Defense-Branche

Analysten stehen auf Rüstungsaktien

Rüstungsaktien gehören derzeit zu den Lieblingen der Analysten. Sie profitieren von den sehr stark gestiegenen Rüstungsausgaben der westlichen Länder und den weltweiten geopolitischen Konflikten.

Analysten stehen auf Rüstungsaktien

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Das Thema ESG (Environmental, Social, Governance) ist in aller Munde. Es gibt jedoch eine an der Börse sehr erfolgreiche Branche, die so ziemlich exakt das Gegenteil von ESG ist: die Rüstungsindustrie. So hat beispielsweise der wohl bekannteste deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall im bisherigen Jahresverlauf einen Kursanstieg von 92% verzeichnet. Dies vergleicht sich mit einem Verlust des Dax im gleichen Zeitraum von 18%. Die Börsenparty bei den europäischen Waffenherstellern ist aktuell meist deutlicher ausgefallen als bei den amerikanischen Wettbewerbern, bei denen schon in den vergangenen Jahren sehr starke Kursanstiege zu verzeichnen waren.

Damit stellt sich die Frage, wie die weiteren Aussichten für die Branche sind. Zwar werden die westlichen Staaten bemüht sein, in den kommenden Jahren aufgrund der immer unsicherer werdenden geopolitischen Lage ihre Rüstungsausgaben weiter hochzufahren und neue Investitionsprogramme aufzulegen. Andererseits droht aber der Wirtschaftskrieg gegen Russland und zunehmend auch China für den Westen verloren zu gehen, was die Finanzkraft und damit auch die Rüstungsausgaben der westlichen Staaten begrenzen dürfte. Zudem sind die Perspektiven für die einzelnen Konzerne und Aktien unterschiedlich, unter anderem in Abhängigkeit davon, ob die angebotenen Technologien für die drohenden symmetrischen Konflikte besonders nützlich sind oder nicht und ob die bereits erreichten Bewertungsniveaus der Aktien weitere Kurszuwächse zulassen. Zu beachten ist auch, dass es sich oftmals nicht um reine Rüstungskonzerne handelt und dass die anderen Geschäftsaktivitäten, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten manchmal sogar das Rüstungsgeschäft über Wasser hielten, nun in Zeiten der Rezession selbst zur Belastung geworden sind.

Von ihren Produkten her ein Profiteur der geopolitischen Krisen ist ohne Zweifel Rheinmetall. Mit dem von dem Unternehmen vorgestellten neuen Kampfpanzer KF51 „Panther“ besteht erstmals eine Chance, dem russischen T-14 „Armata“ Paroli zu bieten. Für den KF51 wurde die Bezeichnung eines Panzers aus dem Zweiten Weltkrieg gewählt, der vornehmlich gegen die Sowjetunion eingesetzt wurde – daran wird deutlich, auf welche Kontrahenten die Entwicklung des Panzers ausgerichtet ist. Allerdings gibt es noch das konkurrierende deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt Main Ground Combat System (MGCS), das freilich unter den für derartige Projekte typischen Verzögerungen und Rivalitäten leidet. Der deutsch-französische Panzer dürfte erst 2040 einsatzbereit sein, wodurch sich die Chance bietet, mit dem KF51 die Lücke zu füllen. Stark gefragt sind auch die von 120 mm auf 130 mm Kaliber aufgebohrten Glattrohrkanonen des Konzerns, die quasi der Standard der gesamten westlichen Panzertechnik geworden sind. Chancen werden auch dem leichten Panzer „Lynx“ gegeben, der inzwischen auch mit der schweren 120-mm-Kanone erhältlich ist.

Allerdings hat der Konzern bei der Vorlage seines Quartalsergebnisses am 5.August eingeräumt, dass sich die für 2022 erhofften Auftragseingänge verzögern. Das habe auch Auswirkungen auf die Umsatzplanung für 2023. Für das Rüstungsgeschäft sind für 2023 nur 5,5 Mrd. Euro Umsatz in der Planung, zuvor waren es 5,5 bis 6 Mrd Euro. Zudem leidet das Autozuliefergeschäft unter der nur schleppenden Erholung und den Lieferkettenproblemen der Automobilbranche. Die Deutsche Bank stuft die Aktie mit Blick auf das Kursniveau nur mit „Hold“ ein, weist aber auf die zu erwartenden Großaufträge hin – immerhin will allein Deutschland zusätzlich 113 Mrd. Euro für Rüstung ausgeben. Nach einer Schätzung von Bloomberg Intelligence würden für einen Krieg mit Russland europaweit rund 5000 neue Kampfpanzer benötigt, was rund 24 Mrd. Euro erfordert. Auf Basis der Erwartungen von 13 Banken stufen die Analysten die Aktie im Durchschnitt mit „Buy“ ein.

Leer ausgegangen

Airbus ist zuletzt bei vielen Großaufträgen leer ausgegangen, in Europa setzen sich zunehmend amerikanische Rüstungsgüter durch. So wollen Deutschland und die Schweiz trotz dessen zahlreicher technischer Probleme das Kampfflugzeug F-35 von Lockheed Martin bestellen, was viele europäische Länder bereits getan haben, zumal der von Airbus hergestellte Eurofighter „Typhoon“ als veraltet gilt. Gleichwohl sind Großaufträge für die Modernisierung der im Einsatz befindlichen Typhoons zu erwarten, und Airbus sitzt auch mit im Boot, wenn Deutschland neue amerikanische Hubschrauber des Typs CH-47F Chinook beschafft. Zu beachten ist aber stets, dass bei Airbus mit im ersten Quartal 2,4 von insgesamt 8,5 Mrd. Euro nur ein kleinerer Teil der Erlöse auf das Rüstungsgeschäft entfällt. Auf Basis von 18 Einzelschätzungen raten die Analysten im Durchschnitt zum Kauf der Aktie. Im bisherigen Jahresverlauf hat die Aktie, unter anderem als Ergebnis der Probleme bei den Auslieferungen von Zivilflugzeugen, rund 12% an Wert eingebüßt.

Die Analysten von J.P. Morgan haben jüngst die Aktie des britischen Konzerns BAE Systems von „Neu­tral“ auf „Overweight“ hochgestuft, bei einem von 8,70 Pfund auf 9,65 Pfund angehobenen Kursziel. Nachdem BAE Systems über viele Jahre unter hoher Verschuldung und Belastungen durch den Pensionsfonds litt, hat sich die Lage nun gebessert. Jüngst wurde sogar ein Aktienrückkaufprogramm im Volumen von 1,5 Mrd. Pfund angekündigt. Eine der großen Stärken von BAE Systems liegt darin, dass der Konzern in den USA, somit im größten Rüstungsmarkt der Welt, vertreten ist. Allerdings ist die Bewertung auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren. Seit Anfang des Jahres hat die Aktie fast 40% an Wert zugelegt. Die durchschnittliche Einstufung der Aktie auf Basis von 16 Einzelschätzungen liegt bei „Overweight“.

Der größte US-Rüstungskonzern Lockheed Martin hat im laufenden Jahr bereits 21% an Wert zugelegt. 20 Analysten, die die Aktie auf ihrem Radarschirm haben, raten im Durchschnitt dazu, die Aktie zu übergewichten. Wettbewerber Raytheon hat im laufenden Jahr lediglich knapp 9% an Aktienwert zugelegt. 22 Analysten stufen die Aktie im Durchschnitt ebenfalls mit „Overweight“ ein. Auf europäischer Seite hat die Aktie von Dassault Aviation seit Jahresbeginn stolze 44% dazugewonnen, die durchschnittliche Empfehlung von zehn Analysten lautet auf „Overweight“. Der italienische Rüstungskonzern Leonardo verzeichnet im gleichen Zeitraum einen Kurszuwachs von 32%, hier raten 15 Analysten überwiegend zum Kauf. Die französische Thales ist im laufenden Jahr ebenfalls sehr erfolgreich mit einem Wertzuwachs von 63%. Der Durchschnitt von 15 Analystenempfehlungen lautet gleichwohl immer noch auf „Overweight“.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.