Schwellenländer

Emerging Markets mit hoher Risikoprämie

Schwellenländer-Hartwährungsanleihen sind eine Anlageklasse, die in den kommenden Jahren nur wenige gute Nachrichten produzieren wird, aber wahrscheinlich einmal mehr eine gute Performance.

Emerging Markets mit hoher Risikoprämie

Von Janis Hübner*)

Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern mussten in der ersten Jahreshälfte massive Kursverluste einstecken. Der EMBIG Diversified Index von J.P. Morgan verlor in Euro gerechnet und einschließlich Kosten für die Absicherung des Dollar-Wechselkursrisikos 20,5%. Rund die Hälfte dieses Verlusts ist auf den Renditeanstieg am US-Staatsanleihenmarkt zurückzuführen: Angesichts einer steigenden US-Inflation und einer deutlichen Beschleunigung des Tempos bei der Zinswende durch die Federal Reserve stiegen die Renditen für zehnjährige Treasuries­ um 140 Basispunkte und für zweijährige US-Anleihen um 220 Basispunkte.

Auch vor diesem Hintergrund bleibt das Umfeld für Emerging-Markets-Anleihen in der zweiten Jahreshälfte schwierig. Die Fed wird ihren Leitzins­ weiter deutlich anheben, um zu verhindern, dass die In­flationserwartungen stark steigen. Die direkte Belastung durch steigende US-Renditen sollte aber bei weitem nicht mehr so groß sein wie in der ersten Jahreshälfte, da der US-Staatsanleihenmarkt­ die weiteren Zinsschritte weitgehend eingepreist hat, so dass Renditeanstiege bei mittleren und längeren Laufzeiten begrenzt bleiben sollten. Die geldpolitische Straffung der Fed dürfte dennoch zu weiteren Kapitalabflüssen aus Schwellenländeranlagen führen und damit die Risikoprämien hochhalten.

Voraussetzung dafür, dass die Straffung nicht noch stärker ausfällt als gegenwärtig erwartet, ist eine allmähliche Beruhigung der Inflationsentwicklung. Dies bedeutet vor allem, dass die Preise nicht weiter so stark nach oben überraschen wie in den vergangenen Monaten. Die Unsicherheit um Angebotsengpässe bei Energierohstoffen dürfte aber noch für längere Zeit hoch bleiben und deutliche Preisrückgänge verhindern. Die hohen Energiepreise haben über erhöhte Düngemittelpreise zudem auch Nahrungsmittel verteuert. Da Russland und die Ukraine wichtige Weizenproduzenten sind und nun weniger exportieren, belastet der Krieg das globale Agrarrohstoffangebot in doppelter Weise.

China-Lockdowns spürbar

Neben dem Anstieg der Rohstoffpreise waren gestörte Lieferketten in den vergangenen Monaten ein Preistreiber. Hierdurch ist für viele Produkte ein Nachfrageüberhang entstanden. Die Hoffnungen, dass sich mit dem Abklingen der Pandemie diese Situation langsam auflöst, haben sich bislang nicht in der Breite erfüllt. Die Lockdowns in China werden noch über Wochen in den Lieferketten zu spüren sein, und aufgrund der strikten Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung sind neue Be­schränkungen wahrscheinlich.

Die Inflationsraten dürften daher noch für längere Zeit deutlich höher liegen als vor der Pandemie, und die Geldpolitik wird nicht nur in den USA, sondern in fast allen Ländern gestrafft. Diese Kombination aus hoher Inflation und steigenden Zinsen belastet den globalen Wachstumsausblick erheblich. In­nerhalb der Schwellenländer ist die Entwicklung dabei uneinheitlich: Die höchsten Preisanstiege sind in Lateinamerika und Osteuropa zu beobachten, wo auch die Geldpolitik besonders früh und stark reagiert hat. In Asien wurde die Zinswende in der Breite erst in den vergangenen Wochen eingeleitet und dürfte nicht so ausgeprägt sein. Die Ölexporteure des Nahen Ostens profitieren von den hohen Energiepreisen, so dass diese Region heute als einzige deutlich besser dasteht als noch zum Jahresbeginn.

Die meisten Schwellenländer stehen vor schwierigen Monaten, eher sogar Jahren. Der Markt für EM-Hartwährungsanleihen ist allerdings an schwierige Rahmenbedingungen gewöhnt, weil wirtschaftliche und politische Krisen in Schwellenländern häufiger auftreten als in den Industrieländern. EM-Hartwährungsanleihen sind seit Jahrzehnten eine sehr volatile Assetklasse, die aber über längere Zeiträume stets deutlich höhere Erträge abgeworfen hat als andere Anlageklassen im Rentensegment. Zeiten deutlicher Renditeanstiege sind immer ein guter Einstiegszeitpunkt gewesen. Gegenwärtig liegt die gewichtete Rendite des EMBIG Diversified mit 8,4% so hoch wie zuletzt 2009 und etwas höher als im Hochpunkt der Pandemieunsicherheit. Der Spread über US-Staatsanleihen liegt bei 540 Basis-punkten, was im historischen Ver-gleich ebenfalls ein hoher Wert ist.

Wo liegen die größten Risiken? Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Inflation in den vergangenen Monaten immer wieder nach oben überrascht hat und die US-Notenbank in ihrem Zinsausblick immer restriktiver geworden ist. Daher besteht das Risiko, dass dieser Trend noch weiterläuft. Sollte es so kommen, erhöht sich allerdings die Wahrscheinlichkeit einer Rezession, was dazu führen könnte, dass sogar eine Diskussion über mögliche Zinssenkungen beginnen würde. Das Risiko weiter deutlich steigender US-Renditen erscheint da-her bei aller Unsicherheit begrenzt.

Spread-Ausweitung droht

Das zweite Risiko ist die Gefahr einer weiteren Stimmungseintrübung für Schwellenländer, die zu einem weiteren Spreadanstieg führen würde. Dieses Risiko erscheint höher als das eines weiteren Sprungs der US-Renditen, weil der Ratingtrend abwärtsgerichtet sein dürfte und das Umfeld schwierig bleibt. Doch es ist festzuhalten, dass die Besorgnis bereits heute hoch ist. Es ist daher zwar keine schnelle Erholung auf Vorkrisenniveaus zu erwarten, aber eine moderate Spreadeinengung auf Sicht von zwölf Monaten, wenn der Zinsanhebungszyklus in den USA zu einem Ende gekommen sein dürfte.

Das größte Risiko ist aber ein möglicher deutlicher Anstieg der Ausfallrate. Der größte Teil der Schwellenländeremittenten ist nicht ausfallgefährdet. Im EMBIG Diversified ist aber in den vergangenen Jahren der Anteil von Ländern mit extrem schwacher Bonität (Dreifach-C und schlechter) gestiegen, weil zunächst eher schwache Bonitäten mehr emittiert haben und es dann im Zuge der Pandemie gerade in diesem Ratingsegment zu den stärksten Herabstufungen gekommen ist. Da sich das globale Umfeld deutlich verschlechtert hat, besteht für diese Länder kaum Aussicht auf Bonitätsverbesserung.

Ausfallrisiko eingepreist

Der Marktanteil von Emittenten mit einem Rating von Single-B und schlechter liegt bei 26%. Der Anteil von CCC und schlechter eingestuften Ländern liegt immerhin noch bei rund 4,5%. Bis Ende 2023 könnten Anleihen mit einem anteiligen Marktvolumen von rund 5% ausfallen. Die gefährdeten Anleihen preisen allerdings heute schon ein hohes Ausfallrisiko ein, was das Abwärtsrisiko für die Kurse reduziert. Die aus den Ausfällen resultierenden Verluste würden wohl durch die hohe laufende Rendite von 8,4% mehr als kompensiert. Hinzu kämen Zusatzerträge aufgrund sinkender Renditen, die auf Sicht von 12 bis 24 Monaten aus den genannten Gründen wahrscheinlich erscheinen.

Unter dem Strich handelt es sich bei EM-Hartwährungsanleihen um eine Anlageklasse, die in den kommenden Jahren nur wenige gute Nachrichten produzieren wird, aber wahrscheinlich einmal mehr eine robuste Performance.

*) Janis Hübner ist im Makro-Research der DekaBank tätig.