Österreichische Sparkasse

Erste Group ist weiter auf Wachstum gepolt

Österreichs Erste Group ist Wachstum gewohnt. Sie hat sich seit 1997 von einer Sparkasse zu einer der größten Finanzgruppen Mitteleuropas entwickelt. Für 2023 sind Management und Analysten vorsichtig optimistisch.

Erste Group ist weiter auf Wachstum gepolt

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Mit ihrem Börsengang vor gut 25 Jahren hat die Erste Group einen Wachstumspfad eingeschlagen, auf dem sie sich von einer Sparkasse in der Region Wien nicht nur zu Österreichs größter Bank gemausert hat, sondern zu einem der zentralen Finanzakteure in Mittel- und Osteuropa. Auch mittels unzähliger Übernahmen dehnte sich die als Holdinggesellschaft der Sparkassengruppe des Landes fungierende Erste Group zu einem Konzern mit 16 Millionen Kunden in sieben Staaten, 45 000 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von Stand September 335 Mrd. Euro aus. Seit der Erstnotiz an der Wiener Börse am 4. Dezember 1997 hat sich die Bilanzsumme versiebenfacht und die Marktkapitalisierung auf bald 16 Mrd. Euro verachtfacht.

Die Struktur der Ersten Group, vollständig Erste Group Bank AG genannt, ist komplex. Unter ihrem Dach stehen unter anderem das Leitinstitut der Sparkassengruppe, die Erste Bank Oesterreich, die in sieben Landesverbänden organisierten 46 Sparkassen, die Zweite Sparkasse und die Tochterbanken in sechs weiteren Staaten. Mit 4,5 Millionen Kunden ist Tschechien der nach Klientenzahl größte Markt, gefolgt von Österreich mit 4 Millionen und Rumänien mit 2,8 Millionen. Auch in der Slowakei (2 Millionen), Kroatien (1,2 Millionen), Ungarn (900 000) und Serbien (500 000) ist die Gruppe aktiv.

CEO als Übergangslösung

Die im vergangenen Mai durch den urplötzlichen Abgang des seit Anfang 2020 im Amt befindlichen CEO Bernhard Spalt ausgelöste Führungskrise ist ausgestanden. Gleichwohl ist sein Nachfolger, der zu Dienstantritt am 1. Juli 2022 fast 66 Jahre alte vorherige Firmenkundenvorstand der zum Konzern gehörenden Ersten Bank Österreich, Willibald Cernko, nur eine Übergangslösung. Er wurde lediglich bis Ende 2024 bestellt.

Obwohl Spalts Abtritt nach drei Jahrzehnten in der Gruppe die Erste kalt erwischte, mag sich das Zerwürfnis abgezeichnet haben. So vertrat er bezüglich der Strategie andere Auffassungen als der Aufsichtsrat, war zu vernehmen. Auch soll das Verhältnis zu seinem Vorgänger Andreas Treichl, der 22,5 Jahre lang der Ersten als CEO vorstand, unterkühlt gewesen sein, wie der österreichische „Standard“ berichtete. Treichl agiert seit seinem Abschied vom Chefposten als Aufsichtsratschef der Ersten Stiftung, die direkt 5,6% der Ersten hält und damit zu den größten Anteilseignern gehört, weiterhin als graue Eminenz in der Gruppe. Weitere einflussreiche Eigner sind eine Sparkassen-Beteiligungsgesellschaft (11,4%), Blackrock (4,8%) und der Wiener Städtische Versicherungsverein (4,1%). Drei Viertel der Aktien befinden sich im Streubesitz.

Zinsergebnis im Höhenflug

Basierend auf den Neun-Monats-Zahlen 2022 zeigt sich das Management zuversichtlich für das laufende Jahr. Am 28. Februar legt die Erste Group das vorläufige Ergebnis für das Geschäftsjahr 2022 vor. Unterm Strich verdiente sie von Januar bis September mit 1,98 Mrd. Euro 7 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Grund dafür war vor allem der um ein Fünftel angeschwollene Zinsüberschuss, bedingt sowohl durch anhaltendes Kreditwachstum als auch höhere Zinsspannen nach den Zinsanhebungen der Notenbanken. Dieser Trend wird sich laut Prognose der Bank – wenn auch abgeschwächt – fortsetzen. Vorausgesetzt, die geopolitischen Friktionen arten nicht aus, die Energieversorgung bleibt stabil, und die Wirtschaft wächst oder stagniert zumindest, erwartet die Erste ein Nettokreditwachstum von rund 5% und einen Anstieg des Zinsüberschusses um 10%. Mit anhaltendem Wachstum wird auch beim Provisionsüberschuss gerechnet.

Aufwand-Ertrag-Ziel gesenkt

Höhere Kosten, Kreditrisikovorsorge und Wertpapierabschreibungen aufgrund des Zinsanstiegs, die das Handelsergebnis ins Minus drückten, trübten die Stimmung im vergangenen Jahr ein wenig. Unter Berücksichtigung der Inflation geht die Erste aktuell von einem Anstieg der Ausgaben um 7 bis 8% aus, was unter dem Ertragszuwachs liegen soll. Dennoch wurde die ursprünglich für 2024 angestrebte Cost-Income-Ratio von 55% bereits erreicht und nur mehr 52% als Zielmarke festgesetzt. Den Anteil notleidender Kredite an den Bruttokrediten (NPL-Quote) beziffert die Erste für 2022 mit 2,0% als besten Wert seit dem Börsengang. Im laufenden Jahr werde die Quote steigen, aber unter 3% liegen, so die Erwartung. Um zusätzlich Wachstum zu schüren, hat CEO Cernko zwei Prioritäten ausgegeben: bessere Analyse der Kundendaten und eine deutliche Ausweitung des digitalen Angebots. Als Eigenkapitalverzinsung werden schließlich 13 bis 15% angestrebt nach rund 14% im vergangenen Jahr. Die Aktionäre dürfen für 2022 mit einer Dividende von 1,90 Euro rechnen. Auch ein möglicher Aktienrückkauf steht im Raum.

Niedrige Bewertung

Für das Jahr 2022 erwarten Analysten einen Nachsteuergewinn von 2,16 Mrd., für 2023 von 2,13 Mrd. Euro. 2024 sei dann mit 2,25 Mrd. Euro ein bisschen mehr drin, so die Konsensschätzung von Mitte November. Das am 4. November von Analysten ausgegebene Kursziel der seinerzeit mit 28 Euro gehandelten Aktie lautet 39,60 Euro. Aktuell notiert die Erste an der Wiener Börse bereits mit über 36Euro. Der Gewinn je Aktie dürfte nach Einschätzung von Factset von 4,92 Euro im vergangenen auf 5,13 Euro in diesem Jahr und auf 5,43 Euro 2024 steigen, die Dividendenrendite derweil von 6,23% auf 7,05 und schließlich 7,66%. Die KGV beziffern sie mit 6,2 im vergangenen Jahr. Auf Basis der Schätzungen für 2023 liegt es bei 5,5 und für 2024 bei niedrigen 5,3.

Sechs Analysten raten zum Kauf der Aktie, zwei zum Halten. Deutsche-Bank-Analystin Marlene Eibensteiner, die zu jenen gehört, die den Erwerb empfehlen, hat nach der Vorlage der Neun-Monats-Zahlen das Kursziel leicht von 38 auf 39 Euro sowie Ertrags- und Gewinnprognosen angehoben. Ei­nerseits bestünden zwar ökonomische Unwägbarkeiten und hohe Inflation, andererseits werden solide Kapitalausstattung, Kreditqualität und Risikovorsorgepuffer sowie das Zinswachstum hervorgehoben. Zudem verfüge die Erste über genügend finanzielle „Feuerkraft“ für etwaige Zukäufe und Aktienrückkäufe.          

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