Unternehmensanleihen

Branchenrotation am Kreditmarkt

Am Kreditmarkt findet derzeit eine Branchenrotation statt. Der Anlagebedarf der Investoren ist hoch, und das deutlich gestiegene Zinsumfeld treibt das Kaufinteresse für Corporates an.

Branchenrotation am Kreditmarkt

Von Carsten Lüdemann*)

An den Kapitalmärkten ist das erste Quartal schwach ausgefallen. Abgesehen von Rohstoffen und Edelmetallen weisen fast alle Assetklassen eine negative Performance aus. Die Kreditmärkte machen da keine Ausnahme. Extreme Inflationsraten und eine starke Verunsicherung durch den Ukraine-Krieg setzen den Märkten arg zu. Eu­ropäische Unternehmensanleihen weisen seit Jahresbeginn einen Total Return von minus 6,5% aus. High-Yield-Anleihen, die von höheren laufenden Kupons und einer insgesamt kürzeren Duration profitieren, haben knapp 5% verloren. Beide Anlageklassen liegen damit im­merhin besser als Bundesanleihen (−8%) oder italienische Staatsanleihen (−8,5%). Allerdings ist der größte Teil dieser ­Verluste dem dramatisch gestiegenen Zinsumfeld geschuldet und weniger einer zunehmenden Risikoaversion.

Tatsächlich sind die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen wieder auf das Niveau von vor dem Kriegsausbruch zurückgefallen. Das ist bemerkenswert, zumal sich durch Konjunkturabschwächung, Materialengpässe und teils drastisch gestiegene Einkaufspreise – als Kriegsfolge – die Geschäftsaussichten für viele Unternehmen vor allem in Europa deutlich eingetrübt haben sollten. Auf der anderen Seite war die Konjunkturentwicklung bis zum Kriegsausbruch durchaus erfreulich. Trotz sehr vieler Corona-Ansteckungen setzten sich zunehmend Lockerungstendenzen durch, und an den Märkten wurden daraufhin die Umsatz- und Gewinnerwartungen für das erste Quartal, aber auch für das Gesamtjahr spürbar angehoben. Für den Stoxx 600 wird für die jetzt beginnende Berichtssaison für das erste Quartal vom Konsens der Analysten ein Umsatzwachstum um knapp 20% erwartet. Die Gewinne sollten demnach um etwa 17% ansteigen.

Große Unterschiede

Innerhalb des Gesamtindex gibt es dabei gleichwohl große branchenspezifische Unterschiede. Den weitaus größten Anteil an den erwarteten Wachstumsraten tragen Unternehmen aus dem Energiesektor bei. Der Grund: Diese profitieren stark von den seit Herbst kräftig gestiegenen Energiepreisen. Gleiches gilt für Firmen aus dem Bereich der Grundstoffe wie Metalle und Holz. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch einige Branchen, die bereits im ersten Quartal bei den Erträgen deutlich geschwächelt haben dürften, allen voran der Finanzbereich. Dies liegt teilweise an dem sehr starken Vergleichsquartal vor einem Jahr, als viele Finanzinstitute zwar hervorragende Ergebnisse eingefahren hatten, diese jedoch 2022 so bislang nicht wiederholen konnten.

An den Kreditmärkten werden Unternehmensmeldungen oft mit anderen Augen gesehen als von Aktionären. So werden beispielsweise hohe Dividenden oder Aktienrückkäufe als Ergebnisbeteiligung im Normalfall mit Aktienkursgewinnen gefeiert, während diese für die Gläubiger substanzbelastend sind und den Verschuldungsgrad negativ beeinflussen. Gerade in den USA werden oftmals sogar extra Schulden per Unternehmensanleihen aufgenommen, um hohe Ausschüttungen zu finanzieren. Am Kreditmarkt haben im ersten Quartal – teilweise durchaus im Gegensatz zur Aktienmarktentwicklung – Versorger, Industrietitel, darunter vor allem der Chemiebereich, und besonders Firmen aus der Rohstoff- und der Reisebranche schlechter als der Gesamtmarkt ab­geschlossen. Leicht positiv haben sich dagegen der Gesundheitsbereich und der Bankensektor absetzen können. Während beispielsweise der Automobilsektor, der besonders stark unter Lieferschwierigkeiten leidet, am Aktienmarkt seit Jahresbeginn deutlich underperformt, gehört dieser am Kreditmarkt zu den relativen Gewinnern.

Insgesamt sind die Divergenzen am Kreditmarkt jedoch deutlich ge­ringer als bei Aktien. Einzelne Ergebnisabweichungen wirken sich hier nicht unbedingt gleich nachhaltig auf den Verschuldungsgrad des Unternehmens aus. Für die Gläubiger eines Unternehmens ist vielmehr die mittel- bis langfristige Zahlungsfähigkeit der wichtigste Bewertungsfaktor. Vor diesem Hintergrund kann es für einen Investor in Unternehmensanleihen durchaus leichter sein, durch temporäre Verwerfungen hindurchzuschauen und auf bessere Zeiten zu warten. Vorausgesetzt natürlich, die Finanzierung der betroffenen Ge­sell­schaft ist abgesichert. Hierbei spielt die EZB eine entscheidende Rolle. Es darf angenommen werden, dass die Notenbanker selbst bei ihrer großen Sorge um ausufernde Inflationsraten die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen stets im Blick behalten werden.

Blick in die Zukunft

Wichtiger als die bisherigen Ergebnisse ist für die Kapitalmarktteilnehmer regelmäßig der Blick auf künftige Entwicklungen. Dementsprechend wird bei der anstehenden Quartalsberichtssaison der Fokus auf den Ergebnisprognosen der Unternehmen selbst liegen. In den zurückliegenden Wochen haben einige Konzerne bereits Umsatz- und Gewinnwarnungen herausgegeben, und die zunehmende Verknappung von Rohstoffen und Vorprodukten sowie die stark steigenden Energiekosten dürften viele Firmen veranlassen, die weiteren Geschäftsaussichten vorsichtiger zu formulieren. Dies wird insbesondere für von Sanktionen hart betroffene Branchen gelten. Wichtig ist die Einschätzung, ob die stark gestiegenen Vorlaufkosten an die Kunden weitergegeben werden können. Manchen Unternehmen gelingt es aktuell sogar, ihre Margen darüber hinaus noch zu erhöhen. Die großen deutschen Autokonzerne haben beispielsweise ihre teuren Luxusmodelle bei der Zuteilung knapper Materialien bevorzugt, weil sie hier deutlich höhere Gewinnspannen bei ihrer nicht ganz so kostenempfindlichen Kundschaft durchsetzen können. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass sich Autohersteller zuletzt am Kreditmarkt besser entwickelten als am Aktienmarkt. Die höheren Margen bei nachlassenden Umsätzen stärken die Finanzkraft, doch ist dieser Effekt nicht beliebig skalierbar, wie es sich ein Aktieninvestor wünschen würde.

Trotzdem erscheint der Autosektor für Kreditinvestoren inzwischen vergleichsweise teuer, denn die große Verunsicherung der Konsumenten und die stark steigenden Preise, vor allem für Energie, dürften Verbraucher zunächst vor hohen Investitionen zurückschrecken lassen. Insgesamt sollten die zyklischen, verbraucherorientierten Branchen in nächster Zeit stärker unter Abgabedruck geraten als andere. Ebenso werden stark energieabhängige Bereiche Schwierigkeiten bekommen, ihre Kosten weiterreichen zu können, oder gar gezwungen werden, ihre Produktion zurückzufahren, wie es beispielsweise die chemische Industrie befürchtet, wenn der Gashahn aus Russland abgedreht werden sollte. Positiver sind dagegen die Aussichten für Rohstoff- und Energieförderer. Auch Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Gesundheit, aber auch Supermarktketten sollten in nächster Zeit gute Geschäftsbedingungen vorfinden. In jedem Fall ist der Anlagebedarf der Investoren hoch, und das deutlich gestiegene Zinsumfeld treibt das Kaufinteresse für Corporates an.

*) Carsten Lüdemann ist im MakroResearch der DekaBank tätig.

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