehnte Zugang zu Kapital, vertrauensvolle Kundenbeziehungen und Kompetenzen aufgebaut, die für eine erfolgreiche Dekarbonisierung und Modernisierung der europäischen Wirtschaft entscheidend sind. Ihre Kompetenz im Risikomanagement und der Regulierungsumsetzung fördern die Stabilität des Finanzsystems. Eine „schöpferische Zerstörung“ – so hatte der berühmte Ökonom Joseph Schumpeter die Verdrängung durch neue Technologien und Services beschrieben – ist daher keine Option. Vielmehr müssen alle Finanzmarktakteure zusammenarbeiten, um Innovationen voranzutreiben und diese in etablierte Geschäftsmodelle zu integrieren.

Finanzzentren haben hierbei eine Schlüsselfunktion. Aus der Vielzahl der hier ansässigen Finanzmarktakteure und der Vielfalt an Kompetenzen entstehen Ökosysteme, die Innovationen ermöglichen. Gründerzentren können diese Standortvorteile für Start-ups nutzbar machen, indem sie den Austausch zu innovativen Ansätzen und Technologien entlang der verschiedenen Wertschöpfungsschritte fördern. Die sich herausbildenden Cluster, beispielsweise für Payments, Technologien zur Regulierung, Blockchain, Insurtech, Fundtech und vieles mehr, unterstützen Entwicklung und Wachstum der spezialisierten Fintechs.

Die jungen Finanzunternehmen können so gemeinsam ähnliche Fragestellungen bearbeiten, Interdependenzen frühzeitig erkennen und gegenseitig von ihrem Know-how profitieren. Auch die hohen Anforderungen der Fintechs an die IT-Infrastruktur, wie zum Beispiel eine schnelle Internetverbindung und der Zugang zu sicheren Datenzentren, lassen sich über eine zentrale Ansiedlung besser abbilden. Noch wichtiger ist die Vernetzung von Start-ups und etablierten Finanzinstituten. Fintechs gewinnen so einen kurzen Draht zu ihren potenziellen Kunden, um ihre Entwicklungsarbeit weiter zu verfeinern.

Dies ist insbesondere für den häufig aufwendigen Due-Diligence-Prozess hilfreich, für den eine Reihe standardisierter und spezifischer Anforderungen zu erfüllen sind. Über den Aufbau einer gemeinsamen Testumgebung und den gegenseitigen Erfahrungsaustausch lässt sich der Due-Diligence-Prozess weiter vereinfachen. Im Ergebnis können neue Services und Produkte so schneller unter realen Bedingungen getestet und damit marktfähig gemacht werden.

Aber nicht nur die Fintechs profitieren von der Cluster-Bildung. Vielmehr unterstützen die Cluster das Trend- und Technologie-Scouting der etablierten Institute. Die Gründerzentren vernetzen sich weltweit mit anderen führenden Clustern, Forschungsstätten und Technologieunternehmen, die Zugang zum jeweiligen Markt suchen. Die Finanzinstitute erfahren so über die Gründerzentren, an welchen Themen und Technologien weltweit gearbeitet wird, und erhalten damit Impulse für die technologische Entwicklung in ihren Geschäftsfeldern. Das Luxembourg House of Financial Technology (LHoFT) bindet hierzu Entscheider aus den Finanzinstituten in den Gremien ein und gestaltet einen breiten Austausch über regelmäßige Workshops und Webinare, in denen unter anderem die Fintechs ihre Ideen präsentieren. All dies fördert den Wissenstransfer zwischen Start-ups und etablierten Finanzinstituten.

Neben einer engen Vernetzung mit den etablierten Finanzinstituten brauchen die jungen Finanzunternehmen Zugang zu Kapital, um ihre Wachstums- und Entwicklungsschritte umsetzen zu können. In Luxemburg hat es sich bewährt, hierfür Venture Capital und Private Equity Fonds frühzeitig im LHoFT einzubinden. So entwickelt sich eine enge Zusammenarbeit zwischen Kapitalgebern und Fintechs. Unternehmerische Chancen und Risiken lassen sich so besser einschätzen, was die Finanzierung entlang der Wachstumsphasen erleichtert.

Europa stärken

Europas führende Finanzzentren haben mit ihrer Vielfalt an Kompetenzen gute Voraussetzungen, um Ökosysteme für digitale Innovationen zu schaffen. Eine gezielte Förderung kann dabei den Aufbau lebendiger Innovationscluster beschleunigen. Seit seiner Gründung vor rund fünf Jahren hat das LHoFT bereits mehr als 140 Firmen unterstützt. Durch die Zusammenarbeit verschiedener Akteure am Finanzplatz beschäftigen Fintechs im Großherzogtum heute bereits mehr als 5 000 Mitarbeiter. Dies zeigt das große Potenzial, das innovative Technologien neuen wie etablierten Unternehmen bieten. Entwickeln sich Europas Finanzzentren zu Ökosystemen mit einer gezielten Förderung von Fintechs weiter, wird die Transformation der Finanzindustrie gelingen und damit Europas Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit langfristig gestärkt.

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