Thomas Meier, Mainfirst

„Hohe Dividende allein reicht nicht“

Auch nach dem Rückgang der Ausschüttungen im Coronajahr hält Thomas Meier dividendenorientiertes Anlegen für sinnvoll. Jedoch gibt es dem Mainfirst-Fondsmanager zufolge einiges zu beachten. Die Höhe der Dividende darf seiner Auffassung nach nicht das einzige Kriterium sein.

„Hohe Dividende allein reicht nicht“

Christopher Kalbhenn.

Herr Meier, wie stark hat die Coronakrise auf die Entwicklung der Dividenden durchgeschlagen?

Wie überall haben wir auch bei den Dividenden eine extreme Entwicklung erlebt. Für eine kurze Phase sind die Ausschüttungen im zurückliegenden Jahr sogar erstmals stärker zurückgegangen als die Gewinne. In der Vergangenheit sind die Gewinne während Rezessionen stets signifikant stärker gefallen als die Dividenden. Auch langjährige und sehr sichere Dividendenzahler haben 2020 ihre Ausschüttungen gekürzt. Dazu trug bei, dass die Entscheidungszeitpunkte mit den Phasen zusammenfielen, in denen das Virus sich in der ersten Welle stark ausbreitete und Lockdowns beschlossen wurden. Zu bedenken ist auch, dass 2019 ein sehr gutes Jahr für die Unternehmen war. Eine Rezession ist dagegen ein Umfeld, zu dem höhere Ausschüttungen nicht passen. Viele Leute haben daraus abgeleitet, dass das auch für die Zukunft gilt. Während der Coronakrise ergeben sich für Dividendeninvestoren aber auch interessante Chancen. In diesem Umfeld haben sich die Aktien von Unternehmen sehr stark entwickelt, die nicht so hohe Ausschüttungen haben und strukturelle Wachstumsthemen aufweisen. Wachstumsunternehmen mit eher niedrigen Dividenden haben outperformt.

Sie verantworten einen Dividendenfonds. Wie kann man Anleger denn jetzt überzeugen, in Dividendenfonds zu investieren?

Nach der enttäuschenden Entwicklung des Vorjahres – und auch die Wertentwicklung war ja schwierig – kann man sich in der Tat fragen, ob es noch sinnvoll ist, auf Dividenden zu setzen. Unserer Meinung nach ist es ein Fehler, aus der außergewöhnlichen Situation, die mit der Pandemie einhergeht, den Schluss zu ziehen, dass dividendenorientierte Investments nicht mehr angesagt sind. Angesichts einer Serie von weltweit mehr als 200 Leitzinssenkungen seit Corona-Ausbruch und fast 1000 seit der Finanzkrise 2008/2009, fällt es derzeit schwer, sich einen nachhaltigen Anstieg der Zinsen vorzustellen. Es ergibt aber sehr wohl Sinn, in dieser Zinswüste nach attraktiven Ausschüttungen Ausschau zu halten, verbunden mit der Chance auf Kursgewinne in einem Umfeld, in dem strukturelle Anlageerträge niedrig bleiben. In einem Umfeld steigender Inflation sind überdies Sachwerte angesagt, und dazu zählen eben solide Unternehmen, die in der Lage sind, Dividenden zu erhöhen.

Ist denn die konjunkturelle Erholung nicht auch ein Argument für dividendenstarke Unternehmen beziehungsweise generell für Aktien?

Das ist eindeutig so. Wir sehen jetzt das Licht am Ende des Tunnels. Europa hinkt ökonomisch zwar anderen Regionen noch hinterher. Aber es gibt die großen Unterstützungsprogramme. Nach dem Einbruch des Jahres 2020 werden wir jetzt die Wiederaufbaumaßnahmen sehen, die die Wirtschaft ankurbeln. Zudem sind die Unternehmen insgesamt gesehen relativ gut durch die Krise gekommen. Bestimmte Branchen sind von der Pandemie überproportional stark getroffen worden. In einigen Fällen ist es schwer, sich vorzustellen, dass sie sich zügig deutlich erholen können. Die Krise zeigt aber, dass die starken Unternehmen noch stärker werden, auch diejenigen, die sehr schnell reagieren, in Form etwa von Kostensenkungen und Umstrukturierungen.

Welche Unternehmen beziehungsweise Sektoren schneiden, was die Reaktion betrifft, überdurchschnittlich gut ab?

Das gelingt insbesondere kleineren und mittelgroßen Unternehmen. Die Krise hat gezeigt, dass sie einfach schneller reagieren, und wir sehen schon, dass einige schneller aus der Krise wieder herauskommen. Ein Beispiel ist der Automobilzulieferer Hella, der seine Kostenstrukturen sehr schnell angegangen ist, während ein größeres Unternehmen wie Continental noch darüber diskutiert. Hella hat vor zwei Quartalen sogar wieder Rekordmargen erzielt. Viele KMUs sind auch von der Bilanzstruktur her besser aufgestellt, was in dieser Situation ebenfalls hilft. Ein gutes Beispiel ist Sixt, ein Unternehmen, das zu den von der Pandemie stark getroffenen Firmen zählt. Sixt hat mit einer sehr schnellen Fuhrparkanpassung reagiert. Gleichzeitig haben die schwach aufgestellten Wettbewerber große Probleme. Hertz hat einen Chapter-11-Antrag gestellt, die hoch verschuldete Europcar hat Schulden in Eigenkapital umgewandelt, womit aus Sicht der Anteilseigner eine drastische Verwässerung einhergeht. Auch vom Geschäftsmodell her ist Sixt solide aufgestellt. Die Fahrzeugrückkaufquote liegt bei 90%. Dadurch, dass die Autoproduzenten die Fahrzeuge zu festgelegten Preisen und Zeitpunkten zurückkaufen, hat das Unternehmen nur ein Autokreditrisiko auf Zeit. Die Wettbewerber kaufen die Autos komplett auf Kredit und haben das Risiko, dass sie sie wiederverwerten müssen.

Wird Sixt unter diesen Voraussetzungen Marktanteile gewinnen?

Das ist bereits erkennbar. Sixt ergreift bereits Chancen und wird eindeutig gestärkt aus der Krise hervorgehen, während die anderen kaum agieren können. Das Unternehmen hat zehn Mietstationen in den USA gekauft und das für einen Betrag, zu dem man vor der Krise wahrscheinlich nur eine Station hätte erwerben können. Sixt wird stärker werden und Marktanteile gewinnen.

Aber was halten Sie als Manager eines Dividendenfonds davon, dass Sixt die Dividende gestrichen hat?

Wir sind zuversichtlich, dass Sixt die ausgesetzte Dividende später nachzahlen wird. Die Familie hält 58% der Anteile und hat ein großes Interesse daran. Mit weinendem Auge sehen wir die Aussetzung, mit lachendem Auge die Tatsache, dass Sixt langfristige Chancen wahrnimmt und entsprechend investiert. Generell mögen wir familiengeführte Unternehmen, ein Drittel unseres Fonds ist in solchen Unternehmen investiert, 50% in KMUs. Die Familien haben einen sehr langfristigen Blick, wenn es um die Entwicklung des Unternehmens geht, und sind nicht an Vertragslaufzeiten orientiert. Sie versuchen auch, ihre Unternehmen über Generationen zu entwickeln. Wir schauen uns aber die Managementqualität an. Führung und Unternehmenskultur sind für uns sehr wichtig. Ein Risiko ist, dass sich gute Managementqualität nicht immer in der nächsten Generation widerspiegelt.

Worauf achten Sie beim Stock Picking noch?

Wir suchen Unternehmen, die in Nischen mit hohen Markteintrittsbarrieren tätig sind und hohe Marktanteile haben. Außerdem sind relativ hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung wichtig. Eine hohe Dividende allein reicht uns nicht. Wenn ausschließlich auf die Ausschüttung geschaut und F&E vernachlässigt wird, wird sich das über kurz oder lang rächen. Wir wollen kontinuierliche Dividenden sehen, aber auch langfristige Investitionen sehen. Mit unserem Mainfirst Global Dividend Stars fahren wir eine Kombination aus Nachhaltigkeit der Dividende, familiengeführten Unternehmen und Hidden Champions.

Das Interview führte