Siemens

Zahlen in Zeiten des Krieges

Nach Ablauf des zweiten Quartals stellt Siemens die Prognose für das gesamte Geschäftsjahr auf den Prüfstand. Das Russland-Engagement ist gering, dennoch sind die Risiken groß.

Zahlen in Zeiten des Krieges

mic München

Eine starke Nachfrage auch bei den hochprofitablen Kurzzyklikern, hohe Preise beim Verkauf von Randaktivitäten und ein Umsatzsprung von 9 % auf vergleichbarer Basis. Kein Wunder, dass Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas bei Vorlage der Zahlen des ersten Quartals ankündigte, die Prognose für das Geschäftsjahr zur Veröffentlichung der Halbjahreszahlen am 12. Mai zu überprüfen. „Wir sehen Potenzial, das obere Ende unseres EPS-Zielkorridors zu erreichen oder sogar zu überschreiten“, sagte er.

Mittlerweile allerdings hat Russland das Nachbarland Ukraine mit einem Angriffskrieg überzogen. Dies bedeutet nicht, dass Siemens am kommenden Donnerstag für die Monate Januar bis März einen Dämpfer wird präsentieren müssen – die Tochter Healthineers hat mit ihren Quartalszahlen und einer Prognoseanhebung bereits demonstriert, wie gut das Geschäft laufen kann. 18 Analysten erwarten angesichts übervoller Siemens-Auftragsbücher im Schnitt einen Anstieg des vergleichbaren Umsatzes um 7,3 %, der Auftragseingang wird demnach sogar mit mehr als dem doppelten Tempo zulegen. Das Ergebnis des industriellen Geschäfts sollte nach Meinung der Kapitalmarktexperten 2,4 Mrd. Euro betragen nach 2,1 Mrd. Euro und 1,6 Mrd. Euro in den zweiten Quartalen der beiden Vorjahre.

Auch die Sanktionen gegen Russland dürften keine gravierenden Spuren hinterlassen. Der Umsatz in dem Land beträgt nur rund 1 %. Ein Vertrag über die Lieferung von 13 Hochgeschwindigkeitszügen dürfte auf Eis gelegt sein. Öffentlich unklar ist, inwieweit die Siemens-Finanzierungseinheit SFS Kredite abschreiben muss. Trotzdem trifft die Zeitenwende auch Siemens mit voller Wucht. Der Aktienkurs, der zu Jahresbeginn noch bei mehr als 150 Euro lag, notierte Donnerstagabend bei 116,58 Euro. Analysten wie An­dreas Willi von J.P. Morgan diagnostizieren eine attraktive Bewertung aus der Sicht potenzieller Aktienkäufer.

Allerdings sind auch die Risiken beeindruckend. Die Politik Chinas, auf Covid-19-Infektionen mit dem Lockdown von Millionenstädten und Häfen zu reagieren, bleibt eine Zeitbombe. Es ist nicht zu kalkulieren, wann sie an welcher Stelle hochgeht. Dies mag jedoch ein vorübergehendes Thema sein. Wesentlich wichtiger für Siemens ist auf lange Sicht, ob die Weltwirtschaft tatsächlich in Blöcke zerfällt oder China gar imperialistische Aktionen startet, so wie es Russland aktuell tut. Siemens, einst ein Profiteur der Globalisierung, würde darunter strukturell und dauerhaft leiden.