Emerging Markets

Das Schlimmste ist über­standen

Die Emerging Markets haben nach den diversen zurückliegenden Schocks wahrscheinlich das Schlimmste überstanden. Anleger können nun verbesserte Chancen vorfinden.

Das Schlimmste ist über­standen

Trotz des Zusammentreffens mehrerer noch nie dagewesener Schocks haben sich die Schwellenmärkte (Emerging Markets, EM) als widerstandsfähig erwiesen. Es gibt kaum Anzeichen für eine Krise auf breiter Basis. Die EM scheinen sich in einer guten Ausgangslage für eine stärkere Performance zu befinden.

Die hohen realen – oder inflationsbereinigten – Zinssätze der Schwellenländer puffern die Risiken eines Überschwappens weiterer Zinserhöhungen durch die US-Notenbank (Fed) und die Auswirkungen des starken US-Dollar ab. Die Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft sorgt für Rückenwind, und es scheint, als seien der Höhepunkt der Inflation und der Druck auf die Geldpolitik nun überschritten.

Strukturell unterbewertet

Strukturelle Kräfte wie die stärkere Entwicklung der lokalen Märkte oder die Nahverlagerung unterstützen die Fundamentaldaten der Schwellenländer. Das Ausmaß der Mittelabflüsse aus den Schwellenländern im letzten Jahr deutet darauf hin, dass die Anlageklasse jetzt sowohl strukturell als auch zyklisch unterbewertet ist, während die Bewertungen der Schwellenländer unserer Ansicht nach historisch günstig sind. Infolgedessen sind wir in Bezug auf die Schwellenländer insgesamt und ausgewählte lokale Schuldtitel im Besonderen zunehmend positiv eingestellt. Dennoch bleiben wir vorsichtig, bis die Aussichten für die Geldpolitik klarer werden. Viel wird von der Fähigkeit der Fed abhängen, die Inflation zu zähmen und von der Fähigkeit Chinas, die Wirtschaftstätigkeit zu reaktivieren. So ziemlich alles, was in den Schwellenländern potenziell schiefgehen könnte, ist 2022 eingetreten: Pandemie, der Krieg in der Ukraine, rasche Zinserhöhungen der Fed, rasant steigende Energie- und Lebensmittelpreise, Chinas Zero-Covid-Strategie, der Aufstieg populistischer Regimes und auch länderspezifische Klimaprobleme. Dennoch hat sich die Mehrheit der Schwellenländer auf das BIP-Niveau vor der Pandemie erholt.

Diese Widerstandsfähigkeit wird sich wahrscheinlich auch 2023 fortsetzen. Die Schwellenländer profitierten von proaktiven Zentralbanken, die – anders als in früheren Episoden – der Inflationsbekämpfung Vorrang vor dem Wachstum einräumten. Hierbei handelten sie früher als die Industrieländer, indem sie die Realzinsen deutlich über das neutrale Niveau anhoben.

Infolgedessen ist die Gesamtinflation zwar noch immer hoch, aber der Höhepunkt scheint hinter uns zu liegen. Die Kerninflation in den Schwellenländern entspricht in etwa den Trends in den entwickelten Märkten. Mit Blick auf die Zukunft signali­sieren die hohen, vom Markt er­warteten realen Zinssätze in den Schwellenländern, dass die politischen Entscheidungsträger in den Schwellenländern wahrscheinlich wachsam bleiben werden. Dadurch dürften die Inflationserwartungen verankert blei­ben und bis 2024 unter den Inflationszielen liegen.

Impulse durch China

Seit der globalen Finanzkrise hat China die USA und Europa als Wachstumstreiber der EM abgelöst. China hat sich von einem Endverbraucher von Rohstoffen zu einem Rädchen in der globalen Produktion und zu einem Verbraucher von Waren und Dienstleistungen aus den Schwellenländern entwickelt, beispielsweise auch im Touristikbereich.

Da wir in Pimcos Basisszenario für China im Jahr 2023 ein Wachstum im Vergleich zum Vorjahr um 5 bis 5,5% erwarten, werden die Schwellenländer selbst im Falle einer Re­zession in den Industrienationen wahrscheinlich widerstandsfähig bleiben.

Wir gehen davon aus, dass sich das Wachstum in den Schwellenländern von 5,5 auf 3,5% verlangsamen wird, wenn sich die Abschwächung der Konjunktur in den Industrie­nationen bemerkbar macht und sich die Produktionslücken in den Schwellenländern schließen. Dies spiegelt jedoch nicht in vollem Um­fang die Vorteile der Wiederöffnung Chinas wider. Wir erwarten, dass dies in der ersten Hälfte des Jahres 2023 einsetzt und sich in der zweiten Hälfte beschleunigt.

Die Preiskorrektur im Jahr 2022 hat den Wert der Schwellenländer wiederhergestellt, wobei die Ren­diten auf das Niveau vor der Weltwirtschaftskrise gestiegen sind. Die Bewertungen der Schwellenländer erscheinen nach verschiedenen Maßstäben günstig. In der Vergangenheit lagen die Renditen der Schwellenländer bei ähnlichen Bewertungsniveaus im hohen einstelligen Bereich.

Absicherungen notwendig

Geo- und Innenpolitik werden weiterhin die Entwicklung und die Marktwahrnehmung der Schwellenländer bestimmen. Der Krieg in der Ukraine ist nach wie vor ein Faktor mit großer Unsicherheit, der Fragen über Russlands Einfluss auf die Energieversorgung aufwirft, während Europa sich besser auf die Gaslieferungen vorbereitet. Die Märkte werden weiterhin Auswirkungen auf politischer Ebene wie die jüngsten Wahlen in Ländern wie Brasilien einpreisen, aber der Wahlkalender für 2023 ist in den Schwellenländern relativ überschaubar, wobei die Türkei und Argentinien am erwähnenswertesten sind. Wir vertreten die Ansicht, dass Schwellenländerkredite mit geringer Qualität, die mit hohen Renditen gehandelt werden, zu meiden sind. Die Konzentration sollte stattdessen auf dem Investment-Grade- und „BB“-Anteil der An­lageklasse liegen, bei denen ein geringeres Risikoprofil besteht und bei dem Zwangsverkäufe zusätzlichen Wert geschaffen haben.

Verbesserte Chancen

Wir sind der Meinung, dass das Schlimmste für die Schwellenländer hinter uns liegt und die Anleger in diesem Jahr wahrscheinlich überall in den Schwellenländern verbesserte Chancen vorfinden werden. Insbesondere bevorzugen wir derzeit lokale EM-Anlagen in Märkten mit hohen Realzinsen wie Brasilien, Unternehmenskredite in rohstoffexportierenden Ländern, ausgewählte EM-Finanztitel und Währungs-Long-Positionen in Ländern wie Thailand, die unserer Meinung nach gut für den Aufschwung in China positioniert sind.

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