US-Autobauer

General Motors gilt als unterbewertet

Die Aktie des US-Autokonzerns General Motors ist derzeit niedrig bewertet. Mit Blick auf die Strategie zur Umstellung auf E-Mobilität könnte der Kurs nach Einschätzung von Analysten kräftig steigen.

General Motors gilt als unterbewertet

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Die Aktie des zumindest nach Anzahl der gebauten Fahrzeuge größten amerikanischen Autokonzerns General Motors (GM) hat sich zuletzt sehr positiv entwickelt. Im bisherigen Jahresverlauf hat der Titel fast 40% an Wert hinzugewonnen, auf Sicht von einem Jahr sogar 56%. Dies vergleicht sich mit einem Anstieg des amerikanischen Benchmark-Index S&P500 von 21% im bisherigen Jahresverlauf und von rund 31% in den vergangenen zwölf Monaten. Zuletzt macht die Halbleiterknappheit der Autoindustrie massiv zu schaffen, der Aktie von GM allerdings nicht: Binnen eines Monats hat sich das Papier um weitere 12% verteuert, während der S&P500 nur rund 2% zugelegt hat.

General Motors ist bemessen an der Marktkapitalisierung von derzeit 83,7 Mrd. Dollar natürlich längst nicht mehr der schwerste amerikanische Automobilkonzern. Diese Position nimmt Tesla mit einer Marktkapitalisierung von mehr als dem Zehnfachen, nämlich derzeit 857 Mrd. Dollar, ein. Dafür ist die Bewertung der GM-Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate von 6,8 äußerst bodenständig, was man von Tesla, deren KGV sich auf 462 beläuft, nicht behaupten kann. Lässt man Tesla aus der Betrachtung heraus und sucht den Vergleich mit anderen klassischen Autokonzernen, so fällt auf, dass GM deutlich niedriger bewertet ist als der Hauptkonkurrent Ford, dessen KGV 19 beträgt. Allerdings spielen Toyota mit 9,4 und Volkswagen mit 5,5 in derselben Liga wie GM.

Analysten zuversichtlich

Die Analysten sind für General Motors sehr zuversichtlich. Von 25 Banken raten 21 zum Kauf der Aktie. Ein Analyst stuft das Papier mit „Overweight“ ein, während drei empfehlen, den Titel im Portfolio zu behalten. Das durchschnittliche Kursziel der Analystengemeinde liegt bei 74,29 Dollar, gegenüber dem aktuellen Kurs von 58,24 Dollar wäre das ein Anstieg von immerhin 28%. Damit würde GM deutlich mehr Kurspotenzial bieten als Ford – mit anderen Worten, GM gilt als unterbewertet.

Bislang zeigt sich der Konzern auch recht krisenfest – ein Umstand, auf den kürzlich die Analysten der Citigroup hingewiesen haben. Was die Halbleiterknappheit betrifft, so hat der Konzern in den USA im dritten Quartal zwar lediglich 446997 Fahrzeuge hergestellt, 218195 weniger als vor Jahresfrist. Weltweit waren es 1,9 Millionen Fahrzeuge gegenüber 1,8 Millionen vor einem Jahr. Allerdings geht das Management davon aus, dass es im vierten Quartal deutlich besser läuft, da große Werke wieder in Betrieb genommen wurden und allgemein eine Verbesserung der Liefersituation erwartet wird. Dies reflektiert auch die aktuelle Bewertung der Aktien, das KGV auf Basis der Prognosen für die kommenden zwölf Monate liegt bei 13,7. Im Pandemiejahr 2020 schlug sich GM mit einem Rückgang der Erlöse um lediglich 10,8% und des Nettogewinns um 4,5% durchaus achtbar.

Derzeit noch lebt der Konzern wie Ford vor allem vom profitablen Geschäft mit leichten Lastkraftwagen wie Pick-up Trucks und schweren SUV sowie von den China-Aktivitäten, die sich rasch erholt haben. Allerdings kommt es heute für Automobilkonzerne im Grunde nur auf einen einzigen Faktor an: Das Unternehmen muss aus Sicht der Marktteilnehmer über eine glaubwürdige Strategie zur Umstellung auf Elektroautos verfügen.

Hinsichtlich der vorgelegten Strategie sieht es nach Einschätzung vieler Analysten bei GM gar nicht schlecht aus. So sagt beispielsweise Daniel Ives von Wedbush Securities: „Der Eckpfeiler der Branche aus Detroit befindet sich inmitten einer massiven Umgestaltung, die die zukünftige GM-Story stark verändern wird.“ Er sagt dem Konzern eine erfolgversprechende Dekade voraus und erwartet, dass GM den in der Entstehung begriffenen Markt für Elektroautos mit einem Volumen von 5 Bill. Dollar dominieren könnte. Er empfiehlt daher den Kauf der Aktie, bei einem Kursziel von 85 Dollar. Ives gilt als ein sehr treffsicherer Analyst, der in den Analysten-Ratings sehr gut abschneidet.

Imageproblem

Allerdings gibt es ein Problem. Das Image des Konzerns hat hinsichtlich seiner Elektrofahrzeuge erheblich unter dem Desaster des 2017 vorgestellten Modells Chevrolet Bolt gelitten, das die unschöne Eigenart entwickelte, bei einer vollständigen Aufladung in Flammen aufzugehen. Während GM in typischer Manier amerikanischer Autokonzerne zunächst vorschlug, die Autos weiterhin zu nutzen, sie lediglich nicht vollständig aufzuladen, nicht unter 70% der Reichweite leer zu fahren und keinesfalls in der Nähe anderer Autos zu parken, nahm der Druck auf den Konzern zu. Letztlich entschloss man sich, sämtliche 140000 Fahrzeuge zurückzurufen und die Batterien auszutauschen, was GM ungefähr 1,8 Mrd. Dollar kosten dürfte. Der Autobauer hatte in diesem Fall möglicherweise immer noch nichts aus dem Skandal des Chevrolet Corvair („unsafe at any speed“) aus den 1960er Jahren gelernt. Da es amerikanische Konsumenten in der Regel vermeiden, Autos zu kaufen, die in Brand geraten, könnten damit die Absatzchancen des Konzerns bei Elektromodellen nachhaltig gelitten haben.

Allerdings besteht die Aussicht, dass der Konzern seinen japanischen Zulieferer LG ganz oder teilweise in Regress nehmen kann. Weiteren Gegenwind spürt der Konzern von der sich bislang noch weiter verschärfenden Chip-Knappheit. Ives ist aber davon überzeugt, dass beide Faktoren nur kurzfristig belasten werden. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnten die Hälfte der GM-Kunden bereits auf Elektroautos umgestiegen sein.

Weitere Ertragsbringer

Als weitere Ertragsbringer für die Zukunft macht Ives Software und Abonnements für autonomes Fahren aus, die wiederkehrende Einnahmen von rund 2000 Dollar pro verkauftes Fahrzeug bringen könnten. Itay Michaelis von der Citigroup hält es für möglich, dass GM seine Technologien im Bereich Elektromobilität und autonomes Fahren in eigene Unternehmen ausgliedern könnte. Sein offizielles Kursziel für die Aktie liegt zwar derzeit nur bei 57 Dollar. Inklusive der vorgeschlagenen Ausgliederungen könnte sich dann aber auch ein Wert der Aktie von mehr als 100 Dollar ergeben, betont er.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.