Finanzmärkte

Klima-Kleber fürs Portfolio

Im derzeit von vielen Unwägbarkeiten geprägten Umfeld bieten Euro-Unternehmensanleihen mit gutem Klima-Score als Portfoliobeimischung eine Möglichkeit, Performance-Risse zu vermeiden.

Klima-Kleber fürs Portfolio

Mit diesem Jahresstart hätten wohl die wenigsten gerechnet. Über alle Anlageklassen hinweg steht die Ampel auf Grün. Europäische Aktien robben sich sogar langsam wieder an ihre Rekordmarken heran, und am Rentenmarkt sind trotz Rekordemissionsvolumen die Renditen ebenso gefallen wie die Risikoaufschläge im Bereich der Unternehmensanleihen.

Klar, die zum Jahresende 2022 noch vorherrschenden Rezessionssorgen scheinen sich aufgrund deutlich gefallener Energiepreise in Europa, des chinesischen Corona-Laisser-faire und des robusten US-amerikanischen Arbeitsmarkts in Wohlgefallen aufzulösen. Gleichzeitig scheinen die Notenbanken sich zügig dem Zinsgipfel zu nähern, ohne neues Öl ins Zinsanhebungsfeuer gießen zu wollen, da die Inflationsraten zuletzt schneller gefallen sind.

Bild ist nicht stimmig

Stimmig ist das Kapitalmarktbild aber nicht. Schon bald dürften daher Risse im aktuell grün gefärbten Performance-Bild erkennbar werden. Die Kombination von globaler Wachstumsbeschleunigung und weniger restriktiv ausgerichteten Zentralbanken ist nicht unbedingt das wahrscheinlichste Szenario. Ganz ehrlich – aktuell erinnert der jeweilige Konsens unter Kapitalmarkt- und Notenbankvertretern eher an das Bild der drei Affen. Nichts sehen, nichts hören – gesprochen wird hingegen viel. Aber offenbar in unterschiedlichen Sprachen. Mindestens kann man aktuell ein massives Kommunikationsproblem zwischen Kapitalmärkten und Notenbanken attestieren. Das haben die Zinsentscheide der vergangenen Woche erneut eindrucksvoll belegt. Während den geldpolitischen Falken die Anzeichen fallender Inflation nicht weit genug gehen, schenken die Kapitalmärkte den vermeintlich rückwärtsgewandten Analysen der Zentralbanken offenbar wenig Glauben. Das Resultat ist bekannt.

Eine Seite wird wohl irren. Entweder werden sich die Kapitalmarkterwartungen – nicht nur in Bezug auf Fed-Zinssenkungen über die kommenden 18 Monate – den Aussagen der verschiedenen Zentralbanksprecher anpassen müssen oder aber die Notenbanken werden ihren derzeitigen Kurs relativ bald an neue makroökonomische Realitäten adjustieren.

Meines Erachtens sind die globalen Konjunkturerwartungen – entgegen dem zuletzt unter Marktteilnehmern grassierenden Rezessionsvermeidungsoptimismus – eher mit Abwärtsrisiken behaftet. Rückläufige Auftragslage, ausgereizte Konsumbudgets und trotz Rückgang noch immer hohe Energiepreise lassen Skepsis vernünftig erscheinen. Zumal die Zinspolitik von 2022 längst noch nicht vollständig in der Realwirtschaft angekommen ist. Daraus würde sich jedoch auch ein Inflationsbild ergeben, das mit weniger Aufwärtsrisiken behaftet ist, als es viele Notenbanken derzeit noch – dem Vorsichtsprinzip folgend – erwarten. Hinsichtlich der Diskrepanz zwischen Forward Guidance und dem, was die Kapitalmärkte einzupreisen bereit sind, schlage ich mich daher auf die Seite der Kapitalmärkte. Allerdings ist das „Risiko“ nicht von der Hand zu weisen, dass es konjunkturell besser laufen könnte als erwartet. Nur werden dann vermutlich noch einmal deutlich höhere und für längere Zeit höhere Leitzinserwartungen am Markt einzupreisen sein.

Wie immer gilt es daher, die Chancen und Risiken der Anlageentscheidungen im Portfoliokontext zu reflektieren. Und aktuell erscheinen angesichts der erreichten Bewertungen und inverser Zinsstrukturkurven weder Aktien- noch Durationsrisiken attraktiv. Credit-Risiken sind differenzierter zu bewerten. Zwar haben sich die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen ebenfalls stark eingeengt, dennoch bewegen sich diese, entgegen den Aktienkursen, noch auf einem Niveau, das mit einer milden Rezession vereinbar wäre. Hinzu kommt die im Vergleich zu den Vorjahren attraktive laufende Verzinsung.

Defensivere Ausrichtung

Man sollte sich aber keiner Illusion hingeben. Sollten enttäuschende Konjunkturdaten den Marktkonsens erneut in Richtung einer stärker ausgeprägten globalen Rezession treiben, – gegebenenfalls gepaart mit unerwartet lange auf die Zinstube drückenden Notenbanken – dann werden sich die Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen erneut deutlich ausweiten. Das spricht auch bei Credits für eine defensivere Ausrichtung. Wenn man aber Aktien-, Durations- und Credit-Risiken im Portfolio vermeiden möchte, bleibt nicht mehr viel. Grundsätzlich lässt sich jedoch ein bisschen Klima-Kleber ins Portfolio mischen, um Performance-Risse zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für Euro-Unternehmensanleihen. Konkret kann man weiterhin von den grünen Ambitionen der EZB am Unternehmensanleihemarkt profitieren. Bekanntlich plant die EZB, das Corporate-Sector-Purchase-Programme(CSPP)-Portfolio nach Klimakriterien zu optimieren. Zunächst sollen bei Ersatzinvestitionen Emittenten mit einem besseren Klima-Score bevorzugt werden, mittelfristig ist aber zu erwarten, dass auch aktive Umschichtungen im CSPP-Portfolio erfolgen werden.

Nach welchen exakten Kriterien die EZB vorzugehen gedenkt, bleibt wie immer nebulös. Nur so viel ist bekannt: Es sollen Klima-Fußabdruck, Emissionsziele der Emittenten und die Qualität der Klimaberichterstattung einbezogen werden. Das öffnet zwar Spielraum für Interpretation, ändert aber nichts daran, dass innerhalb des CSPP-fähigen Universums demjenigen Emittenten mit besserem Klima-Score in Zukunft ein verbessertes Risikoprofil zugeschrieben werden darf – denn die Unterstützung durch die EZB wird hier ab sofort und wohl auch bei zukünftigen Krisen schlichtweg größer ausfallen als bei anderen Emittenten. Zudem ergibt eine Analyse des CSPP-Universums nach impliziter Temperatur – ein Maß, das die Kriterien der EZB berücksichtigt –, dass sich bei gleicher Rating- und Laufzeitenstruktur sogar eine verbesserte laufende Verzinsung bzw. höhere Risikoaufschläge vereinnahmen lassen und gleichzeitig eine bessere Klimabilanz im Portfolio erzeugt werden kann. Bis zu 40 Basispunkte zusätzlich sind ohne Weiteres zu vereinnahmen. Als zusätzlicher Kitt für Performance-Risse bei neu entstehenden Rezessionssorgen können diese gut gebraucht werden.

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