Zoom

Nach der Pandemie kommt der Realismus

Die Aktie von Zoom hat gegenüber ihrem Allzeithoch während der ersten Pandemiewelle mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren. Noch ist nicht klar, ob damit ein realistisches Niveau erreicht ist.

Nach der Pandemie kommt der Realismus

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Die Aktie von Zoom Video Communications gehörte in der Anfangsphase der Coronavirus-Pandemie zu den ganz großen Gewinnern der Krise. Waren Videokonferenzen vorher eher eine Nischenanwendung für technologisch fortschrittlich aufgestellte Unternehmenskunden, kann heute fast jeder Deutsche mit dem Namen „Zoom“ etwas anfangen und fast jeder hat die App auf seinem Smartphone, ermöglichte sie doch, in Lockdown-Phasen den Kontakt mit Familie und Freunden aufrechtzuerhalten.

Im Oktober 2020 erreichte die Aktie mit 588,84 Dollar ein Allzeithoch. Gegenüber ihrem Kurs am ersten Handelstag nach dem Börsengang am 14. April 2019 war dies ein Anstieg von nicht weniger als 850%. Seither ging es aber abwärts, der Titel hat mit aktuell 260 Dollar mehr als die Hälfte seines maximalen Wertes eingebüßt. Auf diesem Niveau sehen viele Analysten Kurspotenzial: Das durchschnittliche Kursziel der Analystengemeinde liegt bei 363,11 Dollar, was einem Anstieg von rund 40% entspricht. Die Analysten sind halbwegs zuversichtlich für die Aktie: Von 27 Analysten plädieren 13 zum Kauf der Aktie, während einer den Titel mit „Overweight“ einstuft. Allerdings raten auch zwölf Anlageexperten dazu, die Aktie lediglich im Portfolio zu behalten, während einer seinen Kunden gar den Verkauf nahelegt. Für die insbesondere hinsichtlich der Technologieaktien notorisch optimistischen US-Analysten könnte man das fast als Misstrauensvotum auffassen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate ist mit 77,8 hoch – aber es gibt im Gegensatz zu vielen anderen US-Technologiewerten immerhin einen Gewinn, so dass sich ein KGV berechnen lässt.

Enttäuschende Performance

Die zuletzt äußerst enttäuschende Performance der Aktie – im bisherigen Jahresverlauf gingen 24% des Wertes verloren – ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Anleger mit Blick auf die Normalisierung der Pandemielage in weiten Teilen der Welt zu realistischeren Erwartungen hinsichtlich der Perspektiven des Unternehmens zurückgekehrt sind. Die von Zoom vorgelegten Zahlen sind nicht schlecht. So konnte das Management im August erstmals von einem Quartalsumsatz von mehr als 1Mrd. Dollar berichten, was aber am Tag der Zahlenvorlage dennoch einen Kurssturz um 16% auslöste. Was bei den Anlegern nicht gut ankam, war der Ausblick, der nahelegt, dass die Erlöse in den nächsten zwei Quartalen lediglich konstant bleiben. Für einen Wachstumswert ist das natürlich zu wenig.

Brad Sills, Analyst bei Bank of America Securities, merkte damals an, der Ausblick für die zweite Jahreshälfte sei deshalb schwach, weil weniger kleine und mittelgroße Unternehmen die Produkte des Unternehmens nutzten. Sterling Auty von J.P. Morgan verwies darauf, dass die Erlöse des zweiten Quartals den geringsten Zuwachs aufwiesen seit dem Beginn der Pandemie und dass die Perspektive für den Rest des Jahres sogar von noch weniger Wachstum ausgehe. „Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass Zoom ein sehr gutes Unternehmen mit einer von enormen Wachstumsperspektiven gekennzeichneten Zukunft ist“, schreibt er, „aber wir gehen davon aus, dass der Markt noch ein anderes Wachstumsniveau nach der Pandemie in seinen Bewertungserwartungen realisieren muss.“ Andere Anlageexperten sind hingegen zuversichtlicher. So sah Rishi Jaluria von RBC Capital in dem Kursrutsch eine gute Kaufgelegenheit. Zoom werde weiter wachsen und die Aktie sehe nun vorteilhafter aus, weil sie den für sie schwierigen Vergleich mit dem explosiven Wachstum während der Pandemie hinter sich lasse. Gleichwohl, so lässt sich einwenden, ist eine aktuelle Marktkapitalisierung von 77,8 Mrd. Dollar immer noch ein leicht schwindelerregender Wert.

Immer mehr Großkunden

Um sich ein realistisches Bild zu machen, kommt es auf Faktoren wie zahlende Kunden, Zahl der Wechsler hin zu bezahlten Abonnements und vor allem die Entwicklung der Anzahl von Großkunden mit mehr als 100000 Dollar Ausgaben pro Jahr an. In diesen drei Kenngrößen sah das Unternehmen zuletzt gar nicht schlecht aus. Bei Unternehmenskunden mit mehr als zehn Angestellten wurde zuletzt ein Wachstum von 36% gegenüber Vorjahr verzeichnet, während die Zahl der Großkunden um 131% zunahm. Außerdem will Zoom ein Rundum-Paket an Dienstleistungen anbieten, das auch neue Angebote wie Messaging-Dienste und den cloudbasierten Telefondienst Zoom Phone umfasst. Allerdings sind diese Dienste nicht gerade Innovationen auf dem Markt und Zoom sieht sich größeren und finanzkräftigeren Wettbewerbern wie Microsoft und Alphabet gegenüber, um nur einige zu nennen. Ob sich Zoom gegen diese Riesen auf Dauer behaupten kann, steht in den Sternen.

Akquisition gescheitert

Zoom will sich auch durch Akquisitionen für die Zukunft fit machen. So wurde im Juli angekündigt, mit Five9 einen Anbieter von Cloud Contact Centern zur Kundenbetreuung für 14,7 Mrd. Dollar zu übernehmen. Doch aus dieser Transaktion wird nichts. Die Aktionäre von Five9 lehnten am Freitag eine Übernahme ab. Deswegen wurde die Kaufvereinbarung aufgelöst.