Devisenwoche

Auch das Jahr 2023 wird heraus­fordernd

Für den Währungsmarkt wird das Jahr 2023 fraglos erneut große Herausforderungen bereithalten. Rezession, Inflation, geopolitische Unsicherheiten und politische Risiken pflastern den Weg, der vor uns liegt.

Auch das Jahr 2023 wird heraus­fordernd

Von Sonja Marten *)

Das Jahr 2022 war erneut ein Jahr der Krisen. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar wurden die Karten nicht nur geopolitisch, sondern auch wirtschaftlich neu gemischt. Was blieb, war die enorme Unsicherheit darüber, wie es weitergehen würde. Die zu Beginn der Invasion vorherrschende Einschätzung, dass sich der Krieg als heftig, aber kurz erweisen würde, stellte sich als weitaus zu optimistisch heraus, ebenso wie der Glaube daran, dass russisches Gas auch im Winter 2022/23 weiter nach Europa fließen würde. Viele Länder befinden derzeit bereits in einer Rezession oder zumindest auf dem direkten Weg dorthin. Die sich gleichzeitig überschlagende Inflationsdynamik hat die Zentralbanken einen bis dato ungekannten Zinserhöhungsturbo einlegen lassen.

Der Status quo ist noch immer klar von Notenbanken in Alarmbereitschaft geprägt, so langsam zeichnet sich jedoch mit Blick auf 2023 ein Stimmungswandel ab: Zinserhöhungen werden weiterhin für grundsätzlich notwendig er­achtet, es müssen aber eben nicht mehr die Jumbo-Schritte der letzten Monate sein. Danach dürfte eine Plateaubildung mit geldpolitischem Stillhalten einsetzen, in der die Währungshüter die inflationsbremsende Wirkung der bisherigen Straffungen genau beäugen. Die größte Aufmerksamkeit erfährt fraglos die Diskussion um die US-No­tenbank und die EZB. Wir rechnen damit, dass die EZB ihren letzten Zinserhöhungsschritt im aktuellen Zyklus im Mai vornimmt, die Fed wird wohl etwas früher fertig sein. Zinssenkungen sehen wir hier über unseren Prognosehorizont bis Ende 2023 nicht, auch wenn die bevorstehende US-Rezession entsprechende Marktspekulationen am Leben erhält.

Für den Währungsmarkt wird das Jahr 2023 fraglos erneut große Herausforderungen bereithalten. Rezession, Inflation, geopolitische Unsicherheiten und politische Risiken pflastern den Weg, der vor uns liegt. In diesem Umfeld ist es äußerst schwierig, klare Gewinner im Währungssegment zu identifizieren. Relativ traditionellen Mustern dürften vor allem australischer Dollar, norwegische Krone und schwedische Krone folgen – drei Währungen, die u.a. davon profitieren sollten, dass ihre Zentralbanken bis in die zweite Jahreshälfte 2023 weiter an der Zinserhöhungsschraube drehen werden. Das perfekte Gegenbeispiel ist hierzu das britische Pfund, für das wir trotz den von uns unterstellten Zinserhöhungen keine zusätzliche Aufwertung erwarten. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass wir davon ausgehen, dass die britische Wirtschaft eine tiefe Rezession durchlaufen wird, die sich bis in die Mitte des kommenden Jahres hinziehen dürfte. Aus Sicht des Pfundes kommt natürlich auch die politische Lage erschwerend hinzu. Zwar ist es der Regierung unter Rishi Sunak gelungen, wieder etwas Stabilität herzustellen, es bleiben jedoch signifikante Risiken bestehen.

Keine rasante Talfahrt

Rezessionssorgen belasten auch in der Eurozone und in den USA den Blick auf das Jahr 2023. Insbesondere der Dollar hat zuletzt unter der Erkenntnis, dass sich die Fed dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus nähert, gelitten. Historisch betrachtet könnte die Kombination aus einer ausgewachsenen US-Rezession und einer Beendigung des Erhöhungszyklus durchaus eine dynamische Abwertung des Dollars nahelegen. Dem steht jedoch entgegen, dass sich die US-Rezession auf globaler Ebene in guter Gesellschaft befindet. Der Dollar sollte im kommenden Jahr daher zwar abwerten, aber keine rasante Talfahrt hinlegen. Einer der Profiteure eines schwächeren Dollars ist sicherlich der Euro, der angesichts der Risiken vor seiner Haustür wirklich jegliche Schützenhilfe gebrauchen kann. Die Zinserhöhungen der EZB und der im Frühjahr 2023 anstehende Beginn des Quantitative Tightenings sollten dem Euro dabei helfen, sich fest oberhalb der Parität zu stabilisieren. Eine signifikante Aufwertung über die Marke von 1,10 Dollar trauen wir ihm dennoch nicht zu.

Während manche Währungen durchaus aktive Unterstützung durch die heimische Geldpolitik erfahren, gibt es natürlich auch Währungsräume, in denen die Geldpolitik eher als Risiko gesehen wird. Dies trifft natürlich im besonderen Maße auf die Türkei zu, wo die Zentralbank (bzw. die Regierung) an ihrer extrem unorthodoxen Strategie festhält und versucht, das Inflationsproblem mit Zinssenkungen zu bekämpfen. Die Lira leidet und wird auch im kommenden Jahr fraglos das Nachsehen haben. Zwar ist es der Regierung mit diversen Unterstützungsmaßnahmen gelungen, eine dramatische Abwertung zu verhindern, eine nach­haltige Trendumkehr wird unter den gegebenen Voraussetzungen jedoch kaum gelingen.

Yen bleibt belastet

Ebenfalls geldpolitisch belastet bleibt der Yen, der unter dem sturen Festhalten der Bank of Japan an ihrem ultra-expansiven Kurs leidet. Dass man im Finanzministerium mittlerweile ganz offen versucht dagegenzuhalten, sorgt allenfalls für noch größere Verunsicherung. Auch nach der im April anstehenden Neubesetzung des Chefpostens bei der BoJ ist eine komplette Neuorientierung der japanischen Geldpolitik unwahrscheinlich, so dass wir dem Yen gegenüber dem Euro nicht mehr als eine Stabilisierung auf niedrigen Niveaus zutrauen.

Auch der Schweizer Franken wird im kommenden Jahr wohl keine Rückendeckung (mehr) durch seine Nationalbank erhalten. Der Inflationsdruck, der sich in der Schweiz ohnehin später und dann in geringerem Ausmaß als in vielen anderen Ländern aufgebaut hatte, lässt bereits seit dem Spätsommer nach. Im Frühjahr 2023 sollte das SNB-Ziel von 2% dann schon wieder erreicht sein. Dies, in Kombination mit der nachlassenden Nachfrage nach sicheren Häfen, dürfte den Franken abwerten lassen.

Das Jahr 2023 wird für den Währungsmarkt erneut große Herausforderungen bereithalten. Rezession, Inflation, geopolitische Unsicherheiten und politische Risiken pflastern den Weg, der vor uns liegt. Einige der Problemfelder, die uns im Jahr 2022 in Atem gehalten haben, sind mittlerweile geklärt, viele verbleiben jedoch.

In diesem Umfeld ist es äußerst schwierig, klare Gewinner im Währungssegment zu identifizieren. Der Dollar, der trotz seiner zuletzt erlittenen Verluste als klarer Sieger aus dem Jahr 2022 hervorgeht, dürfte im kommenden Jahr nicht mehr eindeutig dominieren. Der Euro sollte sich wieder solider präsentieren, große Sprünge trauen wir ihm angesichts der weiterhin sehr schwierigen Lage jedoch ebenfalls nicht zu.

*) Sonja Marten ist Leiterin Re­search Devisen und Geldpolitik der DZ Bank.

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