Dax-Miterfinder Frank Mella

„Mella, machen Sie mal“

Im Gespräch erläutert Frank Mella, wie er als Redakteur und Indexexperte der Börsen-Zeitung den Weg für den Dax bereitete. Aus seiner Sicht sollten 30 Dax-Werte die Obergrenze sein.

„Mella, machen Sie mal“

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Der Deutsche Aktienindex, kurz Dax, ist das Aushängeschild des heimischen Aktienmarktes. Im Fernsehen, wie auf n-tv oder kurz vor der Tagesschau im Ersten, wird die große Dax-Tafel am Frankfurter Börsenparkett eingeblendet und über den Verlauf des Dax berichtet. Und auch international ist der Dax heute das an­erkannte Börsenbarometer für den deutschen Aktienmarkt. Zudem gibt es an der Terminbörse Eurex Futures und Optionen auf den Dax, die sehr rege gehandelt werden.

Den Dax gibt es indes erst seit Mitte 1988, also seit gut 34 Jahren. Der Dax ging aus dem Index Börsen-Zeitung hervor und hat durch diese Verkettung eine längere Vergangenheit, was für einen Aktienindex durchaus wichtig ist. Einer der maßgeblichen Entwickler des Dax ist Frank Mella. Der heute 72 Jahre alte Diplom-Volkswirt war von Dezember 1977 bis Juli 1988 Redakteur im Kapitalmarktressort der Börsen-Zeitung.

„Begonnen hat alles damit, dass der Hardy-Index 1981 auf meinem Schreibtisch gelandet ist“, sagt Mella im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Aktienindex des Frankfurter Bankhauses Hardy wurde seit 1959 berechnet und eben 1981 von der Börsen-Zeitung übernommen. „Mella, machen Sie mal, hieß es damals.“ Und Mella und das Team der Börsen-Zeitung machten. „Der Hardy-Index hat sich aus 24 Aktien zusammengesetzt, ich habe ihn dann auf 30 erweitert“, berichtet Mella. Und bei 30 Titeln sei es dann ja auch 40 Jahre lang geblieben.

Der Hardy-Index wurde viermal am Tag berechnet, das war damals eine Besonderheit. „Und den Index Börsen-Zeitung haben wir dann natürlich auch viermal am Tag berechnet“, erinnert sich Mella. „Wir hatten damals den einzigen Index in Deutschland, der mehrmals am Tag berechnet wurde. So hatten wir einen Laufindex. Damit waren wir der Zeit weit voraus.“ Nicht zuletzt weil er die Entwicklung des Aktienmarkts im Verlauf wiedergegeben habe, sei der BZ-Index damals bei den Börsianern am Frankfurter Parkett so beliebt gewesen. „Und von 1981 bis zum Start des Dax Mitte 1988 ist der BZ-Index nie ausgefallen“, betont Mella.

Berechnung in Handarbeit

Wie Mella in seiner Broschüre „Wie der Dax entstand“ aufzeigt, die über die Webseite frank-mella.de kostenfrei verfügbar ist, war die Berechnung des BZ-Index noch Handarbeit: „Ein Mitarbeiter las die Kurse von der Anzeigentafel der Frankfurter Börse ab und fütterte einen programmierten Tischrechner, ein japanisches Fabrikat, dessen Speicherplatz eine Ausweitung auf 30 Titel erlaubte.“ Der Indexstand wurde fast in Echtzeit über elektronische Medien verbreitet und war via Reuters weltweit verfügbar.

„Anfang 1987 bat mich mein Verleger, ich solle mir mal Gedanken um einen Index für die deutschen Aktienbörsen machen“, berichtet Mella. Und unter dem Titel „Ein Aktienindex für den Finanzplatz Deutschland“ habe er dann im März 1987 ein 30-seitiges Diskussionspapier vorgelegt, das der Verleger „mit der Bitte um völlige Diskretion“ an ausgewählte Banken verschickt habe. Schließlich sei dann der Arbeitskreis Deutscher Aktienindex gegründet worden, der am 9. Dezember 1987 zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten sei. In dem Arbeitskreis saßen die Vertreter von führenden Banken und der Börse, und eben auch Frank Mella, der als Index­experte der Börsen-Zeitung und mit dem BZ-Index als Asset den Weg für den Dax wesentlich mitbereitet hat.

Den Namen Dax hat Mella aber nicht erfunden. Dieser fiel Manfred Zaß, damals Vorstandsvorsitzender der DGZ und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Wertpapierbörse, beim Spaziergang mit seinem Hund ein. Aber wesentliche Konstruktionsmerkmale des Dax stammen vom BZ-Index und Frank Mella. „Im Endergebnis konnte ich mich wiederfinden“, erläutert Mella. „Grundgerüst blieb die Beschränkung der Auswahl auf 30 Standardwerte, und sogar den Performance-Ansatz hatte man übernommen.“

Vergleichbarkeit mit Fonds

Doch ist es sinnvoll, ein Börsenbarometer als Performanceindex auszustatten? „Vor dem Dax wurde bei Vergleichen zwischen Aktienfonds und Indizes oft eingewendet, dass den Fonds ja die Dividenden zufließen“, sagt Mella. „Mit Start des Dax gab es solche Vorbehalte oder Diskussionen nicht mehr, denn in den Dax fließen ja Dividenden mit ein.“ Soll heißen: Natürlich ist die Kons­truktion als Performanceindex sinnvoll – nur ist es eben für einen Fonds nicht einfach, besser als ein Performanceindex abzuschneiden.

Von Beginn an war Mella übrigens der festen Überzeugung, dass der Dax als handelbarer Index auf Free-Float-Basis berechnet werden müsse. „Damit habe ich mich anfangs nicht durchsetzen können“, berichtet Mella. „Aber nach zäher Überzeugungsarbeit hat die Deutsche Börse den Dax ab Mitte 2002 dann doch auf Basis des Free Floats berechnet.“

Wichtig ist für Mella die Handelbarkeit des Dax und dass dieser auf den großen, liquiden Blue Chips beruht. „Die Ausweitung des Dax auf 40 Titel hätte man sich sparen können“, sagt Mella. „Aktuell haben 15 Werte im Dax ein geringes Gewicht von weniger als 1%.“ Mella betont: „30 Titel sollten die Obergrenze sein.“

Mit der Erfolgsgeschichte des Dax rechnete Mella zu Beginn auch nicht. „Eine Ahnung, dass da viel mehr daraus werden könnte, habe ich spätestens dann bekommen, als Futures auf den Dax aufgelegt wurden“, so Mella. Sollen nun Anleger jetzt in den Dax investieren? „Ja, wenn sie es über langfristige Sparpläne tun“, sagt Mella. Zu einem Einstieg mit einer größeren Summe würde er in der aktuellen Marktsituation aber nicht raten.

Der Wegbereiter des Dax freut sich nun auf die bevorstehende Feier zu 70 Jahren Börsen-Zeitung am 9. Juni in Frankfurt. Und auf das kommende Jahr, in dem der deutsche Leitindex seinen 35. Geburtstag begeht.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.