Mobiles Gaming

Level-up für Videospiel-Aktien

Gaming boomt aufgrund mehrerer Trends. Assetmanager gehen davon aus, dass die Spielerzahl weiter rasant wächst und die Entwickler künftig verstärkt auf Künstliche Intelligenz zur Marktanalyse zurückgreifen werden.

Level-up für Videospiel-Aktien

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Chinesische Zocker können künftig auch unterwegs in die Welt des Zauberlehrlings Harry Potter eintauchen. Denn der chinesische Technologieriese Net Ease entwickelt in Zusammenarbeit mit dem US-Entertainment-Konzern Warner Bros. das Spiel „Harry Potter: Magic Awakened“ für das Smartphone.

Die beiden Unternehmen setzen damit bei einem Trend an, der die ohnehin schon wachstumsstarke Gaming-Branche noch massiv beflügelt: Laut dem Vermögensverwalter Fidelity International wird das Volumen des globalen Videospielmarkts im laufenden Jahr auf über 180 Mrd. Dollar steigen. Der Großteil davon werde voraussichtlich auf mobile Endgeräte entfallen.

Der Boom des Mobile Gaming im Vergleich zur Gesamtbranche liegt auch daran, dass mobile Inhalte wesentlich günstiger sind als Konsolen- oder Computerspiele. Für Letztere bestehen schließlich allein durch die benötigte Hardware hohe Einstiegskosten. Zudem ist es für kleinere Entwickler einfacher, eine App zu platzieren als ein Konsolenspiel – die Distributionswege im mobilen Be­reich sind also ausgeglichener.

Angesichts der starken Wachstumsaussichten haben sich die Aktien vieler Videospiel-Entwickler 2020 äußerst robust entwickelt, wobei auch der Wegfall anderer Unterhaltungsmöglichkeiten während der Pandemie zum Treiber für den Sektor wurde. Doch auch wenn die Gaming-Aktien 2021 bisher an Schwung verloren haben, ist laut Oddo BHF Asset Management ein Paradigmenwechsel zu beachten, der den Markt weiterhin explodieren lassen dürfte. Dabei ersetzten und ergänzten mobile Versionen Spiele, die bisher nur für Konsolen und Computer verfügbar gewesen seien.

Blockbuster auf dem Handy

Zwar gestalten die geringere Leistungsfähigkeit des Telefons, der kleinere Bildschirm und Unterschiede bei der Steuerung die äquivalente Übertragung von Konsolenspielen auf das Smartphone schwierig. Doch haben Publisher wie Activision Blizzard erfolgreich modifizierte Versionen beliebter Reihen wie „Call of Duty“ für mobile Geräte auf den Markt gebracht – wobei insbesondere China als Test- und Wachstumsmarkt attraktiv zu sein scheint. Oddo BHF sieht den neuen Mobilfunkstandard 5G als weiteres Argument für ein Wachstum des Segments.

Einen zweiten großen Trend am Gaming-Markt sind In-Game-Käufe. Während Videospiele früher eine kostspielige Einmalinvestition mit endlicher Lebensdauer darstellten, erhalten Zocker inzwischen viele Titel kostenlos und bezahlen in der Folge stetig für neue Inhalte, Designs und Ausrüstungen für ihre Spielfiguren. So halten die Einkommensströme aus einzelnen Spielen weitaus länger an als zuvor. Bei Activision Blizzard machten In-Game-Käufe im Kalenderjahr 2020 beispielsweise fast 60% des Nettoabsatzes aus.

Die Aktie des kalifornischen Konzerns gehört dementsprechend zu den global beliebtesten Gaming-Titeln: Laut dem Informationsdienstleister Bloomberg kommen auf 31 Kaufempfehlungen für das Papier fünf Analysten, die auf „Halten“ votieren und lediglich eine Verkaufsempfehlung. Der kostenlos spielbare Online-Modus, den Activision Blizzard im März 2020 als Erweiterung seines „Call of Duty“-Franchises gestartet startete, hat die Monetisierbarkeit der Reihe laut den Analysten der Deutschen Bank fundamental erhöht. Zudem wachse das Mobilgeschäft auch dank der Tochter King Digital Entertainment stark.

Aufgrund großer Investitionen in Mobile Gaming und des Vormarschs von Free-to-Play-Versionen erwartet Oddo BHF, dass die Spielerzahlen weiter rasant steigen. Dies werde die Branche zum vermehrten Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) bewegen. „Unseren Analysen zufolge wird die Anwendung künstlicher Intelligenz die Monetisierung der zunehmend globalen Nutzerbasis be­schleunigen“, sagt Brice Prunas, Portfoliomanager des Oddo BHF Artificial Intelligence. KI könne Erkenntnisse darüber liefern, wie sich In-Game-Käufe künftig entwickelten und welche Spieler einen bestimmten Titel bald nicht mehr spielten. Mithilfe dieser Daten könnten Anbieter ihr Umsatzwachstum stark ankurbeln.

Einige Spiele müssten zudem als soziale Netzwerke begriffen werden, in denen die Zugehörigkeit zur Gaming-Gemeinschaft hohe Bedeutung habe. Auch andere Beobachter argumentieren, dass sich die Verweildauer bei einem Titel verlängert, wenn Nutzer über das Spiel Bekanntschaften knüpfen. Zudem steigt die Bereitschaft, für neue Inhalte Geld auszugeben, da teure Outfits und Ausrüstungen Imagegewinne innerhalb der Gemeinschaft mit sich bringen. Laut Prunas entstehen so neue Vermarktungsmöglichkeiten für Werbetreibende. „Wir sehen auch im Gaming-Markt eine Entwicklung in Richtung Social Commerce, in der sich soziale Netzwerke und Online-Shopping vermischen“, sagt der Portfoliomanager. Das zeige sich bereits auf chinesischen Live-Streaming-Plattformen, die künftig verstärkt in Spiele integriert werden dürften. In den kommenden Jahren könnten diese Plattformen sogar den herkömmlichen sozialen Netzwerken Marktanteile streitig machen.