USA

Dollar profitiert von hohen Energiepreisen

Die USA profitieren von steigenden Energiepreisen. Für den Dollar ist das ein massiver Unterstützungsfaktor.

Dollar profitiert von hohen Energiepreisen

Von Ulrich Leuchtmann*)

Auch die US-Volkswirtschaft leidet unter Lieferketten-Engpässen: Häfen an der US-Westküste sind überlastet; in chinesischen Häfen stockt die Warenverschiffung in Richtung USA; für Rohölimporte müssen die USA-Importeure mehr ausgeben etc. Dadurch steigen die Preise von Importgütern. Im Gegensatz zu z.B. dem Euroraum hat die US-Volkswirtschaft aber einen entscheidenden Vorteil: Die Preise der US-Exportgüter steigen ebenfalls, sogar deutlich schneller als die Preise der US-Importe. Die Ursache für diesen starken Anstieg der US-Exportpreise ist nicht schwer zu identifizieren: Es sind die US-Exporte von Kraftstoffen und Lebensmitteln, die diesen Anstieg verursachen. Ohne diese beiden Kategorien bleibt vom Exportpreis-Anstieg kaum etwas übrig. Die USA exportieren in letzter Zeit deutlich mehr Kraftstoffe, als sie Rohöl importieren. Der Netto-Effekt der steigenden Energiepreise ist somit positiv für die US-Volkswirtschaft: Das Verhältnis von Exportpreisen zu Importpreisen (in Ökonomen-Sprech: „die Terms of Trade“, ToT) verbessert sich zugunsten der USA. Mit anderen Worten: Für eine Einheit Importgüter muss die US-Volkswirtschaft weniger exportieren als noch z.B. im Frühjahr 2020.

Wir müssen uns klarmachen, dass diese Situation recht neu ist. Weil die USA in den letzten Jahrzehnten Netto-Energie-Importeur waren, verschlechterte sich früher das Preisverhältnis von US-Exporten zu US-Importen bei steigenden Energiepreisen. Die USA profitieren erst in den letzten Jahren von steigenden Energiepreisen. Erst, seitdem sie Netto-Energie-Exporteur sind.

Für den Dollar ist das ein massiver Unterstützungsfaktor Wir beobachten seit Mitte 2020, dass sich die Terms of Trade der USA äußerst positiv entwickeln, die des Euroraumes dagegen zuungunsten Europas. Im Gegensatz zu den USA leidet Europa darunter, dass wir Energie importieren müssen.

Diese Divergenz hat zur Folge, dass die aktuelle Inflation in den USA und im Euroraum gänzlich anders auf die beiden Währungen Dollar und Euro wirkt: Weil US-Exportgüter wertvoller werden, ist ein Preisanstieg in den USA weitgehend aus Devisenmarktsicht „verzeihlich“. Hingegen wirkt Euroraum-Inflation doppelt schwer: Weil der Wert der am Weltmarkt gehandelten Euroraum-Güter (relativ zu allen Gütern inkl. Energie) abnimmt, sind steigende Euro-Preise besonders belastend für Europas Gemeinschaftswährung. Die geringeren Relativpreise, die für Europas Güter am Weltmarkt erzielbar sind, sind dann nur noch durch besonders ausgeprägte Euro-Schwäche erreichbar.

In allem, was wir bisher gesagt haben, kamen die Geldpolitiken der US-Notenbank Fed und der EZB nicht vor. Allerdings sollte nicht der Eindruck entstehen, dass sie irrelevant sind. Am Devisenmarkt werden nicht ausschließlich die jetzigen Umstände in Relativbewertungen von Währungen (also in Wechselkurse) übersetzt. Es geht auch und vor allem darum, absehbare zukünftige Umstände zu bewerten.

Die Fed präsentierte sich in letzter Zeit als besonders entschlossener Inflationsbekämpfer. Die eh relativ wenig dollarschädliche US-Inflation dürfte von ihr mit hoher Sicherheit angegangen werden.

Anders sieht es bei der EZB aus. Zwar hat Europas Zentralbank überraschend im Juli ihren Leitzins um 50 Basispunkte angehoben. Doch gleichzeitig deutet sie nicht mehr an, im September einen 50-Basispunkte-Schritt vollziehen zu wollen. In der Tat kann man den Eindruck gewinnen, sie habe die geplanten Schrittgrößen für die Juli- und September-Sitzungen lediglich getauscht. Das ist kein Hinweis darauf, dass die EZB entschlossener die Inflation zu bekämpfen gedenkt. Und weil aufgrund der sich verschlechternden Terms of Trade Inflation und Inflationsgefahr besonders schädlich für die Euro-Wechselkurse sind, bleibt der Euro schwach.

Freilich lohnt es sich, einen Schritt weiter zu denken. Das US-BIP ist in den letzten zwei Quartalen gefallen. Viele Ökonomen erwarten, dass die US-Konjunktur in absehbarer Zeit in eine Rezession abgleitet. Nun sind die USA aber nicht nur Netto-Energie-Exporteur, sondern auch einer der größten Energiekonsumenten. Eine Rezession in den USA würde die Welt-Energienachfrage senken und damit dämpfend auf die Energiepreise wirken. Hinzu kommen Sorgen um das Wachstum in anderen Regionen, u.a. in China.

Wachstumsskepsis

Der Rückgang der Rohölpreise in den letzten zwei Monaten dürfte bereits auf Wachstumsskepsis zurückzuführen sein. Setzt sich dieser Trend fort (und eine US-Rezession wäre ein gewichtiges Argument dafür!), könnte bald Schluss sein mit der freundlichen Entwicklung der amerikanischen Terms of Trade. Klar, auch dann könnte eine ausgesprochen restriktive Fed den Dollar „retten“. Nimmt man aber an (wie derzeit der Geldmarkt, der für 2023 Fed-Zinssenkungen einpreist), dass die Fed von ihrer restriktiven Geldpolitik abrückt, vielleicht in einer Situation, in der die Inflationsentwicklung das nicht offensichtlich rechtfertigt, dürften auch Zweifel an der Entschlossenheit der Fed, um jeden Preis die Inflation zu bekämpfen, wachsen.

Ich bin kein großer Freund davon, aus US-Rezession automatisch auf Dollarschwäche zu setzen. Wer die frühen 1980er schon bewusst erlebt hat, ist vor diesem Trugschluss gefeit. Jedoch wäre eine US-Rezession, die die US-Terms-of-Trade verschlechtert, sehr wohl ein Argument für Dollarskepsis.

Eine große Unbekannte gibt’s freilich in dieser Rechnung: Würde eine Energiekrise in Europa die weltweiten Energiepreise auch im Fall einer US-Rezession und chinesischer Wachstumsschwäche hochhalten, könnten die USA eine Verschlechterung ihrer Terms of Trade vermeiden. Dann würde es wohl nichts mit der Dollarschwäche.

*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.