Massimo Greco, J.P. Morgan

„Es gibt definitiv eine Verlang­samung“

Der Head of European Funds von J.P. Morgan Asset Management über Zuflüsse, echte Renditen, ETFs und Gebühren: Massimo Greco hat eine Verlangsamung der Zuflüsse beobachtet. Sie ähnele jedoch nicht dem, was man in der Branche in früheren Zyklen mit vergleichbaren Marktturbulenzen an Mittelbewegungen gesehen habe. Market Timing funktioniere eben nicht.

„Es gibt definitiv eine Verlang­samung“

Andreas Hippin.

Herr Greco, was sagen Sie zu den jungen Leuten, die ihr Geld lieber in Krypto als in andere Anlageprodukte investiert haben?

Kryptowährungen sind für mich Spekulation, keine Investition. Man investiert ja auch nicht in eine Lotterie. Eine andere Geschichte ist, in Unternehmen zu investieren, die den Übergang des Finanzsystems zur Blockchain erleichtern werden.

Warum?

Sie sind als echte Firmen mit echten Produkten und Dienstleistungen Teil der Realwirtschaft, von denen die Verbraucher profitieren. Nun gibt es viele junge Leute, die Kryptowährungen besitzen, aber kein Geld zu verlieren haben. Das ist ein Problem. Gäbe es mehr finanzielle Bildung, was wirklich sinnvoll wäre, hätte man ihnen gesagt, dass man langfristig nicht so, also ohne eine reale Basis, investiert. Um einen langfristigen Kapitalzuwachs generieren zu können, sollte man sein Geld in echte Unternehmen mit einer echten Kapitalstruktur im Sinne von Aktien und Anleihen investieren.

Ist das nicht auch ein Regulierungsproblem?

Man kann auch mit noch so viel Regulierung nicht verhindern, dass Menschen törichte Dinge tun. Hoffen wir, dass es ein Weckruf für das gesamte System ist. Wir haben uns bei unseren Assetmanagement-Investments immer von Kryptowährungen ferngehalten.

Fangen diese Leute jetzt an, ernsthaftere Anlageprodukte zu kaufen?

Wie Sie wissen, arbeiten wir im Vertrieb an Privatanleger mit Finanzintermediären zusammen. Ich kann dazu also nicht wirklich viel sagen. Aber ich glaube, dass es sich um eine sehr kleine Minderheit handelte, die in Kryptoanlagen investiert hat. Und wie gesagt: Sie haben nicht langfristig investiert, sondern spekuliert. Wer seine Ersparnisse auf diesem Weg verliert, wird einen Weg finden müssen, die Altersvorsorge auf­zubauen. Ich erwarte jedoch nicht, dass diese sehr spekulative Gruppe plötzlich Geschmack an Mischfonds findet.

Der enorme Anstieg der Inflation hat dazu geführt, dass die Leute weniger Geld herumliegen haben, das investiert werden könnte. Wirkt sich das auf die Flows aus?

Zunächst einmal befinden wir uns in Bezug auf die Vermögenswerte in unserem Geschäft hier in Europa immer noch im positiven Bereich. Aber im Allgemeinen denke ich, dass, wenn Kunden Geld abziehen, die Marktvolatilität der dominierende Grund dafür ist, nicht die Realwirtschaft. Einige Regionen sind volatiler als andere. Das verfügbare Einkommen und was man davon spart, sind tendenziell sehr langfristige Trends. Viele sparen zu Recht mit regelmäßigen Sparplänen. Diese werden nicht so schnell eingestellt, weil es einen Ausrutscher im Sinne von Einmaleffekten bei der Inflation gegeben hat. Wir haben angesichts der Ereignisse auf den Märkten weniger Kundenaktionen gesehen als in früheren Zyklen.

Es gibt also eine gewisse Verlangsamung.

Es gibt definitiv eine Verlangsamung. Absolut. Die Zuflüsse verlangsamen sich. Wir haben jedoch nichts gesehen, was dem nahekommt, was wir in früheren Zyklen mit solchen Marktturbulenzen an Mittelbewegungen in unserer Industrie gesehen hatten. Erstaunlich, dass die Leute einfach investiert bleiben. Was gut ist. Es bedeutet, dass wir – und auch Sie als Journalist – mit dem Mantra „Bleiben Sie investiert, bleiben Sie diversifiziert, seien Sie nicht emotional“ Erfolg gehabt haben.

Und: „Zahlen Sie weiter die Verwaltungsgebühren.“

Nein, nein, nein! Das meine ich nicht. Aber Market Timing funktioniert einfach nicht. Das wurde immer wieder bewiesen.

Wie kann ich denn aufgrund dieser hohen Inflationsraten eine echte Rendite erzielen?

Es freut mich, dass Sie nach echter Rendite fragen. Seit sehr langer Zeit hatten wir keine Inflation mehr. Viele Menschen, die in den letzten 10, 20 Jahren erwachsen geworden sind, wissen gar nicht, was das ist. Das ist eine große Herausforderung. Die perfekte Absicherung gegen Inflation gibt es nicht.

Aber was wäre die erste Wahl?

Das Instrument Nummer eins sind Real Assets. Auch wenn wir uns der Tatsache bewusst sind, dass sie der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.

Es geht also vor allem um Immobilien?

Nein, auch um Infrastruktur. Die Cashflows dieser Projekte sind direkt mit der Inflation verbunden.

Wenn das Geschäft gut strukturiert ist.

Ein Großteil davon ist inflationsgeschützt. Sie haben über Immobilien gesprochen. Schauen Sie sich an, was mit unter anderem gewerblichen Mieten in den USA passiert. Sie steigen signifikant. Das bedeutet, dass, der Cashflow, den Sie mit einer Immobilie generieren, sehr deutlich steigt, gegebenenfalls sogar schneller als die Inflation. Das ist der Vorteil von Real Assets. Was dem am nächsten kommt, sind wirklich solide Unternehmen mit nachhaltigen Cashflows, einem guten Management und einem guten Geschäftsmodell. Hier gilt es, kurzfristige Volatilität aushalten zu können. Anleihen sind aktuell schwierig, wobei ich in unserem Haus nicht die beste Person bin, um Ihnen einen Überblick darüber zu geben, wohin sich Anleihenrenditen entwickeln. Aber wenn Sie Ihr Nominalkapital schützen wollen, kaufen Sie einfach eine Anleihe, oder? Natürlich werden Sie Ihr Geld zurückbekommen.

Aber das ist nur …

… genau, der Nennwert. Sie haben am Ende also mit ziemlicher Sicherheit ein Minus, auch wenn es nominal absolut risikofrei ist. Im aktuellen Inflationsumfeld ist es fast sicher, dass Sie eine negative Rendite erzielen werden, was vielleicht besser ist als nichts, aber ein diversifiziertes Portfolio ist besser. Wenn wir jedes Jahr eine Inflation von 6% oder 7% haben und noch 2% oder 3% Kosten dazukommen, ist es sehr schwer, am Ende etwas Positives zu sehen. Zunächst einmal ist dieser Inflationsschub hoffentlich nur vorübergehend, angetrieben von den Rohstoffpreisen und der sehr traurigen Situation in der Ukraine. Die Welt geht nach 30 Jahren Deflation in eine neue Phase. Wenn Sie sich erinnern, haben die Zentralbanken verzweifelt versucht, Inflation zu erzeugen.

Sie haben zu viel getan.

Trotzdem werden wir nicht auf Dauer 7 oder 8% haben. Sonst gäbe es eine massive Rezession und all dieser Druck würde verschwinden. Ich möchte hier nicht über Geopolitik diskutieren. Aber irgendwann wird es hoffentlich eine Lösung für die Krise in der Ukraine geben, und dann werden die Energiepreise sinken. Hoffentlich bringen die Getreidepreise, die einen noch größeren Einfluss für die Weltbevölkerung haben, keine Länder in Bedrängnis. Wir ziehen aber keine Welt permanenter Inflation in Betracht. Käme es dazu, gäbe es nur schlechte und nicht ganz so schlechte Lösungen.

Nun wird sicher auch mehr Druck auf die Gebühren ausgeübt.

Schauen Sie, wir sehen, dass die Gebühren in der Assetmanagement-Industrie weiter sinken. Aber wir sind damit im Einklang. So funktioniert das in jeder gesunden Branche. Ich kann nicht beurteilen, ob die Finanzintermediäre das auch so sehen, da diese andere Kostenstrukturen als unsere Industrie haben. Das ist also eine andere Geschichte. Aber wenn die Märkte schwierig sind, wird ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bei allen Beteiligten wichtiger. Das Paradoxe ist aber, dass den Gebühren mehr Auf­merksamkeit geschenkt wird, wenn der Markt boomt. Wenn die Lage an den Märkten schwieriger wird, wollen Sie den bestmöglichen Manager für Ihr Geld. Wir glauben nicht daran, unsere Gebühren per se zu senken. Leistung und Gebühren müssen zusammenpassen und wir wollen den bestmöglichen Service bieten.

Kommen die Kunden nicht, um Nachlass zu fordern?

Natürlich wollen Finanzvertriebe unsere Lösungen billiger kaufen, damit sie mehr Geld vereinnahmen können. Aber es sind nicht die Gebühren, von denen die Flows angetrieben werden. Das wurde immer wieder bewiesen.

Wechseln die Leute aus ETFs in aktive Fonds?

Nein, im Gegenteil. ETFs sind ja sehr effiziente Vehikel. Ihre Bedeutung wird weiter wachsen. Es steht allerdings nirgends geschrieben, dass ETFs immer passiv sein müssen. Es handelt sich lediglich um eine „Verpackung“, mit der man den Anlegern eine Anlagestrategie anbietet. Wir arbeiten daran, die aktiven ETFs noch stärker in den Fokus zu rücken, und sind in Europa inzwischen der bei weitem erfolgreichste Akteur in diesem Segment. Dabei sind wir immer noch sehr klein im Vergleich zu den traditionellen Akteuren. Inzwischen sind in Europa acht aktive Aktien-ETFs von uns notiert.

Bedeutet aktiv in diesem Fall, dass jemand das Portfolio im Blick hat?

Es bedeutet, dass es einen traditionellen Bottom-up-Prozess der Wertpapierauswahl und ein starkes Risikomanagement gibt, in dessen Rahmen das Management risikokontrolliert erfolgt. Unser Ziel besteht darin, nach Gebühren, die ohnehin nicht hoch sind, mittelfristig ein besseres risikoadjustiertes Ergebnis als bei einem rein passiven ETF zu erzielen.

Bei Anleihen ist das wohl viel schwieriger.

Anleihen können ausfallen. Wenn ich eine aktive Auswahl treffe, anstatt nur passiv zu kaufen, was im Index ist, vermeide ich einen Großteil der Ausfälle und habe im Vergleich zu einem passiven Fonds bereits viel erreicht. Wir versuchen, das Risiko eines Ausfalls oder einer Neubewertung von Grund auf zu vermeiden. Wenn man in der Lage ist, Fundamentalanalyse zu betreiben, ist das ein großer Vorteil. Manchmal braucht es keine großen Abweichungen, um den Kunden ein gutes Ergebnis zu bieten.

Es ist schon erstaunlich, wie sich der Tracking Error verringert hat.

ETFs haben während der letzten Krise bewiesen, dass sie ein gutes Instrument sind. Man muss die Öffentlichkeit nur darüber aufklären, dass sie nicht notwendigerweise passiv sind. Aktive ETFs sind ein guter Mittelweg für diejenigen, die das ETF-Vehikel nutzen möchten und nicht auf die Vorteile des aktiven Managements verzichten möchten. Wobei sich unsere aktiven ETFs tatsächlich durch einen niedrigen Tracking Error auszeichnen, also einen vergleichbaren Risikograd und eine ähnliche Portfoliokonstruktion wie ihre jeweiligen Benchmarks haben.

Das Interview führte

BZ+
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